Bei mir ist es nicht anders. Nach meiner Schwärmerei vor dreizehn Jahren und einer gescheiterten Beziehung während meiner Collegezeit hat es kein Mann mehr geschafft, die Schmetterlinge in meinem Bauch fliegen zu lassen, bei mir für weiche Knie zu sorgen oder mein Herz schneller schlagen zu lassen. Es gab zwar Männer, die ich kurz gedatet habe, aber die fand ich nur nett.
Ab und zu erinnere ich mich an meine Teenagerzeit zurück. Ganz speziell an den Tag, an dem ich Christopher zum ersten Mal bei meinem Cousin gesehen habe. Luke gab mir damals Nachhilfe in Physik. Christopher hing ziemlich oft bei ihm rum, auch während mein Cousin mir Nachhilfe gab. Ich musste mich dann sehr anstrengen, um mich zu konzentrieren. In meinem Bauch kribbelte es und ich stotterte, während mein Cousin mein Wissen testete.
Heute finde ich Christopher umso unsympathischer. Jeden zweiten Tag ist er auf den Titelblättern der Klatschpresse zu sehen, weil er mal wieder wilde Partys gefeiert oder ein Sexabenteuer gehabt hat.
„Hey, Kleine.“ Mein Cousin nimmt mich in seine Arme.
„Hey, du unverschämt gutaussehender Kerl.“ Ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange und setze mich. „Dann schieß mal los. Was ist so wichtig, dass wir uns so kurzfristig treffen mussten?“
„Hey, relax, Lay! Bestell dir erst mal einen Drink.“
Oh, ich fühle es! Er will was von mir. Wenn er ein Gespräch so beginnt, dann will er definitiv was von mir. „Luke! Ich kenne dich. Wenn du sagst, ich soll mir einen Drink bestellen, dann wird diese Unterhaltung nicht gut für mich ausgehen.“
„Warum? Nur weil ich dir einen Drink spendieren möchte?“
„Du möchtest mich erst mal mit Alkohol gefügig machen, damit ich deinem Charme nicht widerstehen kann und das tue, was du von mir verlangst!“
Gespielt geschockt legt er sich die Hand auf die Brust, und seine Augen werden größer. Er atmet mit einem gequälten Laut aus, sinkt in sich zusammen und simuliert den zutiefst Verletzten. Der und seine Show!
Ich pruste los, halte mir aber die Hand vor den Mund. Immerhin sitzen wir hier in einem feinen Restaurant und so ein Benehmen gehört sich nicht.
„Also los“, ermutige ich ihn, nachdem ich mich beruhigt habe und er wieder seine straffe Haltung eingenommen hat. „Was soll ich für dich tun?“
Luke lässt theatralisch den Kopf zwischen den Schultern hängen, hebt ihn aber schnell wieder. Er hat diesen Dackelblick aufgesetzt, dem ich nicht widerstehen kann. Ich versuche es zwar immer wieder, versage aber jedes Mal.
„Wie kommst du darauf, dass ich dich deswegen sprechen möchte?“
Ich stütze meinen Ellbogen auf den Tisch, lege mein Kinn auf der Hand ab und trommle mit den Fingern auf meiner Wange herum. Er wendet seinen Blick von mir ab und rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Ich wusste es! Der Kerl ist für mich wie ein offenes Buch. Wenn er gedacht hat, dass ich diesmal auf seine unschuldige Tour reinfalle, hat er sich geirrt. Ich kenne ihn viel zu gut. Mir kann er nichts vormachen.
„Es geht um meinen Freund Chris.“ Für einen Moment hält er inne und beobachtet meine Reaktion.
Der Name sorgt dafür, dass sich ein oder zwei Schmetterlinge in meinem Bauch bemerkbar machen und ich blinzeln muss. Jedoch versuche ich, dem keine Beachtung zu schenken.
Da ich weiterhin still dasitze, fährt Luke fort: „Er hat von seinem Vater ein Ultimatum gestellt bekommen und steckt jetzt in Schwierigkeiten.“
„Simon Palmer hat seinem Sohn ein Ultimatum gestellt?“ Jetzt wird es interessant. Ich frage mich, was für eines. Soll er mit seinem wilden Lebensstil aufhören? „Was für ein Ultimatum?“
„Er soll heiraten.“
Erneut pruste ich los. Er soll heiraten! Luke schaut sich um und tätschelt meinen Arm, um mich zum Aufhören zu bewegen. Der bekannteste Playboy der Südstaaten soll sich eine Frau suchen, damit er häuslich wird? Ich muss unbedingt meine Freundin Patricia anrufen und ihr davon berichten. Sie wird sich bestimmt vor Lachen auf den Boden werfen, denn fast täglich sehen wir sein Gesicht in den Klatschblättern Houstons. Christopher Palmers wilde Partys, Christopher Palmers neue Eroberung und lauter solche Schlagzeilen. Erst heute Morgen habe ich ihn wieder auf der Titelseite eines Magazins gesehen. Christopher Palmers Liebespartys. Mann, was bin ich froh, dass das damals nur eine kindliche Verliebtheit von mir gewesen ist.
Früher war er der Typ, der den Mädchen in der Schule den Schlaf raubte. Er war der Kapitän der Basketballmannschaft im Senior Year. Ich hatte mich sogar bei den Cheerleadern der Mannschaft beworben, nur um in seiner Nähe sein zu können. Die hatten mich aber abgelehnt. Sie sagten, ich sei nicht schlank genug und generell würde ich vom Äußeren nicht in deren perfekte Gruppe passen.
Ich hatte sein Bild aus dem Jahrbuch ausgeschnitten und es mir unters Kissen gelegt, damit ich von ihm träume. Dieses Anhimmeln hielt aber nicht lange an. Ich wurde fünfzehn und hatte Freunde, mit denen ich abhing, und schließlich auch meinen ersten „Freund“. Meinen Keanu Reeves. Natürlich nicht DER Keanu, aber er hat fast genauso ausgesehen. Allan Baxter hieß er. Seine Mutter kam von den Philippinen und sein Vater aus Iowa. Er war mein bester Freund und hat mich sehr oft verteidigt, da ich wegen meines Aussehens gemobbt wurde. Brille, Zahnspange, pummelig, ja, ich war wirklich eine Augenweide. Die Streberin des Jahrgangs. Womöglich der ganzen Schule. Allan und ich haben uns als Paar präsentiert. Er bat mich, zum Schein seine feste Freundin zu werden, damit seine Eltern und Mitschüler nicht merkten, dass er schwul war.
Später ging er auf die UCLA und ich auf die University of Pennsylvania. Ich wurde Anwältin und er ein bekannter Footballspieler. Jeder hat sein eigenes Leben, aber wir sind immer noch eng miteinander verbunden. Wir telefonieren sehr oft, und wenn es ihn nach Houston verschlägt, dann gehen wir auch mal zusammen essen. Er hat mittlerweile eine feste Beziehung mit einem Universitätsprofessor, aber da er sich wegen des Sports nicht outen möchte, hat er mal die eine oder andere Schönheit an seiner Seite.
Aber zurück zu dem Thema, das mein Cousin jetzt angesprochen hat. Christopher Palmer soll heiraten! Die Klatschpresse wird sich bestimmt um die Exklusivrechte für die Hochzeit streiten. Jedenfalls lache ich hinter meiner Hand weiter und werde von einigen bereits angestarrt.
„Ich habe dich vorgeschlagen.“
Sofort verstummt mein Lachen. Ich reiße den Kopf hoch, um ihm in die Augen zu sehen. Bestimmt habe ich mich gerade verhört. Er zuckt entschuldigend mit den Schultern und seine Lippen verziehen sich zu einem schiefen Grinsen. Hoffentlich will er mich nur auf den Arm nehmen.
Ich spüre, wie mir jegliche Farbe aus dem Gesicht weicht. Die zwei, drei Schmetterlinge, die sich in meinem Bauch bemerkbar gemacht haben, scheinen ihren Tanz fortzusetzen, nur verursachen sie mir nun ein komisches Gefühl im Magen.
Langsam beginnt Luke, zu nicken.
„WAS?“ Und sobald dieses kleine Wort meinen Mund verlässt, wirbele ich herum, da ich mich erinnere, wo ich bin. Jeder Gast hält in seiner Bewegung inne und starrt mich an. Mein Gesicht fühlt sich auf einmal ganz heiß an. „Was?“, flüstere ich, nachdem ich Luke wieder ansehe.
„Sorry! Du warst die Erste, die mir eingefallen ist.“
Das kann nicht sein Ernst sein. Er kennt mit Sicherheit eine Menge Frauen, die das mit Vergnügen machen würden, aber er muss natürlich mich vorschlagen. „Dann blättere mal in deinem Telefonbuch. Sicher findest du die eine oder andere, die besser zu diesem arroganten Schnösel passt!“
„Lay …“
Ich kneife die Augen zusammen, hebe einen Finger und er verstummt augenblicklich. „Bist du von allen guten Geistern verlassen, Luke? Was soll das? Kann er nicht eine seiner Freundinnen nehmen?“
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