Jannis Linkelmann | Heidi Marinowa | Dr. Martin Thein (Hrsg.)
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Covergestaltung: www.vogelsangdesign.de
Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt, Göttingen
ISBN 978-3-89533-896-0
Inhalt
Vorwort
Christian Frommert
Wer braucht schon Europapokal?
Hardy Grüne
Ein Schalker verabschiedet sich
Susanne Breuer
Unsere Stadt – Unser Verein – Unsere Leidenschaft
Jürgen Pflanzer
Moment: Wieso Rückspiel?
Christian Kremp
Ganz großer Ärger in Kartoffelkäferfarben
Elke Wittich
Als Auge den HSV besiegte
Marc Hindelang
Vergebene Liebesmühen
Lou Richter
Ein Freund für alle Ewigkeit
Daniela Janner
Vom ersten Stadionbesuch zum Weltmeister
Horst Eckel
Kurzurlaub mit Muttern
Gisela Schenke
Wie ich ein Roter wurde
Robert Weßling
Wie ich zum Kerl wurde – Unsere Abwehrschlacht gegen Ewald Lienen
Daniel Czernov
JURI
Juri und Melanie Bevermann
Der westfälische Borusse
Peter Ahrens
Onkel Heinz
Uwe Hennig
Bökelberg – Wir kommen!
Stephan Klein
Die Hand des August Gottschalk
Dr. Alfred Gawenda
Tour de FCN
Didi Tropschug
Bayern-Fan um Sackhaaresbreite
Aljoscha Pause
Grün-weiß VfL, deine Farben leuchten hell
Björn Leifer
Wie ich ein Ultra wurde
Jonas Schuberth
Einfach Irre!
Sabine Masbruch
Auf Vaters Füßen
Thomas Wark
Rheinstadion
Marc Götzinger
Fußballdosenfisch und ein düpierter DFB
Peter Czoch
Seinen Verein sucht man sich nicht aus!
Marcel Meinert
Zu Gast im falschen Block
Volker Herold
Es kam zusammen, was zusammen gehört
Michael Sponsel
Opas Stolz
Sarah Brunner
Wenn’s ein Mädchen wird, heißt sie Harald!
Torsten Knippertz
VfB bei Flutlicht
Wolfgang Stierle
Die erste Reportage
Rolf Fuhrmann
Wässerige Kinderaugen
Marcel Nürnberg
Spontanität zahlt sich aus
Ina Peters
Zwischen Sportplatz und Wohnzimmer – Etappen einer Fußballleidenschaft
Claudia Roth
Millionäre bei der Arbeit
Michael Berger
Ruhe in Frieden
Janine Teßmer
Der Junge aus der Südstadt
Michael Trippel
Tschüss Rudi
Lars Wöhrmann
Mein erster Stadionbesuch
Henry Wimmer (»Der Kölsche Poet«)
Bekenntnisse eines jungen Fortunen
Holger Pfandt
Endlich zu Hause angekommen
Sara Schumann
Eugen war es
Bruno Brückner
Über den Tod hinaus
Christina Pusch
Ein Balljunge für die Wölfe
Dirk Froberg
Her mit den Trikots!
Lisa Rüdner
Die Sorgen eines Vaters
Dr. Sven Peyer
Oma Ingeburg
Christian Cernak
Wechselspiel
Derk Hoberg
Im Bann des roten Löwen
Dana Gerstenberg
Der KSC und ich, ich und Blau-Weiß!
Joachim Mai
Während »Laurel & Hardy« entführt
Andreas Bach
Nur zu Hause
Dominik Kaiser
Danke, Wolfgang!
Jason Harder
Lebenslang Grün-weiß
Oliver Bekaan
Eine andere Welt
Bernd Riepen
Im falschen Gewand
Julius Wiechmann
Der Pokal
Sven »Schwan« von Domaros
Endlich in Müngersdorf
Andreas Krieger
Auf Opa ist Verlass
Andreas Wittner
Als Netzer zweimal traf
Peter Clifford Moschinski
Die Herausgeber
Vorwort
Natürlich kennen Sie mein Stadion. Sie müssen es kennen. Für mich war es die Welt. Es war das bekannteste Stadion der Erde, ach was: Es war das berühmteste Stadion im Universum. Mindestens.
Meine Welt lag direkt an der großen Durchgangsstraße, im Industriegebiet, am Park, mitten in unserem Wohnviertel. Es war sicher verstaut zwischen Schwimmbad und diesen roten Ascheplätzen, wo man aufschlug, um Tennis zu spielen. Zwischen den schmucklosen Schnäppchenparadiesen, die Ausgangspunkt manch Einkaufsmarathons waren und der Leichtathletik-Anlage, wo viele große Sprünge in den Sand gesetzt wurden.
Und soll ich Ihnen etwas sagen? Ich war verdammt stolz auf diesen schönsten Platz der Erde. Wann immer ich daran vorbei kam, pochte das Herz. Ich passierte es täglich. Im Zug, per Auto, mit dem Rad, zu Fuß. Je nachdem von wo man kam, war es der Stadt Anfang oder deren Ende. Es war mein Morgen und mein Abend, mein Start und mein Ziel, mein Herz und meine Seele, mein Ein und mein Alles. Mein erster Kuss. Mein Stadion.
Es war ein magischer Ort. Einer, der mich auf dem Rasen stehen ließ, bestaunt von den vielen Menschen drumherum. Ich sah mich Pässe schlagen, Gegner ausspielen, Tore schießen, in Armen liegen, Meisterschaften feiern, Pokale stemmen. Es war ein Traum. Mein Stadion. Manchmal war es auch ein Albtraum.
Dieser Ort hat hatte alles, was er brauchte, kein bisschen mehr. Er hatte Mystik und Geschichte, er hatte Freude und Verzweiflung, er hatte aufgeplatzte Bratwurst für einsfuffzig. Und viel Senf dazu. Er hatte Mett-, Fisch-, Wurstbrötchen, manchmal Pommes und immer schlecht gezapftes Bier in durchsichtigen Plastikbechern. Er hatte keine Loge, keine VIP-Area, keine Ordner in gelben Jacken. Geparkt wurde, wo Platz war. Nichts war kompliziert inmitten lauter einfacher Menschen, deren Herzen ballrund zu sein schienen. Eigentlich hatte er nichts. Gar nichts. Außer diesem Spiel. Diesem alle und alles bezaubernden Spiel.
Der Weg führte an die Holzbude, vor der die Schlange klein und die Chance groß war, dass die Kassiererin ein Auge zudrückte und mir die Eintrittskarte, nur unwesentlich größer als eine Briefmarke aber mit dem gleichen gezackten Rand, kosten- sowie wortlos unter die Hand schob. »Stehplatz« stand drauf und schon war man drin in meiner Kathedrale. Der Heimat meines Fußballgottes, den ich in meinem Nachtgebet so oft anrief. Ich hatte für ihn immer einen Platz freigehalten, gleich neben mir auf der nur noch spärlich mit Gras bewachsenen Beton-Treppe. Hier. In meinem Stadion.
Am Eingang, zwischen Pissoir und Pforte, stieg einem schon dieser Duft in die Nase, diese Mischung, die es nur hier gab: ein kräftiger Ton aus Urinstein, Fett, Zwiebel, Fisch, Bier, Nikotin und dieser zarten Brise frisch gemähten Rasens. Die aus Richtung Blechrinne ans Ohr dringenden Männergespräche waren voller politischer Unkorrektheiten, es gab noch Schlachten zu denen unter Absingen schmutziger Lieder gebummelt wurde und es gab keine Damentoiletten weit und breit.
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