„Du meinst wohl eher, einer seiner One-Night-Stands. Seine einzige Beziehung liegt schon eine Ewigkeit zurück.“
„Das ist mir egal. Er hat mit so vielen Frauen was gehabt, da wird sich doch bestimmt eine finden, die ihn heiraten möchte“, zische ich ihn an. Das Blut beginnt, in mir zu kochen. Wie kann er es wagen, auch nur meinen Namen vor diesem reichen Schnösel zu erwähnen. Damit ist er eindeutig einen Schritt zu weit gegangen. Ich meine, ich mag seine liebste Cousine sein, aber mich für einen Mann zu opfern, der sowieso keine Gefühle – geschweige denn Liebe – in sich hat und nur darauf aus ist, sich zu vergnügen, dafür bin ich mir zu schade.
Es gibt mit Sicherheit Dutzende, ach was sage ich, Tausende von Frauen dort draußen, die liebend gern diese Rolle übernehmen würden. Soll er sich doch irgendeine herauspicken und mit ihr einen Deal aushandeln. Wenn er ein hübsches Sümmchen springen lässt, werden sich ihm die Frauen vor die Füße werfen. Aber ganz bestimmt nicht ich.
Mit schwerer Atmung und zusammengebissenen Zähnen erhebe ich mich. Meine Augen sind auf Luke gerichtet. Ich schnappe mir meine Tasche und schiebe meinen Stuhl zurück. „Sucht euch eine andere“, knurre ich, mache auf dem Absatz kehrt und gehe zum Ausgang. Ich brauche ganz dringend frische Luft.
Sobald ich draußen ankomme, bleibe ich kurz stehen und atme die frische abendliche Frühlingsluft ein. Ich versuche, mich zu beruhigen, obwohl ich genau weiß, dass das nichts bringen wird. Ich bin immer noch auf hundertachtzig. Dass ich mich mit Christopher Palmer einlassen soll, ist das Letzte.
Natürlich gebe ich zu, dass ich immer ein merkwürdiges Gefühl im Bauch habe, wenn ich sein Gesicht auf den Zeitschriften sehe, aber allein der Gedanke daran, wie er sein Leben führt und mit Frauen umgeht, sorgt dafür, dass sich dieses Gefühl in Abscheu verwandelt.
Ich werfe einen schnellen Blick über meine Schulter, nur um mich zu vergewissern, dass Luke mir nicht folgt und schaue dann wieder nach vorne. Plötzlich höre ich Schritte hinter mir, die dafür sorgen, dass ich in mich zusammensinke und ein lautes Brummen von mir gebe.
„Lay?“
„Luke, vergiss es.“ Mein Wagen steht ein paar Meter von mir entfernt, also marschiere ich direkt darauf zu. „Ich sagte doch, sucht euch eine andere.“
„Eine andere würde das aber nicht hinkriegen. Du siehst toll aus, hast einen klasse Job und außerdem …“, ich höre, wie er stehen bleibt, „… außerdem kannst du das Geld gut gebrauchen, das er dir anbieten kann.“
Ich bleibe vor meinem Wagen stehen und wirbele herum, um ihn anzusehen. Mein Blick gleitet über seinen Körper und bleibt dann auf dem Asphalt hängen. Ja, das Geld kann ich gut gebrauchen, denn dann kann ich meiner Mutter ein besseres Leben bieten. Sie war dreiundvierzig, als der Arzt Multiple Sklerose bei ihr feststellte. Im Krankenhaus wurde sie, im wahrsten Sinne des Wortes, auf den Kopf gestellt, bis die Ärzte die endgültige Diagnose stellen konnten. Sie meinten, diese Erkrankung trete für gewöhnlich im jüngeren Alter auf und meine Mutter gehöre zu den sehr seltenen Fällen.
Zu Beginn hat sie es mir verheimlicht, damit ich mir keine Sorgen machte, denn ich war gerade ein Jahr auf dem College. Aber als ich es schließlich erfuhr, nahm ich mir vor, mein Studium zu schmeißen und mir einen Job zu suchen, um die Behandlungskosten zu decken. Mein Vater wusste es natürlich vor mir, schickte sie zu einem Freund, der ein Spezialist war, und übernahm die anfänglichen Kosten. Das war mir eine große Hilfe, denn so konnte ich mein Studium beenden.
Da ihre Krankenversicherung nicht alle Ausgaben übernahm, fraßen der erste lange Krankenhausaufenthalt, die radiologische Untersuchung und die Medikamente eine Menge ihres Ersparten. Zum Glück übernahm mein Vater auch meine Studiengebühren, da meine Mutter zu Beginn sehr oft Schübe bekam, krankgeschrieben werden musste und nicht ihr volles Gehalt bekam.
Mittlerweile fällt ihr das Laufen schwer und sie sitzt sehr oft im Rollstuhl. Vor zwei Jahren kam noch eine leichte Demenz hinzu, die sich im Laufe der Zeit verschlechterte. Sie hat von ihrem Neurologen ein Pflaster bekommen, welches die Symptome etwas lindern kann und das Fortschreiten verlangsamen soll.
Mein Vater besteht darauf, uns weiterhin zu unterstützen, obwohl meine Eltern schon seit Jahren getrennt sind. Wir haben uns darauf geeinigt, dass er nur noch einen Teil der Kosten trägt, da ich mittlerweile berufstätig bin und selbst Geld verdiene. Er meinte, ich müsse nicht mein ganzes Geld opfern, da ich noch jung sei und trotz allem mein Leben genießen solle.
Zurzeit lebt meine Mutter mit meiner Tante in einem Apartment im ersten Stock. Es ist sehr schwierig, sie die Treppe herunterzubringen, daher bleibt sie die meiste Zeit in der Wohnung. Nach dem Tod meines Onkels hat Tante Emily meine Mutter zu sich genommen, damit sie nicht allein ist und jemand bei ihr ist, wenn sie Hilfe benötigt. Sollte ich mich auf das Angebot von Chris einlassen, dann könnte ich ein kleines Haus mit Garten kaufen, wo sie öfter an der frischen Luft sitzen könnte. Außerdem wären für die nächsten Jahre ihre Arztkosten und die Kosten für ihre Medikamente gedeckt, ohne dass mein Gehalt oder Erspartes dafür draufgeht. Wenn ich es wirklich tue, dann nur für meine Mutter.
Luke kommt einen Schritt näher und bleibt direkt vor mir stehen. Er legt die Hand auf meine Schulter, und ich hebe den Kopf, um seinem Blick zu begegnen. Er will uns helfen und hätte die Geschichte nicht angeleiert, wenn er nicht davon überzeugt wäre, dass sie ein gutes Ende nehmen würde.
„Ich bitte dich. Denk in Ruhe darüber nach und melde dich dann bei mir.“ Er möchte unter allen Umständen seinem Freund zur Seite stehen.
Ich denke, dass diese Sache nicht gut ausgehen wird. Das spüre ich.
„Wenn du es machst, dann arrangiere ich ein Treffen und ihr könnt erst mal miteinander plaudern. Du wirst nur für die Presse und seine Eltern sein Aushängeschild sein, mehr nicht. Du begleitest ihn zu offiziellen Anlässen und ihr präsentiert damit der Presse eine glückliche Verbindung.“
„Ich soll ihm helfen, sein Image aufzupeppen?“
„Genau. Nur das. Ihr könnt auch eine vertragliche Laufzeit für die Ehe festlegen. Vielleicht zwei Jahre oder so.“
„Zwei Jahre?“ Meine Tonlage steigt um einige Nuancen an und ich schnaufe. „Hast du komplett den Verstand verloren? Ich soll zwei Jahre mit diesem arroganten Kerl unter einem Dach leben? Nichts da! Sechs Monate reichen vollkommen, und die sind schon zu viel, um mit einem sexbesessenen Arsch zusammenzuleben.“ Ich spüre, wie die Wut in mir hochkommt und mein Blutdruck steigt.
„Hey.“ Er wirbelt mich herum und schiebt mich zur Tür meines Wagens. „Fahr jetzt nach Hause, trink ein Glas Wein, entspann dich und lass dir das alles durch den Kopf gehen, okay? Du kannst dir gerne ein paar Tage Zeit lassen. Ich denke nicht, dass Chris noch in dieser Woche heiraten möchte.“
Ein Glas Wein wird nichts bringen. Nach dieser Unterhaltung brauche ich eine ganze Flasche. „Ich hasse dich.“ Schmollend drehe ich mich noch mal zu ihm um. „Gute Nacht.“
„Ja, ich habe dich auch lieb. Fahr vorsichtig.“ Er gibt mir einen sanften Kuss auf die Stirn, öffnet meine Wagentür und wartet, bis ich den Motor gestartet habe.
Zu Hause nehme ich mir eine Flasche Tempranillo, schenke mir ein Glas ein und rufe meine Freundin Patricia an.
„Hey, Süße!“, meldet sie sich hechelnd.
„Hey! Habe ich dich bei irgendwas unterbrochen?“
„Bin auf dem Laufband. Was gibt’s?“
Ich seufze laut auf, lehne mich auf der Couch zurück und erzähle ihr, was Luke von mir wollte.
„Whoa! Du wirst es doch nicht tun, oder? Gemäß 8 USC § 1325c, könnte das einer Green Card Ehe gleichgestellt werden und gilt damit als Betrug. Du kennst die Gesetze.“
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