POLONIUS
Verrückt aus Liebe?
OPHELIA
Herr, ich weiß es nicht,
Allein ich fürcht es wahrlich.
POLONIUS
Und was sagt' er?
OPHELIA
Er griff mich bei der Hand und hielt mich fest,
Dann lehnt' er sich zurück, so lang sein Arm:
Und mit der andern Hand so überm Auge
Betrachtet' er so prüfend mein Gesicht,
Als wollt ers zeichnen. Lange stand er so;
Zuletzt ein wenig schüttelnd meine Hand
Und dreimal hin und her den Kopf so wägend,
Tat er solch einen bangen, tiefen Seufzer,
Als sollt er seinen ganzen Bau zertrümmern
Und endigen sein Dasein. Dies getan,
Läßt er mich gehn, und über seine Schultern
Den Kopf zurückgedreht, schien er den Weg
Zu finden ohne seine Augen; denn
Er ging zur Tür hinaus ohn ihre Hülfe
Und wandte bis zuletzt ihr Licht auf mich.
POLONIUS
Geht mit mir, kommt, ich will den König suchen.
Dies ist die wahre Schwärmerei der Liebe,
Die, ungestüm von Axt, sich selbst zerstört
Und leitet zu verzweifelten Entschlüssen,
So oft als irgendeine Leidenschaft,
Die unterm Mond uns quält. Es tut mir leid -
Sagt, gabt Ihr ihm wohl kürzlich harte Worte?
OPHELIA
Nein, bester Herr, nur wie Ihr mir befahlt,
Wies ich die Briefe ab und weigert ihm
Den Zutritt.
POLONIUS
Das hat ihn verrückt gemacht.
Es tut mir leid, daß ich mit besserm Urteil
Ihn nicht beachtet hab. Ich sorgt, er tändle nur
Und wolle dich verderben: doch verdammt mein Argwohn!
Uns Alten ists so eigen, wie es scheint,
Mit unsrer Meinung übers Ziel zu gehn,
Als häufig bei dem jungen Volk der Mangel
An Vorsicht ist. Gehn wir zum König, komm!
Er muß dies wissen, denn es zu verstecken
Brächt uns mehr Gram, als Haß, die Lieb entdecken.
[Komm! ]
Beide ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Ein Zimmer im Schlosse
Der König, die Königin, Rosenkranz, Güldenstern und Gefolge.
KÖNIG
Willkommen, Rosenkranz und Güldenstern!
Wir wünschten nicht nur sehnlich, Euch zu sehn,
Auch das Bedürfnis Eurer Dienste trieb
Uns zu der eilgen Sendung an. Ihr hörtet
Von der Verwandlung Hamlets schon; so nenn ichs,
Weil nicht der äußre noch der innre Mensch
Dem gleicht, was sonst er war. Was es nur ist,
Mehr als des Vaters Tod, das ihn so weit
Von dem Verständnis seiner selbst gebracht,
Kann ich nicht raten. Ich ersuch Euch beide,
Da Ihr von Kindheit auf mit ihm erzogen
Und seiner Laun und Jugend nahe bliebt,
Ihr wollet hier an unserm Hof verweilen
Auf einge Zeit, um ihn durch Euren Umgang
In Lustbarkeit zu ziehn und zu erspähn,
Soweit der Anlaß auf die Spur Euch bringt,
Ob irgendwas, uns unbekannt, ihn drückt,
Das, offenbart, zu heilen wir vermöchten.
KÖNIGIN
Ihr lieben Herrn, er hat Euch oft genannt;
Ich weiß gewiß, es gibt nicht andre zwei,
An denen er so hängt. Wenns Euch beliebt,
Uns soviel guten Willen zu erweisen,
Daß Ihr bei uns hier eine Weile zubringt
Zu unsrer Hoffnung Vorschub und Gewinn,
So wollen wir Euch den Besuch belohnen,
Wie es sich ziemt für eines Königs Dank.
ROSENKRANZ
Es stände Euern Majestäten zu,
Nach herrschaftlichen Rechten über uns
Mehr zu gebieten nach gestrengem Willen,
Als zu ersuchen.
GÜLDENSTERN
Wir gehorchen beide
Und bieten uns hier an, nach besten Kräften
Zu Euren Füßen unsern Dienst zu legen,
Um frei damit zu schalten.
KÖNIG
Dank, Rosenkranz und lieber Güldenstern!
KÖNIGIN
Dank Güldenstern und lieber Rosenkranz!
Besucht doch unverzüglich meinen Sohn,
Der nur zu sehr verwandelt. Geh wer mit
Und bring die Herren hin, wo Hamlet ist.
GÜLDENSTERN
Der Himmel mach ihm unsre Gegenwart
Und unser Tun gefällig und ersprießlich!
KÖNIGIN
So sei es, Amen!
Rosenkranz, Güldenstern und einige aus dem Gefolge ab. Polonius kommt.
POLONIUS
Mein König, die Gesandten sind von Norweg
Froh wieder heimgekehrt.
KÖNIG
Du warest stets der Vater guter Zeitung.
POLONIUS
Nicht wahr? Ja, seid versichert, bester Herr,
Ich halte meine Pflicht wie meine Seele:
So meinem Gott wie meinem gnädgen König!
Und jetzo denk ich - oder dies Gehirn
Jagt auf der Klugheit Fährte nicht so sicher,
Als es wohl pflegte -, daß ich ausgefunden,
Was eigentlich an Hamlets Wahnwitz schuld.
KÖNIG
O davon sprecht; das wünsch ich sehr zu hören!
POLONIUS
Vernehmt erst die Gesandten; meine Zeitung
Soll bei dem großen Schmaus der Nachtisch sein.
KÖNIG
Tut ihnen selber Ehr und führt sie vor!
Polonius ab. Er sagt mir, liebe Gertrud, daß er jetzt Den Quell vom Übel Eures Sohns gefunden.
KÖNIGIN
Ich fürcht, es ist nichts anders als das eine:
Des Vaters Tod und unsre hastige Heirat.
KÖNIG
Gut, wir erforschen ihn.
Polonius kommt mit Voltimand und Cornelius zurück. Willkommen, liebe Freunde! Voltimand, Sagt, was Ihr bringt von unserm Bruder Norweg.
VOLTIMAND
Erwiderung der schönsten Grüß und Wünsche.
Auf unser erstes sandt er aus und hemmte
Die Werbungen des Neffen, die er hielt
Für Zurüstungen gegen den Polacken;
Doch, näher untersucht, fand er, sie gingen
Auf Eure Hoheit wirklich. Drob gekränkt,
Daß seine Krankheit, seines Alters Schwäche
So hintergangen sei, legt' er Verhaft
Auf Fortinbras, worauf sich dieser stellt,
Verweis' empfängt von Norweg und zuletzt
Vor seinem Oheim schwört, nie mehr die Waffen
Zu führen gegen Eure Majestät.
Der alte Norweg, hoch erfreut hierüber,
Gibt ihm dreitausend Kronen Jahrgehalt
Und seine Vollmacht, gegen den Polacken
Die so geworbnen Truppen zu gebrauchen;
Nebst dem Gesuch, des weitern hier erklärt:
übergibt ein Papier. Ihr wollt geruhn, für dieses Unternehmen Durch Eur Gebiet den Durchzug zu gestatten, Mit solcherlei Gewähr und Einräumung, Als abgefaßt hier steht.
KÖNIG
Es dünkt Uns gut;
Wir wollen bei gelegner Zeit es lesen,
Antworten und bedenken dies Geschäft.
Derweil habt Dank für wohlgenommne Müh;
Geht auszuruhn, wir schmausen heut zusammen.
Willkommen mir zu Haus!
Voltimand und Cornelius ab.
POLONIUS
So wäre dies Geschäft nun wohl vollbracht.
Mein Fürst und gnädge Frau, hier zu erörtern,
Was Majestät ist, was Ergebenheit,
Warum Tag Tag; Nacht Nacht; die Zeit die Zeit:
Das hieße, Nacht und Tag und Zeit verschwenden.
Weil Kürze denn des Witzes Seele ist,
Weitschweifigkeit der Leib und äußre Zierat:
Faß ich mich kurz. Eur edler Sohn ist toll,
Toll nenn ichs: denn worin besteht die Tollheit,
Als daß man gar nichts anders ist als toll?
Doch das mag sein.
KÖNIGIN
Mehr Inhalt, wenger Kunst!
POLONIUS
Auf Ehr, ich brauche nicht die mindste Kunst.
Toll ist er, das ist wahr; wahr ists, 's ist schade;
Und schade, daß es wahr ist. Doch dies ist
'ne törichte Figur: sie fahre wohl,
Denn ich will ohne Kunst zu Werke gehn.
Toll nehmen wir ihn also; nun ist übrig,
Daß wir den Grund erspähn von dem Effekt,
Nein, richtiger den Grund von dem Defekt;
Denn dieser Defektiv-Effekt hat Grund.
So stehts nun, und der Sache Stand ist dies.
Erwägt:
Ich hab 'ne Tochter; hab sie, weil sie mein;
Die mir aus schuldigem Gehorsam, seht,
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