APPIANI.
Freundschaft und Freundschaft, um das dritte Wort! – Mit wem red ich denn? Des Marchese Marinelli Freundschaft hätt ich mir nie träumen lassen. –
MARINELLI.
Ich erkenne mein Unrecht, Herr Graf, mein unverzeihliches Unrecht, dass ich, ohne Ihre Erlaubnis, Ihr Freund sein wollen. – Bei dem allen: was tut das? Die Gnade des Prinzen, die Ihnen angetragene Ehre, bleiben, was sie sind: und ich zweifle nicht, Sie werden sie mit Begierd ergreifen.
APPIANI (nach einiger Überlegung).
Allerdings.
MARINELLI.
Nun so kommen Sie.
APPIANI.
Wohin?
MARINELLI.
Nach Dosalo, zu dem Prinzen. – Es liegt schon alles fertig; und Sie müssen noch heut abreisen.
APPIANI.
Was sagen Sie? – Noch heute?
MARINELLI.
Lieber noch in dieser nämlichen Stunde, als in der folgenden. Die Sache ist von der äußersten Eil.
APPIANI.
In Wahrheit? – So tut es mir leid, dass ich die Ehre, welche mir der Prinz zugedacht, verbitten muss.
MARINELLI.
Wie?
APPIANI.
Ich kann heute nicht abreisen; – auch morgen nicht; – auch übermorgen noch nicht. –
MARINELLI.
Sie scherzen, Herr Graf.
APPIANI.
Mit Ihnen?
MARINELLI.
Unvergleichlich! Wenn der Scherz den Prinzen gilt, so ist er um so viel lustiger. – Sie können nicht?
APPIANI.
Nein, mein Herr, nein. – Und ich hoffe, dass der Prinz selbst meine Entschuldigung wird gelten lassen.
MARINELLI.
Die bin ich begierig, zu hören.
[37]APPIANI.
O, eine Kleinigkeit! – Sehen Sie; ich soll noch heut eine Frau nehmen.
MARINELLI.
Nun? und dann?
APPIANI.
Und dann? – und dann? – Ihre Frage ist auch verzweifelt naiv.
MARINELLI.
Man hat Exempel, Herr Graf, dass sich Hochzeiten aufschieben lassen. – Ich glaube freilich nicht, dass der Braut oder dem Bräutigam immer damit gedient ist. Die Sache mag ihr Unangenehmes haben. Aber doch, dächt ich, der Befehl des Herrn –
APPIANI.
Der Befehl des Herrn? – des Herrn? Ein Herr, den man sich selber wählt, ist unser Herr so eigentlich nicht – Ich gebe zu, dass Sie dem Prinzen unbedingtern Gehorsam schuldig wären. Aber nicht ich. – Ich kam an seinen Hof als ein Freiwilliger. Ich wollte die Ehre haben, ihm zu dienen: aber nicht sein Sklave werden. Ich bin der Vasall eines größern Herrn –
MARINELLI.
Größer oder kleiner: Herr ist Herr.
APPIANI.
Dass ich mit Ihnen darüber stritte! – Genug, sagen Sie dem Prinzen, was Sie gehört haben: – dass es mir leid tut, seine Gnade nicht annehmen zu können; weil ich eben heut eine Verbindung vollzöge, die mein ganzes Glück ausmache.
MARINELLI.
Wollen Sie ihm nicht zugleich wissen lassen, mit wem?
APPIANI.
Mit Emilia Galotti.
MARINELLI.
Der Tochter aus diesem Hause?
APPIANI.
Aus diesem Hause.
MARINELLI.
Hm! hm!
APPIANI.
Was beliebt?
MARINELLI.
Ich sollte meinen, dass es sonach umso weniger Schwierigkeit haben könne, die Zeremonie bis zu Ihrer Zurückkunft auszusetzen.
APPIANI.
Die Zeremonie? Nur die Zeremonie?
MARINELLI.
Die guten Eltern werden es so genau nicht nehmen.
[38]APPIANI.
Die guten Eltern?
MARINELLI.
Und Emilia bleibt Ihnen ja wohl gewiss.
APPIANI.
Ja wohl gewiss? – Sie sind mit Ihrem Ja wohl – ja wohl ein ganzer Affe!
MARINELLI.
Mir das, Graf?
APPIANI.
Warum nicht?
MARINELLI.
Himmel und Hölle! – Wir werden uns sprechen.
APPIANI.
Pah! Hämisch ist der Affe; aber –
MARINELLI.
Tod und Verdammnis! – Graf, ich fodere Genugtuung.
APPIANI.
Das versteht sich.
MARINELLI.
Und würde sie gleich itzt nehmen: – nur dass ich dem zärtlichen Bräutigam den heutigen Tag nicht verderben mag.
APPIANI.
Gutherziges Ding! Nicht doch! Nicht doch! (Indem er ihn bei der Hand ergreift.) Nach Massa freilich mag ich mich heute nicht schicken lassen: aber zu einem Spaziergange mit Ihnen hab ich Zeit übrig. – Kommen Sie, kommen Sie!
MARINELLI (der sich losreißt, und abgeht).
Nur Geduld, Graf, nur Geduld!
APPIANI. CLAUDIA GALOTTI.
APPIANI.
Geh, Nichtswürdiger! – Ha! das hat gut getan. Mein Blut ist in Wallung gekommen. Ich fühle mich anders und besser.
CLAUDIA (eiligst und besorgt).
Gott! Herr Graf – Ich hab einen heftigen Wortwechsel gehört. – Ihr Gesicht glühet. Was ist vorgefallen?
APPIANI.
Nichts, gnädige Frau, gar nichts. Der Kammerherr Marinelli hat mir einen großen Dienst erwiesen. Er hat mich des Ganges zum Prinzen überhoben.
[39]CLAUDIA.
In der Tat?
APPIANI.
Wir können nun um so viel früher abfahren. Ich gehe, meine Leute zu treiben, und bin sogleich wieder hier. Emilia wird indes auch fertig.
CLAUDIA.
Kann ich ganz ruhig sein, Herr Graf?
APPIANI.
Ganz ruhig, gnädige Frau. (Sie geht herein und er fort.)
Die Szene: ein Vorsaal auf dem Lustschlosse des Prinzen.
DER PRINZ. MARINELLI.
MARINELLI.
Umsonst; er schlug die angetragene Ehre mit der größten Verachtung aus.
DER PRINZ.
Und so bleibt es dabei? So geht es vor sich? so wird Emilia noch heute die Seinige?
MARINELLI.
Allem Ansehen nach.
DER PRINZ.
Ich versprach mir von Ihrem Einfalle so viel! – Wer weiß, wie albern Sie sich dabei genommen. – Wenn der Rat eines Toren einmal gut ist, so muss ihn ein gescheuter Mann ausführen. Das hätt ich bedenken sollen.
MARINELLI.
Da find ich mich schön belohnt!
DER PRINZ.
Und wofür belohnt?
MARINELLI.
Dass ich noch mein Leben darüber in die Schanze schlagen wollte. – Als ich sahe, dass weder Ernst noch Spott den Grafen bewegen konnte, seine Liebe der Ehre nachzusetzen: versucht ich es, ihn in Harnisch zu jagen. Ich sagte ihm Dinge, über die er sich vergaß. Er stieß Beleidigungen gegen mich aus: und ich forderte Genugtuung, – und forderte sie gleich auf der Stelle. – Ich dachte so: entweder er mich; oder ich ihn. Ich ihn: so ist das Feld ganz unser. Oder er mich: nun, wenn auch; so muss er fliehen, und der Prinz gewinnt wenigstens Zeit.
DER PRINZ.
Das hätten Sie getan, Marinelli?
MARINELLI.
Ha! man sollt es voraus wissen, wenn man so töricht bereit ist, sich für die Großen aufzuopfern – man sollt es voraus wissen, wie erkenntlich sie sein würden –
DER PRINZ.
Und der Graf? – Er stehet in dem Rufe, sich so etwas nicht zweimal sagen zu lassen.
[41]MARINELLI.
Nachdem es fällt, ohne Zweifel. – Wer kann es ihm verdenken? – Er versetzte, dass er auf heute doch noch etwas Wichtigers zu tun habe, als sich mit mir den Hals zu brechen. Und so beschied er mich auf die ersten acht Tage nach der Hochzeit.
DER PRINZ.
Mit Emilia Galotti! Der Gedanke macht mich rasend! – Darauf ließen Sie es gut sein, und gingen: – und kommen und prahlen, dass Sie Ihr Leben für mich in die Schanze geschlagen; sich mir aufgeopfert –
MARINELLI.
Was wollen Sie aber, gnädiger Herr, das ich weiter hätte tun sollen?
DER PRINZ.
Weiter tun? – Als ob er etwas getan hätte!
MARINELLI.
Und lassen Sie doch hören, gnädiger Herr, was Sie für sich selbst getan haben. – Sie waren so glücklich, sie noch in der Kirche zu sprechen. Was haben Sie mit ihr abgeredet?
DER PRINZ (höhnisch).
Neugierde zur Genüge! – Die ich nur befriedigen muss. – O, es ging alles nach Wunsch. – Sie brauchen sich nicht weiter zu bemühen, mein allzu dienstfertiger Freund! – Sie kam meinem Verlangen, mehr als halbes Weges, entgegen. Ich hätte sie nur gleich mitnehmen dürfen. (Kalt und befehlend.) Nun wissen Sie, was Sie wissen wollen; – und können gehn!
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