Eigenständigkeit: Sie beweisen Eigenständigkeit, wenn Sie sich nicht den Modediktaten unterwerfen. Ob man Sie deshalb für einen Modemuffel hält oder nicht, kann Ihnen egal sein. (Insgeheim wird man Sie für Ihren Mut zur Modeabstinenz bewundern und beneiden, denn Sie haben den anderen etwas voraus). Ihnen ist es wichtig, dass Sie für die kompetenteste Person gehalten werden, dann dürfen die anderen Sie ruhig in Sachen Mode überholen. Modisch sein ist keine Leistung und altmodisch keine Schande. Mit Klasse sind Sie übrigens weder das eine noch das andere. Nur die, welche sich in sonst nichts auszeichnen, brauchen die Krücke, «in» zu sein. Die Modischen machen nur das, was alle machen. Zu den primären Managementqualitäten gehören aber selbstständiges Denken, Urteilsvermögen, Selbstkompetenz und Vorbildfunktion. Legen Sie also auch bei der Gestaltung Ihres persönlichen Erscheinungsbildes das Gewicht auf diese Qualitäten. Machen Sie bitte nicht, was die Mode propagiert oder was der Verkäufer oder der Imagecoach gut findet. Lassen Sie sich nicht fremd bestimmen. Sie sind die Instanz. Management oblige.
Identität . Mode unterstützt Sie nicht: Mode verfolgt einen Selbstzweck. Sie stellt sich selbst dar und stellt sich vor Sie in den Vordergrund. Mode will um der Mode willen als Mode erkannt werden. Deshalb ist alles Modische sichtbar beschriftet oder plakativ mit dem Label versehen. Auf dem Brillengestell steht Dior und Giorgio Armani; das meiste Geld zahlen Sie für die Namen. Wenn Sie so angeschrieben durchs Leben gehen, tragen Sie immer einen Namen zu viel, denn Sie haben ja schon einen, und Sie brauchen nur den.
Professionalität: Mode ist Show, Glamour, Spiel, Kunst, Künstlichkeit. Es kommt einem so vor, als wollten uns die Modepäpste gar nicht anziehen, sondern viel eher ausziehen, nicht nur die Frauen! Die Textilien sind oft nur noch dazu da, Haut zur Schau zu stellen, die sekundären Geschlechtsmerkmale mutieren zu modischen Accessoires. Wirklich nicht das Wahre für Ihren erfolgreichen Auftritt im Business!
George Bernard Shaw meinte: «Moden sind eigentlich nur eingeführte Epidemien.» Wenn es plötzlich heißt, man sei nun in allen Lebenslagen in Turnschuhen gesellschaftsfähig, dann ist das reines Marketing, einfach nur eine Strategie zur Umsatzsteigerung. Die Konsumenten meinen zwar, der Mode gehe es bei dieser scheinbaren Tenueerleichterung darum, dem Volk das Leben bequemer zu machen. Andere stilisieren sie zu einer Ideologie hoch wie der Trendforscher David Bosshart, der in einem Interview behauptet hat, « … die Entwicklung des Turnschuhs zum Kultobjekt ist eng verbunden mit der Popkultur; die von den Hippies kultivierte Kombination von T-Shirt, Jeans und Turnschuhen ist Ausdruck einer Lebenshaltung».
Vergessen Sie’s! Wenn man den Leuten weismacht, Turnschuhe könne man immer und überallhin anziehen, nicht nur zum Sport, dann werden eben von viel mehr Leuten viel mehr Turnschuhe gekauft – das Geschäft blüht! Das Reebok-Modell «Freestyle», in den Achtzigerjahren als Fitnessund Aerobic-Artikel konzipiert, wurde zum meistverkauften Schuh aller Zeiten. Anfang der Neunzigerjahre lag der Jahresdurchschnitt des Sportschuhabsatzes allein in der Schweiz bei über 340 Millionen Franken, zehn Jahre später konsolidierte er sich bei rund drei Millionen Schuhpaaren für 290 Millionen Franken. 69 Prozent davon waren Turnschuhe, die Wanderschuhe machten nur 20 Prozent, die Fußballschuhe 11 Prozent aus. Turnschuhe sind übrigens nicht viel billiger als normale Schuhe. Der Durchschnittspreis liegt bei 150 Franken, Markenodelle wie Nike und Reebok liegen bei mindestens 190 bis 250 Franken. Für dieses Geld gibt es erstklassige Businessschuhe.
«Mode ist so unerträglich hässlich, dass wir sie alle Halbjahre ändern müssen», hat Oscar Wilde gesagt. Jedenfalls ist es der Mode egal, wie Sie aussehen. Sie ist nur daran interessiert, dass Sie mindestens jede Saison etwas Neues kaufen. Und dafür muss sie sich einiges einfallen lassen, sie ist aus Umsatzgründen gezwungen, immer wieder neu Gestyltes auf den Markt zu werfen, es kann x-beliebig sein, ganz gleich, ob es kleidsam ist und gut sitzt oder nicht! Im Geschäft denken Sie vielleicht noch: «Okay, das muss wohl so aussehen, na ja, ist wohl der letzte Hit, Hauptsache, mal was anderes.» Das ist auch das, was einem die Verkäufer und Verkäuferinnen prompt sagen, wenn man seine Zweifel äußert: «Das hat man jetzt!» Begeistert oder überzeugt sind Sie von Ihrem Spiegelbild allerdings trotzdem nicht. «Aber, was soll’s», beruhigen Sie sich, «die wissen ja sicher, was die einem verkaufen!» Zu Hause beim ersten Anziehen sind Sie dann schon nicht mehr so sicher, warum Sie es überhaupt gekauft haben, denn plötzlich merken Sie, dass es eigentlich ziemlich dumm aussieht und Sie darin überhaupt nicht so gut wirken, wie Sie gehofft haben. Spätestens beim dritten Mal können Sie den Anblick nicht mehr ertragen und Sie sind von Ihrem Kauf endgültig enttäuscht. Was macht man mit einer Enttäuschung? Man will sie möglichst rasch loswerden. Wie? Man kauft sich umgehend wieder etwas Neues! Voilà, die Mode hat gesiegt.
Von Altmeister Emilio Schuberth stammt das Bonmot, wonach «Mode das wichtigste Mittel im Kampf der Textilindustrie gegen die zunehmende Haltbarkeit der Stoffe» sei. Die Ursache für die wechselnden Trends in jeder Saison ist nicht die Kreativität der Modeschöpfer. Was da geboten wird, sind doch keine guten Einfälle. Oder erachten Sie Müschelchen, Stiefmütterchen, Südseestrände und Bugs Bunnies als gute Idee für die Krawatten von Kaderleuten und Wirtschaftsführern? Da ist doch etwas nicht mehr stufengerecht.
Niemand, der Frauen achtet und einverstanden ist, dass sie Karriere machen, entwirft für sie zum Beispiel Röcke mit Reißverschluss oder mit Knöpfen, die man vom Saum aus nach oben (bis nach wie weit oben?) öffnen oder gar geschlitzt tragen kann. Auch wenn sie zu bleiben, wird der Betrachter eindeutig zweideutig animiert. So ein Ding kommt einer wahrhaftigen Demütigung gleich. Lassen Sie es nicht zu, dass man Sie zum Objekt degradiert, tun Sie sich nichts dergleichen an, auch wenn es gewissen Männern gefällt. Wir sind im Business, und es geht um Ihr Leben.
Modisches ist oft an den Haaren herbeigezogen, manieristisch und künstlich. Zur Rechtfertigung werden die abstrusesten Stiltheorien erfunden, die sich als Ideologien festsetzen und uns Undinge bescheren wie Plateauschuhe, schwarze, graue und kurzärmelige Businesshemden, Minibrillen oder farbige Haarsprays.
Ein illustratives Beispiel, wohin modische Abwandlungen führen, ist das Zweireiher-Sakko. In Abweichung vom normalen Schnitt hat es nur noch einen Schließknopf statt wie bisher zwei, und dieser Umstand ist für ein solches Jackett eine Tragödie. Es sitzt überhaupt nicht und hat eine unelegante Silhouette. Der eine Schließknopf kommt bei diesem Modeverschnitt nämlich unter die Gürtellinie zu liegen. Das hat zur Folge, dass das Revers statt bis Brusthöhe bis Magenhöhe offen ist und viel zu viel Hemd – eine richtige Heldenbrust – zeigt. Das verdirbt Proportion und Linie: das Jackett fällt nicht mehr gerade, sondern bildet eine V-Form, was dazu führt, dass sich in ausnahmslos allen Fällen beidseitig vom Schließknopf bis zu den Hüften unvermeidbare Zugfalten bilden.
Verlangen Sie in Zukunft im Geschäft immer nach Zweireihern mit zwei Schließknöpfen. Wahrscheinlich wird der Verkaufer sie Ihnen als Einzelexemplare heraussuchen müssen, denn nur die Einknöpfigen hängen in Massen herum. Aber die paar, aus denen Sie wählen können, sind alle so gut, dass Ihnen die Auswahl großartig vorkommt. Auf jeden Fall kaufen Sie garantiert den allerbesten Zweireiher.
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