1 ...8 9 10 12 13 14 ...58 Und als ich mit inbrünstigem Verlangen
Es ganz genießen wollt’ in süßer Stille,
Da weckte mich des Schicksals eh’rner Wille,
Und ach! der Zauber war im Nu vergangen.
Vergebens sucht’ ich nun im bunten Leben,
Was Phantasie genommen, wie gegeben,
Da, junger Sänger, fand ich deine Lieder.
Und jenes Traumbild, das so froh mich machte,
Erkannt’ ich bald in deinen Skizzen wieder,
Viel schöner noch, als ich mir selbst es dachte.
H. Anselmi.“
Nur nach Widerstreben wurde ich von seinen ängstlich dringenden Bitten überwältigt, ordnete beides ein in das, den verschiedenen Ansichten zum Tummelplatz angewiesene Beiblatt („1822. Bemerker“, Nr. 9) und erwähnt ist dies Wenden und Beabsichtigen, um das Wesen Heines durch ihn selber deutlicher erkennbar werden zu lassen.
[H. Anselmi ist Pseudonym für Joseph Lehmann, den späteren Herausgeber des „Magazin für die Literatur des Auslandes“. Den Zwist mit v. Schilling erwähnt Heines Brief an Keller vom 15. Juni 1822.]
42. Joseph Lehmann 104. 193
1822
Mir hat Heine, wie ich ihm, die Erinnerungen seiner Berliner Studienzeit, die so manches freundliche Band zwischen uns geknüpft, stets treu bewahrt. War ich es doch, dem er in seiner Kammer in der Mauerstraße seine ersten schönen Lieder mit der ihm eigentümlichen, die Form des Gedichtes gewissermaßen typisch bestimmenden Modulation vortrug; war ich es doch, der diese klassisch gewordenen Lieder, als sie zum erstenmal gedruckt wurden, typographisch korrigierte und auf dessen Bemerkung der Dichter sogar hier und da kleine Änderungen vornahm, und war ich es doch auch, der früher als irgendein Publikum, als irgendein Kritiker, die Schönheiten dieser Lieder erkannt und andern gerühmt hatte.
[Dazu ergänzt Karpeles: Heine... erkannte zwar willig die Vorzüge des Freundes an; er folgte auch seinen kritischen Ratschlägen, wenn sie ihm einleuchtend schienen, vermochte aber doch nie ein Gedicht ganz zu vernichten, wenn dasselbe Lehmann entschieden mißfallen hatte. „Ach, das verstehen Sie nicht, lieber Freund!“ war dann meist seine ärgerliche Antwort, worauf Lehmann ständig bemerkte: „So, wenn Sie meinen!“ und zur Türe hinausschoß.]
43. F. Brunold ( Pseud. für Aug. Ferd: Meyer ) 20
1822
Der weltberühmte Salon der Rahel, der Gattin Varnhagen von Enses in der Maurerstraße... war ein Sammelplatz der vornehmsten Welt des geistreichen Berlin, das Stelldichein der hervorragendsten Männer von fern und nah. – Und während dort Börne zu den Füßen der Frau des Hauses [Herz] saß, drängte hier Heinrich Heine sich schüchtern durch die Zimmer der Rahel... Der damals unbekannte Verfasser der nun im Grunde eigentlich vergessenen und als verfehlt anerkannten Trauerspiele „Almansor“ und „Ratcliff“ soll sich meist schüchtern, schweigsam verhalten haben; und der geistreiche Professor Eduard Gans soll ihn oftmals zur Zielscheibe seines Witzes erkoren haben. Gans hat in Heine, der damals ziemlich linkisch und unbeholfen gewesen sein soll, wenig den nachmaligen Verfasser der „Reisebilder“, den Dichter der „Wallfahrt nach Kevelaer“ geahnt; mit Rahel... ist es nie anders gewesen. Es läßt sich nicht leugnen, daß Heine hier den Grund zu seinem nachmaligen Verhalten im Keim gefunden hat. Ob er daheim in seiner bescheidenen Wohnung, die er dazumal Kanonier- und Behrenstraßenecke Nr. 13 innehatte, redseliger gewesen, als in der Nähe der geistreichen Rahel, ist nicht bekannt. Fama will behaupten, daß er auch hier oft von dem kleinen [G.] A. v. Maltitz überschrien worden sei, der, um besser verstanden zu werden, es nicht verschmäht habe, auf den Tisch zu steigen, von dort ab seine „Pfefferkörner“ auf den sich zusammenziehenden Heine herabsprudelnd, während Grabbe, sich kannibalisch freuend, einen Käse verzehrte, den er leidenschaftlich gern als Zeichen höchster, innerer Freude zu essen pflegte.
[Heine lernte den Juristen Dr. Eduard Gans im Juli 1822 kennen, vgl. seinen Brief an Keller vom 1. Sept. d. J. – Brunold-Meyer, geb. 1811, erzählt nur vom Hörensagen, und Erinnerungen aus den Jahren 1822, 1829 und 1830 laufen ihm bunt durcheinander. Die Gereiztheit zwischen Heine und Gans tritt 1829 hervor; was vom „Pfefferkörner-Maltitz“ gesagt ist, gehört nach Hamburg 1830 und ist offenbar angelesen, vgl. Nr. 2057; Brunold verwechselt ihn mit Apollonius v. Maltitz, der damals als Legationssekretär in Berlin war.]
44. Maria Embden-Heine 74
1822
In Berlin fand er freundliche Aufnahme bei Varnhagen von Ense und seiner Frau Rahel, die sich beide in den jungen Dichter verliebten. Seine satirische Art zu plaudern, seine ironischen Bemerkungen machten ihn zum Mittelpunkte der Gesellschaft, die Varnhagens Haus besuchte, denn hier war der Sammelplatz aller berühmten und geistreichen Leute jener Zeit, Künstler und Schriftsteller fanden sich hier ein, Humboldt, Schleiermacher, Chamisso und Hegel waren hier tägliche Gäste. Mit Hegel hatte er oft heftige Diskussionen, sie blieben jedoch stets Freunde.
Varnhagen und Frau schwärmten für Goethe, doch ihre Verehrung für den großen Dichter verhinderte sie nicht, den jungen Heine in Schutz zu nehmen und auf sein hochstrebendes Talent aufmerksam zu machen.
[Über die „Diskussionen“ mit Hegel vgl. das Gespräch mit Lassalle 1845, Nr. 526. Den „Mittelpunkt der Gesellschaft“ im Salon Varnhagen bildete Heine 1822 noch keineswegs; das ist nur eine stereotype Familientradition.]
1822
[Rahel an Friedrich v. Gentz, 9. Okt. 1830:] Heine wurde uns vor mehreren Jahren zugeführt...; da er fein und absonderlich ist, verstand ich ihn oft, und er mich, wo ihn andere nicht vernahmen, das gewann ihn mir; und er nahm mich als Patronin. Ich lobte ihn wie alle, gern; und ließ ihm nichts durch, sah ich’s vor dem Druck: doch das geschah kaum; und ich tadelte dann scharf.
46. Varnhagen von Ense 103. 102
1822
Die Wirkung, welche sein berühmt gewordenes Wort „Förster sei jetzt Hofdemagoge“ damals machte, als er es zuerst aussprach – 1820 oder 1821 –, kann man sich jetzt kaum noch vorstellen.
[Im Widerspruch damit heißt es in Varnhagens „Blättern aus der preußischen Geschichte“ unterm 20. April 1824:]
Das Witzwort von Heine, der Dr. Förster sei Hofdemagoge geworden, hat solches Glück gemacht, daß man unter den Diplomaten, bei Graf Lottum und selbst bei Hofe viel Scherz und Ernst damit getrieben hat; aber so spät! erst jetzt.
Herbst 1822
Als wir uns 1822 in Berlin trafen, erinnerte ich ihn an die Geseires Hengelpöttche im Vergleich zu der Hep-Hep-Geschichte [zwei Judenverfolgungen in Hamburg, die letztere im Frühjahr 1819 hatte Heine noch miterlebt]. „Auch dergleichen kann nicht wieder Vorkommen,“ meinte er, „denn die Presse ist eine Waffe, und es gibt zwei Juden, welche deutschen Stil haben. Der eine bin ich, der andere Börne.“ Heine hatte also damals schon eine Vorahnung oder vielmehr das Selbstgefühl seiner dereinstigen Bedeutung. Dennoch gab es 1835 wieder eine Judenverfolgung in Hamburg, „den Alsterhallen-Skandal“, welcher jedoch nur in dem halben Stil wie die Hep-Hep-Geschichte ausfiel und bedeutend gelinder war.
Herbst 1822
Gleich am ersten Tage unserer erneuerten Bekanntschaft wurden wir befreundet und vertraut, und Heine lud mich ein, das steife „Sie“ zu lassen und uns „Du“ zu nennen, wie es Vettern zieme. – Schmolliert haben wir nicht, denn ich war krasser Fuchs und Heine durchaus nicht burschikos.
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