1 ...6 7 8 10 11 12 ...27 Monterey enthält ungefähr dreitausend Seelen, einschliesslich der Halbzucht und der Indianer, welche sich in den verschiedenen Wohnungen als Dienstboten gebrauchen lassen. Die Einwohner sind reich, und da sie keine Gelegenheit haben, ihr Geld nach Weise der östlichen Städte zu verschleudern — denn ihre Vergnügungen kosten sie nichts — so halten sie viel auf Ausschmückung ihrer selbst, ihrer Pferde und Sättel, und verwenden darauf soviel, als sie zu erschwingen vermögen. Ein Sattel im Preise von hundert Pfunden ist unter den reicheren jungen Leuten, die auf ihre Rosse und deren Geschirr stolz sind, etwas sehr Gewöhnliches.
Das weibliche Geschlecht kleidet sich reich und mit bewunderungswürdigem Geschmack. Die Mädchen tragen weisse Atlaskleider und lassen ihr langes, schwarzes Haar über die Schultern niederfallen. Zu Hause ist ihre Stirne mit reichem Juwelenschmuck geziert, wenn sie aber ausgehen, bedecken sie ihr Gesicht mit einem langen, weissen Schleier, durch den ihre Augen wie Diamanten funkeln.
Die verheiratheten Frauen ziehen eine bunte Tracht vor und befestigen ihr Haar vermittelst eines grossen Kammes dicht am Kopfe. Sie besitzen auch noch eine andere bezaubernde Eigenthümlichkeit, welche sie jedoch mit den Männern gemein haben — ich meine eine schöne Stimme, weich und tremulirend bei den Weibern, reich, kräftig und majestätisch aber bei ihren Herren. Ein amerikanischer Reisender sagt irgendwo: „Ein gemeiner Ochsentreiber zu Pferd, der einen Auftrag übernimmt, scheint wie ein Gesandter in einer Audienz zu sprechen. Die Californier sind in der That ein Volk, auf denen ein schwerer Fluch lastet; sie haben Alles verloren, nur nicht ihren Stolz, ihre Sitten und ihre Stimme.
In Monterey folgt eine Belustigung der andern, und zwischen Hahnenkämpfen, Wettrennen, Fandangos, Jagen, Fischen, Rudern und so weiter entschwindet die Zeit. Das Klima ist merkwürdig gesund; Epidemien hat es nie gegeben und man weiss überhaupt kaum, was Krankheit ist. Kein Zahnweh, kein sonstiges Leiden, kein Spleen; die Leute sterben an Zufälligkeiten oder an Altersschwäche. In der That geht zu Monterey ein eigenthümliches Sprüchwort: „El que quiere morir, que se vaya del pueblo“ — das heisst: „wer zu sterben wünscht, muss die Stadt verlassen.“
Während meines dortigen Aufenthalts hatte ich ein ziemlich gefährliches Abenteuer zu bestehen. Die Bay ist eine der schönsten von der Welt, ungefähr vierundzwanzig Meilen lang und achtzehn breit, und ich hatte mich mit einigen meiner Freunde einer grossen Partie angeschlossen, welche an der Mündung derselben fischen wollte. Der Missionär Padre Marini, der sich nicht ganz wohl fühlte, meinte, die Seeluft könnte ihn wohl bekommen, und schloss sich deshalb unserer Gesellschaft an. Wir hatten viele Boote; das, in welchem der Padre und ich Platz gefunden hatten, war ein hübsch geformtes, kleines Ding, welches zu einem amerikanischen Schiffe gehörte. Es wurde mit zwei Rudern in Bewegung gesetzt und hatte einen kleinen Mast nebst Segel.
Unser Fischen nahm einen guten Fortgang; wir waren Alle sehr vergnügt und gingen an’s Land, um etliche unserer Opfer zum Nachmittagsmahl zu braten. Im Laufe des Gesprächs kam Jemand auf einige alte Ruinen zu reden, die sich fünfzehn Meilen nördlich an der Mündung eines kleinen Flüsschens befänden. Der Missionär war begierig, Einsicht davon zu nehmen, und wir beschlossen, unsere Begleiter nach Monterey zurückkehren zu lassen, während wir Beide an Ort und Stelle übernachten wollten, um am andern Morgen einen Ausflug nach den Ruinen zu machen. Wir erhielten von einem andern Boot einen grossen steinernen Wasserkrug, zwei Decken und eine Doppelflinte. Sobald sich unsere Begleiter entfernt hatten, ruderten wir nach der Nordspitze der Bay, wählten uns ein passendes Nachtquartier, bauten, uns mit den Rudern, dem Mast und dem Segel eine Art Obdach, zündeten ein Feuer an und machten’s uns bequem. Es war einer jener schönen, milden Abende, die man nur in der Bay von Monterey findet; der sanfte, duftige Wind säuselte leise durch die Blätter, und mit dem Eintritte der Nacht, als der silberne Mond mit Myriaden Sternen über uns blinkte, kam der Missionär, nachdem er die Scene in langem Schweigen betrachtet hatte, auf die Vergangenheit und andere Klimas zu sprechen.
Er erzählte von Hurdwar, einem fernen Missionsposten im Norden von Indien, dicht an den Himalayas. Die Hindus nennen den Ort „Stadt der tausend Paläste“ und sagen, sie sey von den Genien an derselben Stelle erbaut worden, wo Vishnu nach einer seiner geheimnissvollen Verwandlungen, in welcher er Siva oder Sahavedra, den Geist des Bösen, besiegte, mehrere Wochen ausgeruht habe. Obgleich weniger bekannt, ist Hurdwar doch ein weit heiligerer Ort als Benares. Einmal im Jahre kommen hier Leute aus allen Gegenden zusammen, um mehrere Tage lang in den reinigenden Fluthen des Ganges ihre Waschungen vorzunehmen. In dieser edlen Stadt wird auch eine der grössten indischen Messen — vielleicht die grösste in der ganzen Welt — abgehalten, und da diese in denselben Monat fällt, in welchem die andächtigen Hindus ihre Wallfahrten vornehmen, so stellen sich auch zahlreiche Karavanen aus Persien, Arabien, Kaschmir und Lahore ein, um längs der Ufer des Flusses ihre Bazars zu errichten, die eine viele Meilen lange Strasse bilden. Die Menschenmasse, die sich zu solchen Zeiten zusammenfindet, soll mehr als eine Million Köpfe betragen.
Der Padre Marini hatte dort mehrere Jahre ganz allein als Missionär gewirkt. Seine bekehrte Heerde war freilich nur klein, und er hatte wenig zu thun; aber doch konnte sein Geist nicht durch das Studium all’ der ihn umgebenden Wunder gefesselt werden. Sein Herz war traurig, denn ein jahrelanger Kummer lastete schwer auf ihm und er fühlte sich elend. Ehe er sich der Abgeschiedenheit des mönchischen Lebens hingab, verbrachte er seine Zeit in der Gesellschaft eines jüngern Bruders, den er sehr liebte. Der junge Mann, welcher Medicin studirte, besass schöne Anlagen und verband mit denselben einen Fleiss, der ihn in seinem Berufe vorwärts zu bringen versprach. Als Marini in’s Kloster ging, begab sich sein Bruder nach der Türkei, wo Aerzte stets eine gute Aufnahme zu finden hoffen dürfen, und liess lange nichts von sich hören. Der Mönch war eben im Begriffe, nach einem fernen Missionsposten abzugehen, als er endlich die Kunde erhielt, welche so zerstörend auf seinen Seelenfrieden wirkte.
Sein Bruder war nämlich von Konstantinopel aus nach Persien gegangen, wo er in sehr angenehmen Verhältnissen lebte; der Ehrgeiz hatte ihn jedoch veranlasst, den Glauben seiner Väter abzuschwören und ein Anhänger Mohameds zu werden. Das war eine sehr traurige Nachricht, über welche der Mönch viele Thränen vergoss. Im ersten Jahre seines Aufenthalts zu Hurdwar traf er mit einem jüdischen Kaufmann zusammen, der eine persische Karavane begleitet hatte. Dieser Mann kannte seinen abtrünnigen Bruder, und theilte dem Padre mit, derselbe sey in Ungnade gefallen und führe nun zur Strafe für seine Apostasie ein Leben voll Elend und Entbehrungen.
Der Mönch schickte nun innige und glühende Gebete zum Himmel, flehte um Vergebung für seinen Bruder und opferte für dessen Seelenheil seine Bussübungen auf. Der arme Mann! er dachte, wenn er ihn nur sehen und sprechen könnte, so würde es ihm gelingen, ihn in den Schooss der Kirche zurückzuführen; aber ach! sein Beruf fesselte ihn an Hurdwar, das er nicht verlassen durfte. Eines Tages — es war zur Zeit der Messe — wandelte er fern von dem Flusse hin, um die Verblendung des Heidenthums nicht ansehen zu müssen, und sein Geist war im Gebete vertieft. Da schlugen mit einemmale ungewöhnliche Tone an seine Ohr — wohlbekannte Töne, die ihn an seine Heimath, an das schöne Italien erinnerten. Sie kamen aus einer kleinen Hütte, die nur zehn Schritte von ihm entlegen war. Die Scenen vergangener Tage tauchten in seiner Erinnerung auf, und sein Herz fing an ungestüm zu pochen. Der Mönch erkannte eine Barcarole, die er oft in jüngeren Tagen gesungen hatte; aber obgleich die Weise lebhaft war, klang doch die Stimme traurig und wehmüthig. Er trat leise näher und stellte sich an den Eingang der Hütte. Der Fremde fuhr zusammen und erhob sich! Die Trennung hatte lange gewährt; aber weder die gefurchten Wangen und das blasse Antlitz des Einen, noch der Turban des Andern konnte sie täuschen — die beiden Brüder sanken sich in die Arme.
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