Marie Louise Fischer
Das Herz einer Mutter - Unterhaltungsroman
Saga
Das Herz einer Mutter – Unterhaltungsroman Coverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 1966, 2020 Marie Louise Fischer und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726444797
1. Ebook-Auflage, 2020
Format: EPUB 2.0
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Helga Reimers, in gewissen Kreisen Frankfurts als »Kitty« bekannt, kam aus dem Badezimmer ihres Appartements. Sie hatte sich einen Morgenmantel aus fliederfarbener, fließender Seide übergeworfen, dessen weite Ärmel sowie der lange, glockig geschnittene Rock mit weißem Schwanenpelz besetzt war. Das glänzende kupferrote Haar fiel ihr in reichen Locken bis auf die Schultern.
»Aufstehen!« rief sie. »Ich dachte, du wärst längst abgezogen!« Aber der Mann, der quer über dem breiten, luxuriösen Bett lag, rührte sich nicht.
Sie knipste die Deckenbleuchtung an. Mit einem Schlag war das eben noch schummrige Zimmer in strahlend helles Licht getaucht. Der riesige Spiegel über dem Bett warf die Lichter des Kristalleuchters schimmernd zurück.
»Aufstehen!« rief Kitty noch einmal und ging langsam auf den Mann und das Bett zu. Die hohen Absätze ihrer fliederfarbenen, ebenfalls mit Schwanenpelz besetzten Pantöffelchen gruben sich in den dicken, maisgelben Teppichboden. Bei jedem Schritt fiel der weite Morgenmantel, der nur in der Taille mit einem Band zusammengehalten wurde, in der Mitte weit auseinander und gab ihre langen schlanken Beine bis zu den Oberschenkeln frei.
Aber dem Mann im Bett entging dieser Anblick. Er war eingeschlafen, schnarchte leise, mit offenem Mund.
Kitty betrachtete ihn mit Abscheu.
Er lag halb auf der Seite, sein dicker weißer Bauch quoll hervor wie ein schlecht aufgepumpter Ballon. Sein schlaffes Gesicht unter der feuchten Glatze wirkte ungemein töricht.
Wie abgestochen sieht er aus, fuhr es Kitty durch den Kopf.
Dann überwand sie sich und bohrte ihm die langen, knallrot lackierten Fingernägel in die runde, schwarz behaarte Schulter. »Los, mach schon!«
Mit einer ungeschickten Bewegung versuchte er die Hand wegzuscheuchen wie eine Fliege, die den Schlaf stört, und murmelte: »Sei doch nicht so . . . laß mich doch!«
Sie verstärkte ihren Griff unbarmherzig, bis der Schmerz ihn aus dem Schlaf riß. »Verdammt, was soll das?«
Aber gleichzeitig mit seinem Bewußtsein erwachte erneut seine Begierde. Kitty hatte sich über ihn gebeugt, ihr Gesicht mit dem grell geschminkten Mund, den weit auseinanderstehenden grünen Augen unter den langen schwarzen Wimpern war dicht vor ihm. Er aber sah nicht ihr Gesicht, sondern den tiefen Ausschnitt ihres Morgenmantels, der den Ansatz ihrer Brüste freigab.
»Ach so«, sagte er mit einem bösen Lächeln. »Wenn du das willst – kannst du haben!« Er griff nach ihr.
Sie richtete sich auf, aber nicht schnell genug. Er bekam noch ihr Handgelenk zu fassen, ehe sie den Arm zurückreißen konnte. In seinen kleinen Augen stand ein triumphierendes Glitzern.
»Na, komm schon«, sagte er, »hab dich nicht so!«
»Nein!« schrie sie. »Laß mich los! Ich will nicht!«
Ihr unerwarteter Widerstand machte ihm Spaß. »Warum denn nicht? Was ist denn los? Das ist doch schließlich dein Beruf!« Er hatte sich im Bett aufgerichtet, verdrehte ihr den Arm mit brutalem Griff.
Sie gab nicht nach, wehrte sich fauchend und kratzend wie eine Katze. »Deine Zeit ist um!« schrie sie. »Weißt du, wie spät es jetzt ist?«
Er ließ sie so plötzlich los, daß sie ins Taumeln geriet und beinahe hingefallen wäre. »Ach so«, sagte er, »das ist es, was dir Sorgen macht. Aber da kann ich dich beruhigen. Ich habe noch genug bei mir. Was willst du für die Überstunde haben? Fünfhundert? Oder tust du es nicht unter einem Tausender?«
Sein verächtlicher Ton, darauf angelegt, sie zu demütigen und zu verletzen, verfehlte seine Wirkung völlig. Kitty hatte nur das verlockende Angebot herausgehört, und ihr eben noch zorniges Gesicht wechselte blitzschnell den Ausdruck. Sie setzte ein verlockendes Lächeln auf und senkte die Wimpern.
»Du bist wirklich süß«, sagte sie zögernd, »aber . . .«
»Na, hol dir schon meine Brieftasche! In meiner Jacke steckt sie. Du wirst sehen, daß ich dich nicht belogen habe!«
»Das glaub’ ich dir auch so«, sagte sie heuchlerisch. »Aber es geht nicht, wirklich nicht. Es tut mir ja selber leid. Ich habe keine Zeit mehr.«
»Also wartet schon der nächste?«
Sie warf den Kopf mit den kupferroten Locken in den Nacken, lachte unnatürlich. »Was du denkst! Willst du hören, daß ich dich für jeden anderen stehenlasse? Aber es geht wirklich nicht, ich muß heute früh einen Besuch machen.«
Der Mann beobachtete sie mit zusammengekniffenen Augen, verärgert und amüsiert zugleich. »Einen . . . was? Sag das noch mal!«
»Einen Besuch. Mehr verrate ich nicht. Schließlich darf ich doch auch ein Privatleben haben, oder . . .?«
»Na klar doch!« Der nackte Bauch des Mannes wabbelte, als er lachte. »Mädchen, du fängst an, mir Spaß zu machen!«
»Und du langweilst mich«, sagte sie unbeherrscht. »Also los, zieh dich an, ich habe dir jetzt alles erklärt.«
»Ich glaube, da habe ich eine viel bessere Idee«, sagte er ungerührt, »ich werde hier auf dich warten, bis du von deinem . . .« Er machte eine kleine Pause, betonte dann das folgende Wort so, daß es eine doppelsinnige Bedeutung erhielt: »Besuch . . . zurückkommst! Na, wie wär’s damit?«
»Nein!« erklärte sie schroff.
Aber damit erreichte sie nur, daß er sich gemütlich im Bett ausstreckte, die Decke über sich zog und sie spöttisch angrinste.
Kitty holte tief Atem. »Warum eigentlich nicht?« sagte sie. »Bleib nur, wenn du unbedingt willst! Deine goldigen Kinderchen werden dann den Sonntag eben ohne ihren geliebten Pappi verbringen müssen.« Sie zuckte die Achseln. »Ich denke, das werden sie schon verschmerzen können.« Sie wandte sich ab, als wäre sie jetzt endgültig entschlossen, ihn seinem Schicksal zu überlassen.
Er fuhr hoch, sein Gesicht war rot angelaufen, selbst die Glatze schien sich rosig verfärbt zu haben. »Was fällt dir ein«, brüllte er, »meine Kinder da mit hineinzuziehen?«
Sie drehte sich um, musterte ihn halb über die Schulter hinweg mit hochgezogenen Augenbrauen. »Wieso denn? Schließlich hast du mir ja stundenlang von deiner Familie erzählt . . . von deiner frigiden Frau, die du lieber heute als morgen verlassen würdest, wenn die reizenden Kleinen nicht wären. Spiel dich bloß nicht auf! So sehr scheinst du doch nicht an ihnen zu hängen.«
Er war mit einem Satz aus dem Bett gesprungen, fuhr in seine Unterhose, zog sich das Hemd über den Kopf, begann nach seinen Socken zu suchen, die er achtlos ins Zimmer geworfen hatte.
Sie beobachtete ihn aus kalten Augen. »Wenn du dich beeilst«, sagte sie spöttisch, »bist du noch vor dem Frühstück zu Hause, und niemand merkt etwas von deinem Ausflug. Ihr habt doch getrennte Schlafzimmer?«
»Ach, halt die Schnauze!«
Sie wartete, bis er vollständig angzogen war, dann trat sie vor ihn hin, legte ihre Arme auf seine Schultern, so daß die weiten Ärmel ihres fliederfarbenen Morgenrocks bis zu den Ellbogen zurückrutschten. »Du bist mir doch nicht böse, Süßer?« fragte sie und warf lockend die kupferroten Haare in den Nacken.
Er wollte sie packen, aber sie wich rasch und geschickt zurück.
»Na dann, auf ein andermal.« Er ging an ihr vorbei auf den Flur hinaus.
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