Erschlagen, liegt hier tot, entleibt vom Romeo.
GRÄFIN CAPULET
Mein Vetter! Tybalt! Meines Bruders Kind!
O Fürst! O mein Gemahl! O seht, noch rinnt
Das teure Blut! Mein Fürst, bei Ehr und Huld,
Im Blut der Montagues tilg ihre Schuld! -
O Vetter, Vetter!
PRINZ
Benvolio, sprich, wer hat den Streit erregt?
BENVOLIO
Der tot hier liegt, von Romeo erlegt.
Viel gute Worte gab ihm Romeo,
Hieß ihn bedenken, wie gering der Anlaß,
Wie sehr zu fürchten Euer höchster Zorn.
Dies alles, vorgebracht mit sanftem Ton,
Gelaßnem Blick, bescheidner Stellung, konnte
Nicht Tybalts ungezähmte Wut entwaffnen.
Dem Frieden taub, berennt mit scharfem Stahl
Er die entschloßne Brust Mercutios;
Der kehrt gleich rasch ihm Spitze gegen Spitze
Und wehrt mit Kämpfertrotz mit einer Hand
Den kalten Tod ab, schickt ihn mit der andern
Dem Gegner wieder, des Behendigkeit
Zurück ihn schleudert. Romeo ruft laut:
Halt, Freunde, auseinander! Und geschwinder
Als seine Zunge schlägt sein rüstger Arm,
Dazwischen stürzend, beider Mordstahl nieder.
Recht unter diesem Arm traf des Mercutio Leben
Ein falscher Stoß vom Tybalt. Der entfloh,
Kam aber gleich zum Romeo zurück,
Der eben erst der Rache Raum gegeben.
Nun fallen sie mit Blitzeseil sich an,
Denn eh ich ziehen konnt, um sie zu trennen,
War der beherzte Tybalt umgebracht.
Er fiel, und Romeo, bestürzt, entwich.
Ich rede wahr, sonst führt zum Tode mich.
GRÄFIN CAPULET
Er ist verwandt mit Montagues Geschlecht,
Aus Freundschaft spricht er falsch, verletzt das Recht.
Die Fehd erhoben sie zu ganzen Horden,
Und alle konnten nur ein Leben morden. Ich fleh um Recht; Fürst, weise mich nicht ab: Gib Romeo, was er dem Tybalt gab!
PRINZ
Er hat Mercutio, ihn Romeo erschlagen;
Wer soll die Schuld des teuren Blutes tragen?
GRÄFIN MONTAGUE
Fürst, nicht mein Sohn, der Freund Mercutios;
Was dem Gesetz doch heimfiel, nahm er bloß:
Das Leben Tybalts.
PRINZ
Weil er das verbrochen,
Sei über ihn sofort der Bann gesprochen.
Mich selber trifft der Ausbruch eurer Wut,
Um euren Zwiespalt fließt mein eignes Blut;
Allein ich will dafür so streng euch büßen,
Daß mein Verlust euch ewig soll verdrießen.
Taub bin ich jeglicher Beschönigung,
Kein Flehn, kein Weinen kauft Begnadigung;
Drum spart sie. Romeo flieh schnell von hinnen!
Greift man ihn, soll er nicht dem Tod entrinnen.
Tragt diese Leiche weg! Vernehmt mein Wort!
Wenn Gnade Mörder schont, verübt sie Mord!
Alle ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Ein Zimmer in Capulets Hause
Julia tritt auf.
JULIA
Hinab, du flammenhufiges Gespann,
Zu Phöbus' Wohnung! Solch ein Wagenlenker
Wie Phaethon jagt' euch gen Westen wohl
Und brächte schnell die wolkige Nacht herauf.
Verbreite deinen dichten Vorhang, Nacht,
Du Liebespflegerin, damit das Auge
Der Neubegier sich schließ und Romeo
Mir unbelauscht in diese Arme schlüpfe.
Verliebten gnügt zu der geheimen Weihe
Das Licht der eignen Schönheit, oder wenn
Die Liebe blind ist, stimmt sie wohl zur Nacht.
Komm, ernste Nacht, du züchtig stille Frau,
Ganz angetan mit Schwarz, und lehre mich
Ein Spiel, wo jedes reiner Jugend Blüte
Zum Pfände setzt, gewinnend zu verlieren!
Verhülle mit dem schwarzen Mantel mir
Das wilde Blut, das in den Wangen flattert,
Bis scheue Liebe kühner wird und nichts
Als Unschuld sieht in innger Liebe Tun.
Komm, Nacht! Komm, Romeo, du Tag in Nacht,
Denn du wirst ruhn auf Fittichen der Nacht
Wie frischer Schnee auf eines Raben Rücken.
Komm, milde, liebevolle Nacht! Komm, gib
Mir meinen Romeo! Und stirbt er einst,
Nimm ihn, zerteil in kleine Sterne ihn:
Er wird des Himmels Antlitz so verschönen,
Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt
Und niemand mehr der eitlen Sonne huldigt. -
Ich habe Lieb erworben wie ein Haus,
Und durfte noch nicht einziehn; bin verkauft,
Doch noch nicht übergeben. Dieser Tag
Währt so verdrießlich lang mir wie die Nacht
Vor einem Fest dem ungeduldgen Kinde,
Das noch sein neues Kleid nicht tragen durfte.
[Die Wärterin mit einer Strickleiter.] Da kommt die Amme ja, die bringt Bericht, Und jede Zunge, die nur Romeo Beim Namen nennt, spricht so beredt wie Engel. Die Amme tritt auf mit einer Strickleiter. Nun, Amme? Sag, was gibts, was hast du da? Die Stricke, die dich Romeo hieß holen?
WÄRTERIN
Ja, ja, die Stricke!
Sie wirft sie auf die Erde.
JULIA
Weh mir! Was gibts? Was ringst du so die Hände?
WÄRTERIN
Daß Gott erbarm! Er ist tot, er ist tot, er ist tot!
Wir sind verloren, Fräulein, sind verloren!
O weh uns! Er ist hin! Ermordet! Tot!
JULIA
So neidisch kann der Himmel sein?
WÄRTERIN
Ja, das kann Romeo; der Himmel nicht.
O Romeo, wer hätt es je gedacht?
O Romeo, Romeo!
JULIA
Welch Teufel bist du, daß du so mich folterst?
Die grause Hölle nur brüllt solche Qual.
Hat Romeo sich selbst ermordet? Sprich!
Und sagt du »Ja«, vergiftet dieser Laut
Mehr als des Basilisks todbringend »Aug«.[Ein Wortspiel mit den Wörtern »aye« (ja), »I« (ich) und »eye« (Auge), die alle gleich ausgesprochen werden.]
Ich bin nicht »ich«, wenns gibt ein solches »Ja«,
Dies Auge zu, das dich zwingt zu dem »Ja«.
Ist er entleibt, sag ja, wo nicht, sag nein!
Ein kurzer Laut entscheidet Wonn und Pein.
WÄRTERIN
Ich sah die Wunde, meine Augen sahn sie
- Behüte Gott! - auf seiner tapfern Brust;
Die blutge Leiche, jämmerlich und blutig,
Bleich, bleich wie Asche, ganz mit Blut besudelt,
Ganz starres Blut - weg schwiemt ich, da ichs sah.
JULIA
O brich, mein Herz, verarmt auf einmal, brich!
Ihr Augen, ins Gefängnis! Blicket nie
Zur Freiheit wieder auf! Elende Erde, kehre
Zur Erde wieder! Pulsschlag, hemme dich!
Ein Sarg empfange Romeo und mich!
WÄRTERIN
O Tybalt, Tybalt! O mein bester Freund!
Leutselger Tybalt, wohlgesinnter Herr!
So mußt ich leben, um dich tot zu sehn?
JULIA
Was für ein Sturm tobt so von jeder Seite?
Ist Romeo erschlagen? Tybalt tot?
Mein teurer Vetter? Teuerster Gemahl?
Dann töne nur des Weltgerichts Posaune!
Wer lebt noch, wenn dahin die beiden sind?
WÄRTERIN
Dahin ist Tybalt, Romeo verbannt;
Verbannt ist Romeo, der ihn erschlug.
JULIA
Gott! Seine Hand, vergoß sie Tybalts Blut?
WÄRTERIN
Sie tats, sie tats! O weh uns, weh, sie tats!
JULIA
O Schlangenherz, von Blumen überdeckt!
Wohnt' in so schöner Höhl ein Drache je?
Holdselger Wütrich! Engelgleicher Unhold!
Ergrimmte Taube! Lamm mit Wolfesgier!
Verworfne Art in göttlichster Gestalt!
Das rechte Gegenteil des, was mit Recht
Du scheinest: ein verdammter Heiliger,
Ein ehrenwerter Schurke! - O Natur!
Was hattest du zu schaffen in der Hölle,
Als du des holden Leibes Paradies
Zum Lustsitz einem Teufel übergabst?
War je ein Buch, so arger Dinge voll,
So schön gebunden? Oh, daß Falschheit doch
Solch herrlichen Palast bewohnen kann!
WÄRTERIN
Kein Glaube, keine Treu noch Redlichkeit
Ist unter Männern mehr. Sie sind meineidig,
Falsch sind sie, lauter Schelme, lauter Heuchler! -
Wo ist mein Diener? Gebt mir Aquavit!
Читать дальше