Peace.
Hillevi.
E-Mail von Annie an Hillevi, 18. März, 16:39
Hillevi, zum teufel! Wach endlich auf!
Wie leichtgläubig kann frau denn überhaupt sein? Hat dein trauliches Heim-und-Herd-Dasein dich schon in die zweite Kindheit übergehen lassen? John sagt, John findet ... Göttin! Krieg das nun endlich in die Birne, ehe deine beginnende Hirnatrophie das finale Stadium erreicht:
1 Laß dich sterilisieren. John will dir pausenlos einen dicken Bauch machen, damit du sitzen bleibst, wo du jetzt sitzt, und dich nicht einmal um Topflappenlänge vom Herd entfernen kannst.
2 Näh dir den Mund zu, wenn du auf andere Weise dein Übergewicht nicht loswerden kannst. John will dich fett und häßlich haben, aus demselben Grund, aus dem du dauernd schwanger sein sollst.
3 Stopf dir Oropax in die Ohren, damit du dir sein Gefasel nicht anhören mußt. Wenn er nett zu dir ist, dann, weil er sein schlechtes Gewissen beruhigen will, vielleicht, weil er erst kürzlich hinter einem magersüchtigen Astloch hergesabbert hat.
Ich gebe bald alle Hoffnung für dich auf, Hillevi.
Reiß dich zusammen!
Annie (dünn wie ein Zweig und weiterhin fähig, die Pfoten zu bewegen, weg von männlichen Mißgeburten).
Telefongespräch zwischen Hillevi und Annie, 22. März, 16:22
»Annie! Es ist alles so schrecklich!« (Schniefen)
»Aber Himmel, was ist denn passiert?«
»Am Freitag haben wir uns gestritten. John kam reichlich zugedröhnt von der Arbeit. Er hatte auf dem ganzen Weg gesoffen und trotzdem noch beim Einkaufszentrum angehalten und noch mehr Alk gekauft und den ganzen Wagen mit Chips und Limo und Plätzchen und Scheiß gefüllt, um sein schwarzes Gewissen aufzuhellen. Er hatte auch zwei Videos ausgeliehen, und vor allem die haben mich hochgehen lassen. Wir haben schon drei längst überfällige Videos herumliegen, die er immer zurückzubringen vergißt. Ich bin vor Wut einfach komplett ausgerastet. Er habe mit seinen Arbeitskollegen gefeiert, hat er gesagt. Diese verdammte Internetfirma habe die Konkurrenz abgehängt, und da sei es ja wohl kein Wunder, meinte er, daß sie drauf mal richtig angestoßen hätten. Er war so blau, daß er torkelte und nicht mehr klar gucken konnte.«
»Das alte Lied also...«
»Nein, denn diesmal ist er einfach wieder abgehauen. Er schnappte sich die überfälligen Videos und knurrte in der Diele herum, weil er nicht mal zu einer fröhlichen Familie nach Hause kommen kann, nachdem er sich den Arsch abgeschuftet hat, um uns glücklich zu machen. Er riß eine Sektflasche so heftig auf, daß es sprudelte wie aus einem Feuerlöscher, und die Kinder wurden naß. Er trank aus der Flasche und stellte sie so hin, daß noch mehr Sekt heraussprudelte, und ich sagte, er solle sich zum Teufel scheren, und es sei doch besser für uns alle, wenn wir ihn nicht sehen müßten, denn nur seine Abwesenheit könne uns glücklich machen. Worauf er einfach abgehauen ist. Und (Schluchzen) ... er ist noch nicht nach Hause gekommen, und jetzt ist schon Sonntagnachmittag.«
»Hast du seine Kollegen angerufen?«
»Nein. Wie soll ich denen das denn erklären, ohne zu verraten, in welcher Hölle wir leben? Und dann erfahren das alle und...«
»Meinst du denn, die wüßten das nicht schon längst?«
»Nein, John behält seine Maske auf. Bei seiner Arbeit ahnt niemand etwas.«
»Das glaubst du, ja.«
»Aber überleg doch mal, wenn ihm etwas passiert ist? Ich habe alle Krankenhäuser angerufen, aber da ist niemand mit seinem Namen eingeliefert worden.«
»Wahrscheinlich schläft er irgendwo seinen Rausch aus.«
»Ich habe mich heute morgen so geschämt, daß ich bis in die Zehennägel rot geworden bin, als ein Nachbar nach dem Wagenheber fragte, den John sich vor zwei Wochen geliehen hat. Er wollte an meinem kleinen Hyundai einen Reifen reparieren und brauchte dazu einen Wagenheber. Und so steht der Wagen jetzt seit vierzehn Tagen da. Und ich mußte dem Nachbarn sagen, er könne in die Garage gehen und sich den Wagenheber holen, wenn er ihn sofort brauche, und er wollte wissen, wo John sei, und ich mußte mir eine Geschichte aus den Fingern saugen, er sei nach Värmdö gefahren, um am Boot herumzubasteln. Der Nachbar schien nur sauer zu sein, und ich sah ein, daß ich ins Förmchen geschissen hatte, als er zur Auffahrt hinüberschielte, wo Johns Dodge stand. Da schien bei ihm der Groschen zu fallen, und er nickte mir mitleidig zu. Und jetzt weiß wohl die ganze Nachbarschaft, was Sache ist. Was soll ich bloß machen?«
»Einen Kurs.«
»Einen Kurs? Gibt es Kurse, in denen man lernt, die Psyche eines Typen umzuprogrammieren?«
»Nein, aber es gibt noch andere Programmierkünste. Vor allem solltest du John aus deiner eigenen Psyche herausprogrammieren. Saug soviel Geld wie möglich aus ihm heraus und frisch deine Kenntnisse auf. Du mußt das wieder drauf kriegen, was du gekonnt hast, ehe du an diesen Heini geraten bist. Aber mit IT. Sonst schaffst du den Wiedereinstieg nicht.«
»Das kann John mir doch beibringen.«
»Stöhn! Hör jetzt endlich auf, dich um sein Arschloch zu drehen. Mach selber etwas. Du sitzt in einer Frauenfalle, Hillevi.«
»Soll ich mir etwa an dir ein Vorbild nehmen, oder was?«
»Hab ich das gesagt? Du lebst doch ein Luxusleben, zum Henker, also hör mit dem Gejammer auf. Pfeif drauf, was John macht, solange er dich versorgt. Ich an deiner Stelle würde die Zeit nutzen, um mein Schäfchen ins trockene zu bringen. Danach kannst du dich entscheiden.«
»Eigentlich hast du nicht unrecht. Ich habe seit fast einem Jahrzehnt nicht eine Krone mehr verdient. Aber die Kinder brauchen so viel Zeit.«
»Dann steck sie in den Kindergarten! Na los! Kuschel ist fast vier. Du kannst dich nicht hinter ihnen verstecken, bis du eine alte Vettel geworden bist.«
»Seufz. Dann verrate ich doch all meine Ideale.«
»Ideale ändern sich. Willst du lieber dich selber verraten?«
»Was für ein Klischee! Wir leben doch mit anderen zusammen. Wir können uns nicht nur um uns selber kümmern.«
»Nein, aber du kümmerst dich im Moment um gar nichts, und das wirst du eines Tages bereuen, wenn das Haus zusammenbricht. Glaub mir. Ich hab das auch erlebt...«
»Huch, jetzt wird Kuschel wach. Er hat Fieber. Ich muß mich um ihn kümmern. Bis dann.«
»Vergiß nicht, was ich gesagt habe. Wechsele auf dein eigenes Leben über und leb es. Ein für allemal! Bis dann.«
E-Mail von Annie an Hillevi, 26. März, 20:03
Hillevi, hallo! Was macht ihr denn so? Kein Mensch geht ans Telefon. Ist John Amok gelaufen und hat euch allesamt abgemurkst? Ich selber wurde nach einem Umtrunk im Büro, bei dem die neue Spendrup-Kampagne vorstellt werden sollte, aufs Schärfste ans männliche Grobian-Gen erinnert. Es waren nur Leute aus der Branche da, unter anderem Leo Larsson, der für das wichtige Resumé schreibt. Ich bin ihm um den Bart gegangen, damit er nett über uns schreibt, und er trank sich methodisch auf Bekenntnisniveau hinunter. Er liegt im Scheidungsgraben, wie sich herausstellte. Er sei bei seiner Alten seit drei Jahren nicht mehr zum Schuß gekommen, sagte er, was aber leicht übertrieben ist, da sein jüngstes Kind gerade mal ein Jahr alt ist, aber er triefte nur so vor Selbstmitleid, und ich habe ein bißchen mitgejammert, obwohl ich seine Frau sehr gut verstehen kann. Der Arsch ist doch einfach zu fett für einen Fick. Als ich nach Hause wollte, fingen die Probleme an. Der Kerl kam mit mir auf die Straße, weil er sich davon überzeugen wollte, sagte er, daß ich sicher nach Hause käme. Wie fürsorglich, was? Ohne zu fragen parkte er seine angeschwollene Leibesfülle im Taxi neben mir, und als wir bei mir angekommen waren, stieg auch er aus. Was blieb mir also anderes übrig, als ihn für einen Moment hereinzubitten, aber er sollte leise sein, weil die Kinder schliefen. Ich holte eine Flasche Wein und füllte zwei Schalen mit Chips und Nüssen, und dann setzten wir uns an den Couchtisch. Und dann ging mir auf, daß ich Mr. Bean zu Besuch hatte. Noch dazu einen stockbesoffenen Mr. Bean. Mit einer einzigen Handbewegung hatte dieser Mistkerl die Weinflasche umgeworfen, ein Weinglas zerbrochen, dem anderen den Fuß abgehauen und die Nußschale umgestoßen. Und als er aufstand, folgte der Couchtisch den halben Weg mit, und alles, was noch darauf war, ging zu Boden. Er hob nicht mal den Arsch, um einen Lappen zu holen – o nein – er war aufgestanden, um pinkeln zu gehen, und ich rief »Vorsicht, die Vase« und »Nicht das Bild anfassen, das ist ein Vermögen wert«, aber als er gegen das Bücherregal knallte und dann in den Fernseher zu segeln drohte, wurde ich eiskalt und rational. Ich führte ihn in die Diele, denn jetzt wollte ich diesen Marodeur ganz schnell aus der Bude schaffen, aber da wollte dieses Drecksgerät nun auch noch einen Kuß! Einen Kuß! Ich stieß ihn weg, worauf er sich einen von meinen Igelkleiderbügeln schnappte, die mit Kleidern und Taschen der Kinder vollgeladen sind. Die Garderobe ist an einer Betonwand festgeschraubt und war bisher so sicher wie das Amen in der Kirche, aber nun fiel die ganze Pracht herunter, und Leo Larsson schloß sich an, war danach unter einem Kleiderhaufen begraben und schnaufte wie ein Auto im Schneegestöber. Mir war schon längst egal, was er vielleicht in seiner Zeitschrift schreiben und woran er sich von diesem Katastrophenbesuch noch erinnern würde, ich wollte ihn nur so schnell wie möglich loswerden, und deshalb habe ich dieses Ungeheuer über die Schwelle geschoben und gezerrt, und dann konnte ich endlich die Tür zumachen und zweimal abschließen. Worauf dieser Trottel durch den Briefschlitz brüllte, und ich mußte für die dadurch geweckten Kinder eine Erklärung finden und eine noch bessere für das Überfallkommando, das bestimmt bald anrücken würde. Und Leo torkelte in den Fahrstuhl, und mir gegenüber stand die Nachbarin und glotzte durch den Türspalt.
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