Der Leser wird im Verlaufe entdecken, dass meine Abenteuer mit dieser Reise nach Monterey ihren Anfang nahmen; ich will ihn daher nur noch erinnern, dass ich um diese Zeit mein achtzehntes Jahr noch nicht erreicht hatte. Ich konnte mich noch des civilsirten Zustandes erinnern, unter dem ich vor meiner Ankunft unter den Indianern geweilt hatte, und da wir auch in der Ansiedelung keiner Gemächlichkeit und Bequemlichkeit entbehrten, so schwebte mir auch noch dunkel vor, was in Italien und anderswo vorgegangen war. Aber ich war ein Indianer geworden und blickte bis zu der Zeit, in welcher mir diese Reise aufgetragen wurde, auf die Schauplätze meiner Jugend nur mit Verachtung zurück.
Dass dieses Gefühl durch den Gedanken, ich werde wohl nie wieder zu denselben zurückkehren, bedeutend genährt wurde, ist mehr als wahrscheinlich; denn von dem Augenblick an, als ich gehört hatte, dass ich nach Monterey gehen sollte, klopfte mein Herz ungestüm und mein Puls verdoppelte seine Schläge. Ich weiss kaum, was ich mir eigentlich dabei vorstellte; soviel ist jedoch gewiss, dass ich mir die Idee von einem irdischen Paradies gebildet hatte.
Nun, wenn auch nicht gerade ein Paradies, so ist Monterey doch gewiss ein sehr angenehmer Ort. Ja sogar jetzt noch gewinnt er in meiner Erinnerung eine Art seltsamen Zaubers, obgleich ich seitdem nüchterner und, wie ich glaube, auch ein wenig weiser geworden bin. Es unterliegt keinem Zweifel, dass ein gewisser Nimbus von Glück sich über diese kleine Stadt verbreitet. Jedermann fühlt sich wohl, Alles singt und lächelt, und jede Stunde ist dem Vergnügen oder der Ruhe geweiht.
Da sieht man nichts von schmutzigen Strassen und einem holperigten Pflaster — keine Fabriken mit ihrem ewigen Rauch — keine Polizeidiener, die sich wie eben so viele Kreuzbuben ausnehmen — keine Cabs oder Omnibus, welche rechts und links den Koth um sich spritzen — vor Allem aber nichts von jenen pünktlichen Geschäftsmännern, die ihren Bestellungen nacheilen, wie Dampfmaschinen pustend, Jedermann mit ihren Ellenbogen imkommodirend und die Apfelstände umwerfend. Nein, von alle dem trifft man nichts zu Monterey.
Man hat dort eine endlos tiefe Bay von schönstem Blau, deren Ufer mit hohen, prachtvollen Bäumen bewachsen sind. Ein Prairierasen breitet sich wie ein Teppich aus, dessen Dessin aus allerliebsten wilden Blumen besteht. Darauf befinden sich Hunderte von Hütten, von den Ranken des Weinstocks überwachsen. Im Mittelpunkte steht das Präsidio oder Gouvernementgebäude, auf der einen Seite ein anmuthiger Kirchthurm, auf der andern die starken Mauern eines Klosters. Ueber das Ganze breitet sich ein Himmel vom tiefsten Kobaltblau, einen angenehmen Gegensatz bildend gegen das dunkle Grün der hohen Fichten und die unbestimmten, nicht zu schildernden Tinten an dem Horizont der Prairieen im Westen.
Selbst die Hunde sind zu Monterey höflich, und die Pferde, welche allenthalben umherweiden, laufen auf den Reisenden zu, als wollten sie seine Ankunft bewillkommnen. Der Grund davon liegt jedoch in dem Umstande, dass man in jener Gegend einen Beutel Salz am Sattelknopf mitzuführen pflegt, an dem die Thiere ihre Nasen reiben, und es ist klar, dass sie kommen, um sich etwas von dem Inhalte des gedachten Beutels zu erbetteln, von dem sie sehr grosse Liebhaber sind. Mit Menschen und Thieren steht man schnell auf einem vertraulichen Fusse; auch die dort wohnenden Engländer sind, was doch gewiss viel heissen will, zufrieden und sogar die Amerikaner — eine noch wunderbarere Erscheinung — beinahe ehrlich. Welch’ eiu herrliches Klima muss nicht dieses Monterey seyn!
Die dort herrschende Gastfreundschaft ist unbegränzt. „Die heilige Jungfrau segne Dich,“ sagte ein alter Mann zu uns, als wir anlangten; „weile hier und beehre mein Dach.“ Ein Anderer eilte herzu und drückte uns mit vor Wohlwollen funkelnden Augen die Hände. Ein Dritter nahm unsere Maulesel beim Zügel und führte uns nach seiner Thüre, aus der ein halb Dutzend hübscher Mädchen mit blitzenden, dunkeln Augen und langen dünnen Fingern herauskamen, um uns die Sporen und Moccassins abzunehmen.
Königin der Städte in Californien! Schon in deinem Namen liegt Poesie für mich, und so muss es Allen ergehen, welche Ehrlichkeit, Bonhommie, Einfachheit und das dolce far niente lieben.
Ungeachtet der vielen dringenden Einladungen, die wir erhielten, begab sich Padre Marini nach dem Kloster, während ich bei dem alten Gouverneur mein Quartier nahm.
Alles war mir neu und entzückend; denn ich zählte noch nicht achtzehn Jahre, und in diesem Lebensalter hat man seltsame Träume und Vorstellungen von schlanken Taillen und hübschen, schalkhaft lächelnden Gesichtern. Mein Geist war hin und wieder zurückgekehrt zu den Auftritten der Vergangenheit, als ich noch eine Mutter und eine Schwester hatte. Dann seufzte ich nach einer Gespielin, mit der ich tanzen und walzen konnte auf dem Rasen, während unser grauhaariger Diener auf seiner Violine einige veraltete en avant deux spielte.
Jetzt hatte ich Alles dies gefunden, und es war eine fröhliche Zeit. Allerdings half der Beutel mit Dublonen wunderbar mit. Eine Woche nach meiner Ankunft hatte ich mir einen prächtigen, mit Silber ausgelegten Sattel, statt meiner Tuchbeinbekleidung Sammthosen, einen Federhut, glänzende Schuhe, einen rothen Sammtgürtel und den grossen Kapuzenmantel angeschafft, der bisweilen für Sommer und Winter, für Tag und Nacht das einzige Gewand eines west-mexikanischen Grand ausmacht. Ich sage, es war eine fröhliche Zeit, und ich wusste mich trefflich darein zu schicken.
Ich tanzte, sang und machte den Hof. Mein alter Reisegefährte, der Missionär, machte mir zwar Vorstellungen, aber die Mädchen lachten über ihn, und ich setzte ihm klärlich aus einander, dass er Unrecht habe. Wenn meine englischen Leser nur wüssten, welch’ ein süsses, allerliebstes kleines Ding ein Mädchen in Monterey ist, so würden Alle ihre Bündel schnüren, nach Californien gehen und dort heirathen. Und doch wäre es Schade, denn mit ihren falschen Begriffen von Camfort, mit ihrer Vorliebe für Kohlenfeuer und ungare Beefsteaks, zugleich mit ihren finsteren Ansichten von Schicklichkeit, würden sie den Ort bald verderben und ihn so steif und düster machen, als nur ein sektirerisches Dorf in den vereinigten Staaten seyn kann, das neben seinen neun Banken, seinen achtzehn Kapellen und seiner einzigen ABC-Schule ein so ungeheures, steinernes Gefängniss hat, dass es die ganze Einwohnerschaft beherbergen könnte.
Der Gouverneur war der General Morreno, ein alter Soldat von ächt castilischem Stamme — stolz auf sein Blut, auf seine Töchter, auf sich selbst, auf seine Würden, kurz auf Alles, aber demungeachtet voll Wohlwollen und Gastfreundlichkeit. Sein Haus stand Allen offen (das heisst, so fern sie sich weissen Blutes rühmen konnten) und die Zeit entschwand mir wie ein ununterbrochener Festtag, indem ein Vergnügen dem anderen folgte — die Musik dem Tanze und das Augenspiel dem Kusse, ebenso wie die Limonade dem Wein oder die Crêmes den Trauben und Pfirsichen. Unglücklicherweise hat aber die Natur in unserer Bildung einen Missgriff begangen, und leider muss der Mensch nach dem Vergnügen eben so gut ausruhen, als nach der Arbeit. Das ist recht Schade, denn das Leben ist kurz, und durch den Schlaf wird so viele Zeit verloren; so dachte ich wenigstens, als ich achtzehn Jahre alt war.
Monterey ist eine sehr alte Stadt und wurde im siebenzehnten Jahrhuudert von einigen portugiesischen Jesuiten gegründet, welche hier einen Missionsposten anlegten. Den Jesuiten folgten die Franziskaner, gute, milde, träge und freundliche Leute, die den Scherz liebten, ohne der Sittlichkeit nahe zu treten, gegen Laster und Liebe donnerten, aber doch völlige Absolution ertheilten und leichte Bussen auflegten. Diese Mönche wurden von der mexikanischen Regierung verjagt, weil sie ihren Reichthum zu besitzen wünschte. Es war ein Unglück für Monterey, denn statt der gütigen, gastfreundlichen und edelmüthigen Ordensgeistlichen erschienen Agenten und Beamte der Regierung aus dem Innern, welche durch nichts an ihren neuen Aufenthalt geknüpft waren und sich wenig um das Glück der Bewohner kümmerten. Die Folge davon ist, dass die Californier dieser Bedrücker herzlich müde sind; sie haben einen natürlichen Widerwillen gegen Zollbeamte und können sich namentlich nicht mit dem Gedanken versöhnen, zu Führung der mexikanischen Könige, die für sie kein Interrsse haben, ihre Dollars herzugeben. Eines Morgens — es wäre ihnen beinahe schon einmal gelungen — werden sie die mexikanische Flagge von dem Präsidio herunternehmen, Kommissarien und Zollbeamte fortjagen, sich von Mexiko unabhängig erklären und ihre Hafen allen Nationen öffnen.
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