Will Berthold - Adams Letzte

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Eine geheimnisvolle Unbekannte, verführerisch wie kaum eine andere, erscheint auf einem Rotarier-Kongress in Bangkok. Die Männer, die aus aller Welt angereist gekommen sind, sind allesamt reich und mächtig. Jeder von ihnen ist fasziniert von der schönen Fremden. War sie eine reiche Erbin? Eine frühe Witwe? Oder gar eine Hochstaplerin? Und das ist Ilka gewohnt: Stets verdreht sie den Männern den Kopf, attraktive Karrieretypen verfallen ihr reihenweise, niemand entgeht ihrer Verführungskunst. Doch Ilka ist nicht alleine in Bangkok erschienen: An ihrer Seite ist der sehr viel ältere Industrielle Martin Laimer. Genießen die beiden ein ehrliches, spätes Glück? Oder ist etwas dran an den Gerüchten über Ilka, sie habe ihren letzten Freund – ebenfalls ein schwerreicher älterer Herr – vergiftet?Will Berthold (1924–2000) war einer der kommerziell erfolgreichsten deutschen Schriftsteller und Sachbuchautoren der Nachkriegszeit. Seine über 50 Romane und Sachbücher wurden in 14 Sprachen übersetzt und erreichten eine Gesamtauflage von über 20 Millionen. Berthold wuchs in Bamberg auf und wurde mit 18 Jahren Soldat. 1945 kam er vorübergehend in Kriegsgefangenschaft. Von 1945 bis 1951 war er Volontär und Redakteur der «Süddeutschen Zeitung», u. a. berichtete er über die Nürnberger Prozesse. Nachdem er einige Fortsetzungsromane in Zeitschriften veröffentlicht hatte, wurde er freier Schriftsteller und schrieb sogenannte «Tatsachenromane» und populärwissenschaftliche Sachbücher. Bevorzugt behandelte er in seinen Werken die Zeit des Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg sowie Themen aus den Bereichen Kriminalität und Spionage.-

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»Hat sich dein Vater eigentlich nach dem Tod deiner Mutter sehr verändert?« fragte Lulu behutsam.

»Überhaupt nicht«, erwiderte Milena. »Er ist ein Mann, der sich nie ändert; er ist offensichtlich schon fertig auf die Welt gekommen.« Sie sprach ohne Eifer und Zorn. »Ohnedies ist er in letzter Zeit meistens in Amerika. Wir führten von jeher alles andere als ein normales Familienleben.« Ihr Lächeln war zweckentfremdet. »Manchmal habe ich mir überlegt, ob wir überhaupt eine Familie sind.« Milena wickelte sich fröstelnd in ihre Stola. »Vielleicht bin ich auch nur undankbar. Mein Vater hat immer bestens für meine Mutter, für mich und für meine Tochter gesorgt, und letztlich auch für das berufliche Fortkommen meines Mannes. Nie hat er einen Geburtstag überfahren oder sonst ein Familienereignis. Nie blieb ein auch nur angedeuteter Wunsch unerfüllt. Wir bekamen, was wir wollten, stets in allerbester Ausführung. Aber diese Geschenke schienen irgendwie vom Fließband zu kommen. Verstehst du mich, Lulu?«

»Nicht ganz.«

»Alle Aufmerksamkeiten meines Vaters wirkten seltsam unpersönlich, wie fernbestellt, nach dem Terminkalender. Immer großzügig, und doch schien stets etwas zu fehlen.«

»Die persönliche Zutat«, stellte Lulu fest.

»Das ist es wohl«, erwiderte die Freundin.

»Aber das soll kein Vorwurf sein, vielleicht ist es mit den Präsenten, die ich ihm mache, genauso. Vermutlich begehe ich den gleichen Fehler. Wir sind — wir waren — von jeher — eine ziemlich kühle Familie. Auf unseren Beziehungen lag immer so etwas wie Rauhreif.« Milena lächelte gezwungen. »Keine Auseinandersetzungen. Keine Probleme. So gut wie nie Streit. Natürlich auch keine Affären.«

»Wie alt ist dein Vater jetzt?«

»Er wird einundsechzig«, antwortete Milena. »Aber das siehst du ihm nicht an.«

»Macht er sich jung?« fragte Lulu.

»Nein. Er war eigentlich niemals richtig jung, und so wirkt er jetzt auch nicht wirklich alt.«

»Keine modischen Anzüge, keine bunten Krawatten?«

»Wie kommst du darauf?« fragte die Hausherrin verständnislos.

»Nun ja, Martin Laimer ist jetzt ins gefährliche Alter gekommen —«

»Da kennst du ihn aber schlecht. Er hat sich nicht einmal eine Midlife-Crisis geleistet.«

»Er macht sich nicht viel aus Frauen?« fragte die Frau des Romanciers direkt.

»So würde ich es nicht formulieren«, erwiderte Milena nach kurzem Nachdenken. »Mein Vater ist vermutlich im Umgang mit Frauen ein ganz normaler Mann, nur —«

»Nur —?« ermunterte Lulu die Freundin zum Weitersprechen.

»— hat er keinen diesbezüglichen Umgang«, behauptete die Tochter. »Er stellt alles zurück, was ihn auch nur eine Stunde von seinen Firmengeschäften abhalten könnte, Du mußt das verstehen, Lulu. Er kam aus kleinen Verhältnissen und wollte ganz hoch nach oben. Das hat Martin Laimer geschafft, in verblüffend kurzer Zeit, mit seiner exemplarischen Tüchtigkeit. Er ist ein Besessener. Sein Konzern ist sein Lebenswerk, seine Familie, seine Frau, seine Geliebte, die Summe seiner Wünsche und Träume.«

»Keine menschliche Schwäche?« hakte Lulu nach.

»Schwäche nicht«, antwortete die Freundin. »Vielleicht eine Marotte. Er hat sich konstant geweigert, meiner Mutter, mir oder meiner Tochter Firmenanteile zu übertragen.«

»Habt ihr das verlangt?«

»Niemals. Aber der Syndikus und unsere Finanzberater haben es vorgeschlagen, um die Steuerlast durch Besitzverteilung zu verringern. Davon wollte Vater nichts wissen, er antwortete da mit so einem dummen Spruch: ›Sein Hemd behält man bis zuletzt an und liefert es erst am Grab ab‹. Wenn du von ihrem Schmuck — Geschenke meines Vaters — absiehst, ist meine Mutter eigentlich als unbemittelte Frau gestorben.«

»Du hast von ihr die Juwelen geerbt?«

»Allerdings; sie sind übrigens von beträchtlichem Wert.«

Milena hatte nie über diese Dinge gesprochen, aber vielleicht machten sie zwei Glas Champagner heute gesprächiger. »Es war uns auch gleichgültig, denn mein Vater ist immer generös zu uns gewesen. Wir wissen, daß er nicht aus Geiz oder Mißtrauen so handelte, er wollte einfach den Konzern zusammenhalten und den Gewinn wieder investieren. Dadurch hat er sich aber auch eine beispiellose Tretmühle geschaffen; der Erfolg ist die Peitsche, mit der er sich selbst hetzt. Schade«, setzte sie hinzu. »Meinst du, daß es für einen Mann in einer solchen Situation übliche Versuchungen gibt, Fehltritte, andere Frauen?«

»Gerade für einen solchen Mann«, erwiderte Lulu, die Erfahrene. »Absurd«, gab Milena zurück. »Und welche Frau von einiger Qualität würde einen Mann solcher Lebensart überhaupt ei tragen?«

»Oh, da kenne ich viele«, entgegnete die Freundin. »Es ist gewiß ein Allgemeinplatz, aber der Erfolg eines Mannes ist nun einmal sein Sex-Appeal.«

»Du mußt es ja wissen.« Die Gastgeberin wurde anzüglich.

»Natürlich muß ich es wissen«, versetzte Casagrandes dritte und sechste Ehefrau. »Ich bin weder eine Heilige noch eine Heuchlerin, und ich war auch einmal jung und habe Erfahrungen gesammelt mit den Herren in den besten Jahren. Eigentlich gar keine so schlechten. Diese grauschläfigen Gentlemen sind meistens betucht, erfahren und großzügig, pflegeleicht und keine Langweiler. Sie setzen zwar zu großen Sprüngen an und legen dann mitunter Bauchlandungen aufs Parkett, aber im Gegensatz zu ihren jungen Geschlechtsgenossen wissen sie, was sie wollen — und wollen nicht unentwegt wie die Kaninchen. Und man kann sie auch mal allein lassen, ohne daß sie gleich einer anderen hinterherhecheln —«

»Interessant«, antwortete Milena gähnend. »Da hab’ ich ja wohl einiges versäumt in meinem Leben.«

»Wenn du mich fragst, hast du viel versäumt«, bestätigte die Freundin, »aber nicht unbedingt alternde Liebhaber. Sie machen nicht nur Freude.« Lulu schöpfte aus dem Schatz ihrer Erfahrung. »Der Haken ist der, daß die alten Schwerenöter immer älter werden, und ab einer bestimmten Epoche zählen die Jahre doppelt und dreifach. Stets mußt du ihnen bestätigen, wie jung sie eigentlich sind, und das wird, wenn du fünfundzwanzig Jahre und noch weit mehr ausgleichen sollst, mit der Zeit ermüdend. Ich will nicht pietätlos werden, aber diese Schwierigkeiten wären leichter zu ertragen, wenn man wüßte, wann der verliebte Methusalem den Löffel abgeben wird. Man würde dann weniger Gefahr laufen, seine besten Jahre zu vertrödeln — um dann wieder allein dazustehen —, und die Gefahr wäre gebannt, daß du eines Tages nicht mehr die Geliebte sein wirst, sondern nur noch eine Krankenpflegerin oder Nurse, die dem Alternden rechtzeitig seine Medizin verabreicht.« Sie sah, daß ihre Freundin die Stirn runzelte. »Ja, ja«, setzte Lulu hinzu, »Medizin ist bitter.«

»Wie kann man nur so zynisch sein«, rügte Milena. »Du sprichst doch wohl nicht im Ernst?«

»Und ob«, antwortete die Freundin. »Und für das erste Stadium gilt: ›Wenn alte Scheunen einmal in Brand geraten, brennen sie lichterloh‹.«

»Sprichst du jetzt von Cecil Casagrande — oder von Martin Laimer?« attackierte die Gastgeberin ihre Freundin. »Entschuldige, Lulu«, schwächte sie den Angriff gleich wieder ab. »Ich war taktlos — wie kommen wir eigentlich auf dieses Thema?«

»Nicht ganz zufällig«, erwiderte die Zynikerin und drückte ihre Zigarette aus. »Es tut mir leid, aber du mußt dir jetzt eine Geschichte anhören.«

»Wenn du meinst«, entgegnete Milena. »Ich höre.« Sie versteifte sich unbewußt.

»Die Phil-Palance-Story spielte in New York. Der Mann war Industrieller, ein Aufsteiger, ein Gigant des Erfolgs, ein bißchen älter als dein Vater, dem er in vielem ähnelte, zum Beispiel im Fanatismus für seine Firma und —«

»Du brauchts mir den Mann nicht weiter zu schildern«, unterbrach Milena. »Er war bereits Gast in unserem Düsseldorfer Haus — als Geschäftspartner unseres Konzerns.«

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