Lisa Graf-Riemann
Ein Bad-Reichenhall-Krimi
Diese Geschichte ist frei erfunden. Tatsächlich existierende Personen und Firmen wurden verändert und/oder von der Autorin ausgedacht, Geschehnisse anderen und/oder fiktiven Personen zugeordnet. Verbleibende Übereinstimmungen mit etwaigen realen Personen wären somit rein zufällig und sind nicht gewollt .
Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger
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1. Auflage 2021
Copyright © 2021 by Lisa Graf-Riemann
Copyright Deutsche Erstausgabe © 2021 by Red Bull Media House GmbH
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Montasser Medienagentur, München.
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Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT
Gesetzt aus der Palatino, Courier, Bauer Bodoni
Umschlaggestaltung: www.b3k-design.de, Andrea Schneider, diceindustries
Umschlagmotiv: Königliches Kurhaus Bad Reichenhall, Eigentümer:
Zentrum Staatsbäder Bayern, Bildurheber: Bayerisches Staatsbad Bad Reichenhall
Kur-GmbH Bad Reichenhall Bayerisch Gmain
ISBN: 978-3-7104-0238-8
eISBN: 978-3-7104-5027-3
PROLOG
Montag, 27. Mai 2019
Dienstag, 28. Mai 2019
Mittwoch, 29. Mai 2019
Donnerstag, 30. Mai 2019, Christi Himmelfahrt
Freitag, 31. Mai 2019
Samstag, 1. Juni 2019
Nach dem Mord
Epilog
Duncan MacDougall saß am Krankenbett und starrte ohne Unterlass auf die Skala der am Bett installierten Waage. Der Patient war bereits sehr schwach. Sein Brustkorb hob und senkte sich kaum sichtbar. Er würde heute noch an seiner Tuberkulose sterben. MacDougall konnte nichts mehr für ihn tun, nur warten und die Waage beobachten. Nach dem Tod des Patienten würde der Physiker MacDougall seine Versuche an sterbenden Menschen abgeschlossen haben.
Sechzehn Uhr. MacDougall sah, wie der Zeiger der Waage plötzlich mit einem Ruck um einundzwanzig Gramm fiel. Er stand auf, fühlte den Puls des Patienten und stellte fest, dass Carl Muller, so hieß der Patient, am 14. Februar 1902 um Punkt sechzehn Uhr verstorben war. In der Sekunde seines Todes hatte der Körper des Sterbenden genau einundzwanzig Gramm Gewicht verloren. Es war das, was der Physiker erwartet und was er auch bei anderen Patienten zuvor bereits festgestellt hatte. Er schloss daraus, dass Carl Mullers Seele ebenso wie die der anderen Patienten ein Gewicht hatte, nämlich einundzwanzig Gramm. Bei seinem Tod hatte sie den Körper verlassen und befand sich nun irgendwo außerhalb, befreit von weltlicher Materie.
Ob der Tote aus Bad Reichenhall, der jetzt bei Professor Armbruster in der Rechtsmedizin in München lag, ebenfalls einundzwanzig Gramm seines Körpergewichts verloren hatte, als seine Seele in die Freiheit entwich, ist nicht bekannt, denn es wurde nicht untersucht. Kein Wunder, denn die Forschungsergebnisse des Physikers MacDougall waren von Anfang an umstritten, und seine 21-Gramm-These wurde von späteren Wissenschaftlern nicht mehr aufgegriffen. Und auch der Christi-Himmelfahrt-Tag drei Tage zuvor war keine Garantie dafür, dass die Seele den Ermordeten verlassen und dem in den Himmel aufgefahrenen Christus gefolgt war.
Der Tote auf Professor Armbrusters Tisch war am 1. Juni 2019 um 20.15 Uhr verstorben. Die Bad Reichenhaller Fußgängerzone war an diesem Samstagabend nicht mehr voller Menschen gewesen, aber doch noch belebt, es war ein warmer Frühlingsabend. Ein Pärchen eilte Hand in Hand zum Park-Kino in die Axelmannstein-Kolonnaden, um den Beginn des Films nicht zu verpassen. Sie hatten sich so auf den »Rocketman« gefreut, Elton Johns Lebensgeschichte als Musical. Und nun waren sie schon fast zu spät dran. Als sie auf den Eingang des Kinos zuliefen, hörten sie ein Geräusch, einen seltsam unpassenden Knall. Gleichzeitig brach auf der Terrasse des in unmittelbarer Nähe gelegenen Hotels Axelmannstein helle Panik aus. Menschen schrien, warfen sich zu Boden. Ein Wunder, dass außer dem Opfer kein weiterer Mensch zu Schaden kam. Der Tote war ein angesehener Mediziner aus Berlin. Doch das hatte ihm offenbar auch nicht geholfen, der Tod war selbst für ihn unausweichlich gewesen.
Es klirrte, als Professor Armbruster den Fremdkörper, den er gerade aus der Brust des Opfers entfernt hatte, von seiner Pinzette in eine Petrischale fallen ließ: die Kugel, die ein Unbekannter abgefeuert hatte. Sie wog genau elf Gramm und hatte mitten ins Herz getroffen. Alles deutete auf einen extrem guten Schützen und auf einen exakten Plan des Täters hin, der wie ein Uhrwerk funktioniert hatte. Ein Rädchen hatte ins andere gegriffen und dem Opfer keine Chance gelassen, seinem Mörder zu entkommen. Der Schütze musste weit weg gestanden haben, sonst hätte das Projektil den Körper durchschlagen und wäre nicht mitten im Herzen stecken geblieben. Jede Hilfe war für ihn zu spät gekommen.
Auf, ab, auf, ab, wie bei einem Kasperltheater tauchte erst der Kopf und dann der sportliche Oberkörper eines Mannes hinter der Empfangstheke der Praxis auf, um gleich darauf wieder zu verschwinden. Kopf und Oberkörper gehörten dem Physiotherapeuten, Personal Trainer und Praxisinhaber Ulrich Böllmann, ebenso das braune Poloshirt mit dem quer über die Brust gezogenen Aufdruck »Physio Trainer«. Obwohl für alle anderen schon Feierabend war, wuselte er immer noch in weißer Arzthose und türkisfarbenen Salomon-Trailrunnern in der Praxis herum.
»Ach, der Sascha. Ja, servus! Ist dir fad, oder was verschafft mir die Ehre?«
Hektisch wie immer, der Herr Physiotherapeut und Personal Trainer. Die Nachmittagssonne tanzte wie ein Kobold auf dem Parkett herum, das einen Schiffsboden aus Eiche imitierte, wahrscheinlich aber doch eher Vinyl war, wegen der Strapazierfähigkeit.
»Servus, Ulli! Hast du heute schon Feierabend?« Das war es zumindest, was Sascha hoffte. Deshalb hatte er auch auf gut Glück in der Praxis vorbeigeschaut. Er wollte Ulli zu einem spontanen Cappuccino oder Bierchen überreden.
Immer öfter passte Saschas Zeitplan nicht zu dem seiner Kumpels. Wenn Sascha im Casino Spätschicht hatte, dann hatte er nachmittags Zeit, wenn die allermeisten seiner Freunde noch in der Arbeit waren. Und wenn sie Feierabend hatten, musste er los. Diese Schichtarbeit passte zwar durchaus zu seinem Biorhythmus und zu seinem Naturell, für sein Social Life war sie dagegen ziemlich verheerend. Ulli könnte sich ja auch mal eine Stunde freinehmen, schließlich war er selbstständig – aber Sascha hatte ihn im Verdacht, dass er seinen Hals einfach nicht vollkriegen konnte. Sein Kumpel jammerte ihm gern vor, was ihn die Praxis und alles, was daran hing, die Ausstattung, die Angestellten, die Steuern, kostete. Dabei lief das Geschäft von Beginn an glänzend, was den Effekt hatte, dass Ulli sich immer noch mehr vorstellen konnte.
Hinter der Empfangstheke war jetzt ein Heavy-Metal-Gitarrenriff zu hören. Das war Ullis Handy.
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