Die Helden der Gosse
Carmen Capiti
Buch 24 der Katzenreihe
Für Maitscho
©Carmen Capiti 2020
Machandel Verlag Haselünne
Charlotte Erpenbeck
Cover-Design mit Bildmaterial
von kasyanovart (Cover), shutterstock.com
Illustrationen depositphotos.com
1. Auflage 2020
ISBN 978-3-95959-266-6
„Sind die Vorbereitungen abgeschlossen?“
Selina überprüfte die letzten Konfigurationen, dann nickte sie. „Alles bereit, Frau Doktor.“
„Gut. Gehen Sie alles noch einmal durch“, sagte Doktor Ziegler, während sie auf ihrem Tablett Eintragungen zu den Testsubjekten machte.
Selina unterdrückte ein Seufzen und widmete sich unter leicht aufrührerischen Gedanken wieder den Einstellungen. Zum vierten Mal. Mochte sein, dass ihr das eine Mal vor einem halben Jahr ein Fehler passiert war. Mochte sein, dass dieser das Labor einiges an Geld gekostet hatte. Aber das hieß nicht, dass sie nur Stroh im Kopf hatte und selbst nichts aus dem Vorfall gelernt hätte.
Aber wenn Frau Doktor meinte, sie müsse die Konfiguration noch einmal prüfen, dann prüfte sie die verdammte Konfiguration eben noch einmal.
Eine halbe Stunde später und absolut sicher, dass alles stimmte, wandte sie sich wieder um.
„Alles in Ordnung, Doktor Ziegler.“
Diese legte ihr Tablett zur Seite. „Sehr gut. Die Testsubjekte sind ebenfalls bereit. Helfen Sie mir.“
Doktor Ziegler fasste in einen der Käfige und holte eine Ratte heraus. Deren Schnauze zuckte nervös, aber sie war bereits so weit sediert, dass sie sich nicht stark wehrte. Selina trat an den zweiten Käfig heran und blickte auf das struppige, beige-braune Bündel, das darin lag. Auch der Kater war betäubt worden, dennoch hob er halb-herzig eine Tatze und versuchte, Selina einen Hieb zu verpassen, als sie ihn herausholte. Dabei maunzte er schwach, was Selina einen Stich versetzte. Es gab zwar weitaus schlimmere Experimente, bei denen die Testtiere landen konnten, aber das hieß nicht, dass sie freiwillig hier waren oder dass die Experimente gar ihrem Wohlergehen dienten.
Selina verscheuchte den Gedanken und trug den Kater zu der Apparatur hinüber, die in der Mitte des Raumes stand und aussah wie eine große Kugel mit mehreren abgehenden Armen. Doktor Ziegler hatte die Ratte bereits in einen kleineren Käfig am Ende eines solchen Arms gesperrt, wo sie ihr eine kleine Kappe mit Sensoren auf dem Schädel fixierte. Selina legte den Kater sanft auf eine Plattform auf der gegenüberliegenden Seite der Maschine und zurrte die Lederriemen um seinen Körper, ohne diese allzu straff zu ziehen. Dann legte sie auch ihrem Tier eine Sensorkappe an.
Als sie fertig war, strich sie dem Kater noch einmal übers Fell und trat von der Maschine zurück.
„Fertig?“, fragte Doktor Ziegler und Selina nickte. „Gut, dann treten Sie zurück.“
Selina verdrehte die Augen, als ihre Chefin nicht hinsah, und machte nochmals einen Schritt zurück.
Bevor Doktor Ziegler den Knopf am Kontrollpult betätigte, blieb ihre Hand einen Moment darüber schweben und sie holte tief Luft, als bereite sie sich auf einen Sprung ins Wasser vor. Die Anspannung schlug sofort auf Selina über, ihre Nackenhaare stellten sich auf und ihre Hände wurden feucht. Sie starrte auf Doktor Zieglers schwebende Hand, bis die sie endlich in einer erlösenden Geste auf den Knopf fallen ließ.
Ein Countdown in Form von Pieptönen erklang, während dem Doktor Ziegler an einen Hebel an der Maschine trat. Leise zählte Selina mit. Als sich der Countdown seinem Ende näherte, fing Doktor Ziegler noch einmal ihren Blick ein. Ein seltenes, leises Lächeln umspielte ihre strengen Lippen und sie nickte Selina überzeugt zu. Dann betätigte sie den Hebel.
Die Kugel gab ein waberndes Geräusch von sich und ein bläuliches Glühen umgab auf einmal ihre Oberfläche. Selinas Herz klopfte unendlich schnell vor Anspannung. Sie hatten diesen Test schon diverse Male durchgeführt, aber heute zum ersten Mal mit Säugetieren. Wenn es klappen würde … es war gar nicht auszudenken!
Selina starrte mit aufgerissenen Augen auf die Kugel, als ein Geräusch sie zusammenfahren ließ. Ein unmenschliches Krei-schen. Ein Fauchen.
Selinas Blick fiel auf den festgebundenen Kater, der auf einmal aus seiner Betäubung zu erwachen schien und sich wie verrückt in seinen Fesseln wand.
Oh Gott!, dachte Selina, als die Riemen sich lockerten und das Tier zu entfliehen drohte.
Sie hörte Ziegler schreien, verstand die genauen Worte jedoch nicht. Im Bruchteil einer Sekunde fällte Selina eine Entscheidung. Mit einem Sprung stand sie neben der Plattform, wo sich der Kater wie unter Schmerzen wand.
„Nicht!“, hörte sie ihre Chefin deutlicher.
Doch es war zu spät. Selinas Hände lagen bereits auf dem Körper des Tiers und sie versuchte sich an den Schnallen zu schaffen zu machen, was gar nicht so einfach war. Das blaue Leuchten der Kugel verfärbte sich rot und das Wabern wurde zu einem Heulen. Etwas kreischte durch den Lärm hindurch und Selina war sich nicht sicher, ob es der Kater war oder Ziegler. Dann wurde sie auf einmal von einer großen Kraft erfasst und fort geschleudert. Sie spürte, wie sie hart gegen etwas prallte, dann wurde alles um sie herum schwarz.
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