Ihr Job in der Marketingabteilung war nicht schlecht, da er bedeutete, dass sie an kleinen Werbekampagnen für die Firma arbeiten durfte und gelegentlich die führenden Designer kennenlernte. Sie war nicht viel mehr als eine glorifizierte Sekretärin, aber es war nicht allzu schlimm.
„Ich weiß, Mom“, hatte sie erwidert, „aber ich habe ein wenig darüber nachgedacht und ich würde wirklich gerne Design studieren.“
Sie hatte an all die Skizzen gedacht, die sie im Verlauf der vergangenen Jahre gezeichnet und sicher unter ihrem Bett sowie in ihrem Schreibtisch im Büro verstaut hatte. Sie hatte gerade in Erwägung gezogen, sie ihrer Mutter zu zeigen, als sie bemerkt hatte, dass ihre Mutter sie auslachte. „Designstudium?“, hatte sie geprustet. „Das ist kein Plan, Schatz!“
Und so war es zu einem Streit ausgeartet. Sie hatte die nächsten zwei Tage vergeblich versucht, ihre Eltern zu überzeugen. Ihr Vater war jedoch unglaublich wütend geworden, als sie erklärt hatte, dass sie die Firma verlassen und stattdessen studieren wollte – nicht, dass er jemals irgendein Interesse daran gezeigt hätte, sie mehr in die Firma zu involvieren.
In der Tat hatte er sich immer darüber beschwert, dass er keine Söhne hatte, die das Geschäft später übernehmen konnten, wenn er bereit für die Rente war. Dabei hatte er versäumt, zu erkennen, dass seine Töchter den Job genauso gut tun könnten. Er schien zufrieden damit, ihrer Mutter zu erlauben, ihnen geeignete Ehemänner zu suchen, damit er vielleicht eines Tages einen Schwiegersohn hätte, den er dazu heranziehen könnte, sein Imperium zu übernehmen.
Ihre Mom hatte sie zuerst ausgelacht, doch je mehr ihr klar geworden war, dass Serena es ernst meinte, desto uneinsichtiger war sie geworden. An irgendeinem Punkt während eines besonders hitzigen Wortgefechts hatte Serena die Skizzen unter ihrem Bett hervorgezogen und ihren Eltern ins Gesicht geschleudert. Ihr Fehler.
Ihre Mutter war weiß wie die Wand geworden, als wäre allein die Tatsache, dass sie diese Skizzen angefertigt hatte, ein Verrat und Beweis dafür, dass sie von Anfang an geplant hatte, den sorgfältig ersonnenen Plan, den ihre Mutter für ihr Leben gehabt hatte, zu zerstören. Ihr Vater hatte sie nur angestarrt, bevor er sie beschuldigt hatte, der Firma Zeit gestohlen zu haben, falls sie die Skizzen während ihrer Arbeitszeit angefertigt habe, und dann war er schnaubend davongestürmt.
In diesem Moment war es ihr bewusst geworden. Anstatt sie zu unterstützen, nachdem sie erfahren hatten, was Bryan getan hatte, anstatt ihr zu helfen, herauszufinden, wie es nun weitergehen sollte, hatten sie sie ausgelacht, sie verhöhnt, ihr die Schuld an Bryans Fehltritt gegeben, sie angeschrien und sie letzten Endes auch noch beschuldigt, ihnen Geld gestohlen zu haben.
Wenn sie jemals ihrer Leidenschaft folgen und ihr Leben führen wollte, musste sie hier weg. Weg von ihren Eltern und deren kontrollierender Art und übermäßigem Beschützerinstinkt.
Es hatte sie sämtliche Kraft gekostet und sie hatte tief graben müssen, um das eine Fitzelchen Durchsetzungskraft, über das sie verfügte, zu finden, aber sie hatte es irgendwie getan. Sie war gegangen.
Noch in dem Moment war sie die Treppe hinauf geeilt, hatte einige Kleider und Hygieneartikel in eine Reisetasche geworfen und ihren verblüfften Eltern auf dem Weg nach draußen zu ihrem Auto verkündet, dass sie ginge und dass sie einen Weg finden würde, allein ihre Träume zu verwirklichen.
Erst nachdem sie mit quietschenden Reifen aus der Einfahrt gerast und eine Weile herumgefahren war, hatte sie sich so weit beruhigt, dass sie realisiert hatte, was sie gerade getan hatte. Sie hatte nicht zurück nach Hause gehen können und stark bezweifelt, dass sie ihren Job in der Firma wieder aufnehmen würde können. Ihre Schwester lebte mit drei Mitbewohnern in ihrem Apartment, weshalb es unmöglich war, dort zu übernachten, und Mary war für ein paar Tage nicht in der Stadt. Zu spät hatte sie realisiert, dass sie das Ganze gründlicher durchdenken hätte sollen, aber nun hatte es kein Zurück mehr gegeben.
Sie hatte keinen Platz zum Wohnen, keinen Job, nur wenig Geld gespart und keine Ahnung, wie sie sich aus dieser misslichen Lage befreien sollte.
Sie hatte den Wagen gewendet und war in Richtung von Joshs Apartment gefahren. Vielleicht würde er noch einmal Mitleid mit ihr haben und sie in seinem Gästezimmer schlafen lassen, bis Mary nach Hause kam. Sie hatte gehofft, dass er allermindestens da wäre, damit sie Dampf ablassen konnte.
Wie sich herausgestellt hatte, war er zu Hause gewesen. Ein Blick auf ihr tränenüberströmtes Gesicht, ihre hängenden Schultern und Reisetasche, und er hatte sie ohne eine Frage in sein Apartment gezogen.
Es hatte sich auch herausgestellt, dass Josh nicht allein gewesen war, aber er hatte sie direkt in die Küche gezerrt, ihr ein großes Glas gekühlten Weißwein eingeschenkt und angewiesen, sich eine Sekunde nicht vom Fleck zu rühren.
Aus seinem Wohnzimmer hatte sie eine schrille – eindeutig nicht gerade erfreute – weibliche Stimme gehört. „Im Ernst, Josh, jemand klopft an deine Tür und jetzt wirfst du mich einfach raus? Mitten in dem hier?“, hatte die mysteriöse Frau mehr oder weniger gebrüllt.
Josh hatte mit so leiser Stimme geantwortet, dass sie die Worte, die er zu der Frau gesprochen hatte, nicht hatte hören können. Doch die Antwort der Frau hatte sie laut und deutlich vernehmen können. „Mir ist scheißegal, was passiert ist. So behandelt man Frauen nicht, Josh. Man wirft sie nicht einfach raus, Sekunden nachdem man… Arschloch!“
Da hatte die Frau wirklich gebrüllt. Hätte sie einen noch schlechteren Zeitpunkt wählen können?
Erneut war Joshs Erwiderung zu leise gewesen, als dass sie etwas hätte verstehen können, doch die Antwort der Frau machte es nicht schwer, zu erraten, was er gesagt hatte.
„Kontaktier mich nie wieder, Josh. Vergiss meine Nummer. Fick dich!“ und dann war die Tür krachend ins Schloss gefallen.
Als Josh in die Küche zurückgekehrt war, hatte sie zum ersten Mal seine zerzausten Haare bemerkt und dass der oberste Knopf seiner Jeans verräterischer Weise geöffnet war, aber sie hatte kein Wort darüber verloren. Sie war errötet.
„Was ist passiert, Ser?“
Zuerst hatte sie diesen Spitznamen gehasst. Als sie sich als Kinder kennengelernt hatten, hatte er beschlossen, dass die zweite Hälfte ihres Namens irgendwie überflüssig wäre und es sich angewöhnt, sie stattdessen „Ser“ zu nennen. Über die Jahre war er ihr ans Herz gewachsen und sobald sie den Namen gehört hatte, war die ganze Geschichte der vergangenen Tage aus ihrem Mund geströmt.
Er hatte ihr sofort sein Gästezimmer angeboten und ihr gesagt, sie solle es sich gemütlich machen und sich einfach entspannen und dass er ihr helfen würde, eine Lösung zu finden.
Und so war es gekommen, dass sie innerhalb von einer Woche zum zweiten Mal mit einem Weinkater aufgewacht war und keinem blassen Schimmer, was sie als Nächstes tun sollte.
Eine Woche später hatte sich nicht viel verändert. Josh war so lieb gewesen, ihr anzubieten, fürs Erste bei ihm einzuziehen. Er hatte ihr versichert, dass sie so viel oder wenig an Miete zahlen konnte, wie sie momentan erübrigen konnte. Sie hatte sein Angebot dankend angenommen, denn es gab keinen anderen Ort, an den sie hätte gehen können.
Ohne die Unterstützung ihrer Eltern kam ein Designstudium nicht in Frage, bis sie genügend Geld für die Anmeldung gespart und sich vielleicht ein Darlehn besorgt hatte.
Katie hatte während ihrer Besuche heimliche Dinge aus dem Haus mitgehen lassen, sodass ihr kleines Zimmer bei Josh mittlerweile ziemlich vollgestopft war. Sie hatte ihre Schwester gebeten, vorerst keine weiteren Sachen mehr mitzubringen.
Читать дальше