Wilhelm König
Originalgrafiken von sasch juritz
Saga
Neue Heimatlieder Copyright © 1976, 2019 Wilhelm König und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711731369
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
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sprich wörter sprich
wer andern eine grube gräbt
darf noch lange nicht
darin baden er muß
wie alle andern
eintritt zahlen
wer sich so
auf die tage verläßt, die
noch gar nicht im kalender stehn
der wird auch auf die versprechen bauen
zwischen die das seil gespannt ist
wer dich so sieht
auf dem seil zwischen den
stummen flügeln der nacht
der denkt: du
bist es gewohnt
aber erinnere dich:
wenn du fällst, fällst du
jenseits der gewohnheiten
wie ein tag beginnt –
nicht anders als er endet
nur noch weniger betroffen
von den ereignissen, die auf
dieses datum hinauslaufen
wie ein tag beginnt –
stein um stein. tankstelle geöffnet
seitenstraße nach seitenstraße. frühschicht
und spätschicht. im winter ist
in den warteräumen geheizt
die ampeln sind ganzjährig in betrieb
wie ein tag beginnt –
ein milchgeschäft öffnet
die rolläden werden hochgezogen
ich könnte immer noch zweifeln
aber die dinge kommen auf mich zu
nicht weniger als mein zweifel
ist meine zustimmung von langer
hand vorbereitet –
wie ein tag beginnt
den ich nicht fürchte und dem
ich nichts geben kann. der nur
für sich und für nichts anderes steht –
er kommt zurück auf die alten plätze
rauch verstellt mir den blick
der nebel zieht erneut in die täler
meine stimme ist heiser und fast taub das ohr –
aber ich will hören, was ich sehe:
dieser tag beginnt!
mit der Wirklichkeit
steht es in Wirklichkeit
nicht schlecht
es kommt auf den abend an
wie der nächste tag aussehen wird
aber da hat man auch schon
seine erfahrungen gemacht
die befürchtungen
erweisen sich häufig als unbegründet
zum gelingen eines tags tragen
alle tage bei und ein abend
kommt selten allein
bis zum mittag sieht man dann weiter:
wandert das auge mit dem lichtkegel
über das abgesteckte feld
schon in dieser bewegung
haben viele ihr tagwerk vollbracht –
abends kommen sie gern zu ruh
zufrühgeborene – zuspätgekommene
auch übermorgen von niemand erwartet
und gestern schon von allen verjagt
leute von heute: leute aus diesen leuten
die am längeren hebel sitzen
aber nicht rechtzeitig wegkommen
wenn das pendel einmal nach
ihrer seite ausschlägt
es ist noch
sand in der sanduhr
es ist noch wind
in der steppe. es ist
noch wein im glas
doch die dürstenden
dinge dürfen dauern:
nur das tote ist satt
es ist noch
stein im berg
es ist noch wasser
im fluß. es ist
noch welt im all
doch die dürstenden
dinge dürfen dauern:
nur das tote ist satt
es ist noch
ein wort in meinem mund
es ist noch grün
im laub. es ist
noch nicht begraben das grab
doch die dürstenden dinge
dürfen dauern:
nur das tote ist satt
es ist noch
alles in einem
es ist noch eines
in allem. es ist
noch zeit im schnee
doch die dürstenden
dinge dürfen dauern:
nur das tote ist satt
dieser schatten
gedächtnis
viel land:
verbesserungen
striche –
vieles ruht.
gestern eine musik
eine andere, sagst du
als die von heut
seitenlange entwürfe
einen wald
voller bruchstücke
ist noch ungezeichnetes
oder neuer wald
genug gewachsen?
gestern sah ein knab
ein röslein stehen. gestern
konnte er es sehen –
gestern lebte er noch!
mutiges gefühl
gehen wir!
im schatten dieses eisbergs
läßt sich schlecht wohnen
aber unter sandhügeln
werden wir nach wasser rufen
... mittags kam der zweifel zu gast (günter eich)
MITTAGS kam er
(bartstoppeln –
abgetragener rock):
„komm von weit
seit tagen ohne schlaf
nichts im magen”
wie fand er nur den weg
aus der schinkenhöhle
durch den brezelwald?
fragt ihn:
was macht ihn fett?
warum geht er noch aufrecht?
uns ist schwach
wir sind eingekreist
milch und honig
sind uns eine plag
wohin kann er immer gehen?
wir bleiben hier und sind hier
schon lange angekommen
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