1 ...6 7 8 10 11 12 ...17 Vertrautheit mit dem Implantatsystem
Um eine krestale Knochenstabilität zu erreichen, muss der Behandler den verwendeten Implantattyp sehr gut kennen und seine Funktion verstehen. Die Hälfte der Fälle, in denen ein Knochenverlust aufgetreten ist, wäre vermeidbar gewesen, wenn das Implantat korrekt in den Knochen gesetzt worden wäre. Dies jedoch ist nur möglich, wenn der Operateur gut mit dem Implantatsystem vertraut ist. Wie groß ist beispielsweise bei einem System mit Platform-Switching der Unterschied des Durchmessers von Abutment und Implantatplattform? Gemäß einer Studie von Canullo et al. 1 sollte er mindestens 0,4 mm betragen. Bei einem geringeren Unterschied wird das bakterielle Infiltrat nicht vom Knochen weggeleitet, sodass das Implantat wie ein Standardimplantat funktioniert, obwohl es als Implantat mit Platform-Switching bezeichnet und vertrieben wird. Natürlich sind Implantate mit diesem Unterschied erhältlich. Ein weiteres Beispiel lautet, ob es eine Regel dafür gibt, wie ein Implantat ohne Platform-Switching auf Knochenniveau gesetzt wird. Die Bezeichnung „Knochenniveau“ schreibt vor, dass es krestal gesetzt werden sollte, allerdings würde dann der Mikrospalt auf Knochenniveau liegen, sodass sich im Implantat Bakterien ansiedeln können, was suboptimal ist. Somit hängt die Insertionstiefe grundsätzlich von den Designfaktoren in Kombination mit dem Wissensstand des Zahnarztes ab, der das Implantat setzt. Die Unterschiede im Design beginnen mit dem Implantathals und der Implantat-Abutment-Verbindung ( Abb. 2-1). Dabei ergeben sich folgende Fragen: Unterscheiden sich diese Implantatdesigns in ihrer Effektivität? Wie wirken sie sich kurz- und langfristig auf die krestale Knochenstabilität aus?
Abb. 2-1Verschiedene Implantatdesigns mit unterschiedlich langem poliertem Hals und Implantat-AbutmentVerbindungen. (a) 45-Grad-Innenverbindung (Fa. BioHorizons). (b) Konische Verbindung mit poliertem horizontalem Anteil (Conelog, Fa. Camlog). (c) Implantat mit konischer 12-Grad-Verbindung (Fa. MIS). (d) Implantat mit poliertem Hals (Fa. Camlog).
Polierter Hals
Der polierte Implantathals ist definitiv ein ätiologischer Faktor des frühen krestalen Knochenverlusts. Früher wurde der Implantathals mit einer polierten Oberfläche hergestellt, um die Plaque-Akkumulation zu reduzieren, falls das Implantat infolge eines alveolären Knochenverlusts gegenüber der Mundhöhle exponiert war. Allerdings haben klinische Studien zum Knochenniveau an Implantaten mit poliertem Hals ergeben, dass Hartgewebe eher resorbiert werden 2 , wenn sie direkten Kontakt mit maschinierten Oberflächen haben. Hämmerle et al. 3 berichteten, dass Implantate aus dem ITI-Dental-Implantat-System (Fa. Straumann), die eine polierte Oberfläche besitzen, das Knochenniveau nach der Restauration trotz Versenkung nicht erhielten. Shin et al. 4 kamen zu ähnlichen Ergebnissen und schlussfolgerten, dass an Implantaten mit rauem Hals ein geringerer Knochenverlust auftrat als an jenen mit poliertem Hals ( Abb. 2-2).
Abb. 2-2In einer Studie wurden drei Typen von Implantathälsen verglichen: solche mit (a) rauer Oberfläche, (b) polierter Oberfläche und (c) Mikrogewinde. Am stärksten war der Knochenverlust am polierten Hals und am geringsten an dem Hals mit Mikrogewinde (Abdruck mit frdl. Genehmigung von Shin et al. 4 ).
Hänggi et al. 5 berichteten, dass Implantate mit kürzerem, glattem, koronalem Hals das Risiko für eine Exposition des Metallrands von Implantaten im ästhetischen Bereich reduzieren, da an diesen Implantaten kein zusätzlicher Knochenverlust auftritt. Diese Schlussfolgerungen wurden in einer aktuellen Studie von Peñarrocha-Diago et al. 6 bestätigt, in der sich der Knochenverlust nach 6 und 12 Monaten statistisch signifikant zwischen den beiden Gruppen unterschied: Der Knochenverlust war an Implantaten mit maschiniertem Hals, ohne Mikrogewinde und mit externer Verbindung vergleichsweise stärker als bei Implantaten mit behandelter Oberfläche, Mikrogewinde und Innenverbindung sowie Platform-Switching.
Die Pathogenese des Knochenverlusts an polierten Oberflächen wird in einem Review-Artikel von Wiskott und Belser 7 erläutert. Vermutlich können maschinierte Implantatoberflächen die okklusale Belastung nicht effektiv von der glatten Titanoberfläche auf den Knochen übertragen. Stattdessen kommt es zum Stress Shielding, das einen Knochenverlust auslöst. Bei gedeckt einheilenden Implantaten wurde im Rahmen der zweizeitigen Operation beobachtet, dass sie von Knochen bedeckt waren, der jedoch nach prothetischer Belastung bis zum ersten Gewindegang des Implantats resorbiert wurde 8,9. Somit kann der Knochenverlust an einem polierten Hals als nicht funktionelle Knochenresorption bezeichnet werden, weil die Resorption auftritt, ohne dass die Belastung auf den Knochen übertragen wurde. Dies wirft allerdings die Frage auf, wie die Belastung auf die ursprünglichen Brånemark-Implantate übertragen wurde, die alle poliert waren. Und: Wie wurden diese Implantate überhaupt osseointegriert, wenn poliertes Titan okklusale Belastungen nicht auf den Knochen übertragen und ihn so stimulieren kann, dass er erhalten bleibt? Die Erklärung lautet, dass diese Implantate zwar poliert (oder präziser: maschiniert) waren, der Anteil des Implantats, der sich im Knochen befand, jedoch Gewindegänge aufwies, die die Belastung auf den Knochen übertragen konnten.
Einen weiteren Beweis für die Knochenresorption an polierten Oberflächen lieferten Jung et al. 10 , die an Implantaten mit einem 3 mm langen polierten Hals einen ausgedehnten Knochenverlust nachwiesen. Auch in Studien mit einteiligen Implantaten, bei denen der Effekt des Mikrospalts nicht auftreten kann, wurde festgestellt, dass das Knochenniveau an der Grenze zwischen rauer und glatter Oberfläche unabhängig von der Tiefe der Implantatposition etabliert wurde 10,11. Daraus lässt sich folgern, dass ein polierter Implantathals ein valider ätiologischer Faktor bei der Pathogenese des krestalen Knochenverlusts ist ( Abb. 2-3und 2-4). Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass wegen der Knochenresorption am polierten Hals ein Implantatmisserfolg eintreten wird, sondern nur, dass diese Resorption nach Möglichkeit vermieden werden sollte. Außerdem wurde beschrieben, dass nur 1,5 % auf Gewebeniveau gesetzte Implantate, die normalerweise polierte Bereiche mit einer Länge von 1,8 bis 2,8 mm aufweisen, vor der Belastung versagten (früher Misserfolg) und 2,0 % nach 9 Jahren Beobachtung (später Implantatverlust) 12 . Daher wird empfohlen, den polierten Implantathals auf Knochenniveau zu platzieren. Bei tieferer Platzierung wird sich der Knochen unabhängig von der Insertionstiefe schlussendlich an der Grenze zwischen rauer und glatter Oberfläche anlagern ( Abb. 2-5bis 2-7).
Abb. 2-3 (a) Der polierte Hals eines zu tief in den Knochen gesetzten Implantats auf Gewebeniveau löste einen Knochenverlust aus. (b) Nach 2 Monaten Heilung. (c) Bei der Kontrolle nach einem Jahr.
Abb. 2-4 (a) Implantat mit poliertem Hals. (b und c) Der Knochenverlust aufgrund der glatten Oberfläche ist gut erkennbar. In diesem Fall bestand nach dem krestalen Knochenverlust und der Exposition des polierten Halses kein ästhetisches Problem. Dieses Implantat sollte jedoch nicht im ästhetischen Bereich gesetzt werden.
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