„Nee, danke, Herr Krause, sehr nett von Sie“, lehnte Frau Lemke die für sie bestimmte Brezel ab, „det Zeij is mir ’n bißken zu hart, und ick muß mir vorsehen, det ick nich wieda Zahnschmerzen krieje!“
„Det könnt’ uns ja jetz jrade so passen – Zahnschmerzen“, sagte Tante Marie, „da wirden wa ’n scheenet Vajniejen von haben. Denn faste lieba, ick werd’ die Brezel schon ’runtakriejen! Und laß det, polk’ nich mit die Haarnadel mang de Zähne, ooch nich mit die Zunge, sonst werden die Wurzeln uffriehrerisch!“
Herr Krause wollte ein Programm kaufen, aber Tante Marie verhinderte ihn daran: „Is doch nich nötij“, sagte sie zärtlich, „wozu denn? Wir sehen doch allet und hören werden wir hier ooch janz jut. Wenn Se aber ma’ jerne in so’n Zettel ’rinkieken wollen, borjen ihn uns die Leite nebenan von’n Tisch!“
Frau Lemke war derselben Ansicht, glaubte außerdem, daß Herr Krause ihnen durch derartige unnütze Ausgaben nur imponieren wolle. Und um ihm zu beweisen, daß sie sehr wohl wisse, was sich in einem Theater schicke, zog sie sich mit der ganzen Langsamkeit und Umständlichkeit, die sie bei andern beobachtete, ein Paar rotbraune Glacéhandschuhe an. „’n Opanjucka hätten wir uns ooch mitbringen können“, sagte sie, als sie sah, wie andere ihre Gläser einstellten.
„Ja –“, Tante Marie stimmte zu, „villleicht könnte man denn durch die Köppe durchkieken“, denn sie grollte allen Leuten, die da noch vor ihnen saßen.
Und dann vertieften sich beide in das Studium des bunten Vorhangs, suchten das Guckloch darin, von dem sie schon so viel gehört, und waren glücklich, als sie es entdeckten. Zum ersten-, zweiten- und zum drittenmal hatte es geklingelt – da endlich hob sich der Vorhang.
„Et jeht los –“, Tante Marie schob den Rest der Brezel in die Backe und hörte – wie ein Kaninchen – plötzlich mit Kauen auf, auch Frau Lemke saß steif da, und Herr Krause behielt das nonchalante Gebaren eines routinierten Theaterbesuchers bei.
Alle Hoffnungen, die man sich von einem richtigen Theaterstück gemacht hatte, gingen prompt in Erfüllung: Die Tugend wurde zuerst gequält und gemartert, und das scheußlichste Laster triumphierte, man bekam Rüstungen und viele Schleppgewänder und viele vornehme Personen zu sehen, dann wurde die Tugend langsam, aber gründlich weiß gewaschen und der Schuft und Bösewicht bestraft.
Tante Marie, Frau Lemke und das übrige Damenpublikum – alle weinten wie die Schloßhunde, legten sich keinen Zwang auf, und wer sein Taschentuch vergessen hatte, borgte es sich von seiner Nachbarin. Selbst die verhärtetsten männlichen Gemüter operierten verstohlen mit dem Knöchel, und als es unerwartet hell im Saale wurde und Herr Krause seinen Finger nicht so rasch von der Nase wegbekam, behauptete er, daß ihm etwas ins Auge geflogen sei.
In den Zwischenpausen tröstete man sich dann, daß „det allet ja janich wahr sei“, obwohl Herr Krause betonte, „det een historischer Hintajrund hinta sei“. Der Schlußakt wurde geradezu stürmisch. Das Gerechtigkeitsgefühl wollte sich mit aller Macht auslösen, man nahm persönlich an der Rache teil. „Feste, feste“, ertönten die Zurufe aus dem Publikum, um die Schauspieler zu ermuntern, als die Tugendhaften von ihnen dem Schurken auf den Leib rückten. Und man bedauerte nur, daß jener nicht bei lebendigem Leibe geröstet wurde.
„Na, et war sehr scheen“, sagte Frau Lemke mit tiefer Befriedigung, als der Vorhang endgültig gefallen war, „det Stick muß sich Willem ooch ansehen, det is det Jeld wert. Schade man bloß, det ick mir bei det viele Klatschen meene scheenen Handschuhe so rujeniert habe!“
„Wir können ihm ja ooch den janzen Inhalt azehlen“, sagte Tante Marie, „ick weeß allet janz jenau!“
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