Ah, meine Teuerste! – Ich war mir Sie in dem Vorzimmer nicht vermutend.
EMILIA.
Ich wünschte Sie heiter, Herr Graf, auch wo Sie mich nicht vermuten. – So feierlich? so ernsthaft? – Ist dieser Tag keiner freudigern Aufwallung wert?
APPIANI.
Er ist mehr wert, als mein ganzes Leben. Aber schwanger mit so viel Glückseligkeit für mich, – mag es [32]wohl diese Glückseligkeit selbst sein, die mich so ernst, die mich, wie Sie es nennen, mein Fräulein, so feierlich macht. – (Indem er die Mutter erblickt.) Ha! auch Sie hier, meine gnädige Frau! – nun bald mir mit einem innigern Namen zu verehrende!
CLAUDIA.
Der mein größter Stolz sein wird! – Wie glücklich bist du, meine Emilia! – Warum hat dein Vater unsere Entzückung nicht teilen wollen?
APPIANI.
Eben habe ich mich aus seinen Armen gerissen: – oder vielmehr er, sich aus meinen. – Welch ein Mann, meine Emilia, Ihr Vater! Das Muster aller männlichen Tugend! Zu was für Gesinnungen erhebt sich meine Seele in seiner Gegenwart! Nie ist mein Entschluss immer gut, immer edel zu sein, lebendiger, als wenn ich ihn sehe – wenn ich ihn mir denke. Und womit sonst, als mit der Erfüllung dieses Entschlusses kann ich mich der Ehre würdig machen, sein Sohn zu heißen; – der Ihrige zu sein, meine Emilia?
EMILIA.
Und er wollte mich nicht erwarten!
APPIANI.
Ich urteile, weil ihn seine Emilia, für diesen augenblicklichen Besuch, zu sehr erschüttert, zu sehr sich seiner ganzen Seele bemächtiget hätte.
CLAUDIA.
Er glaubte dich mit deinem Brautschmucke beschäftiget zu finden: und hörte –
APPIANI.
Was ich mit der zärtlichsten Bewunderung wieder von ihm gehört habe. – So recht, meine Emilia! Ich werde eine fromme Frau an Ihnen haben; und die nicht stolz auf ihre Frömmigkeit ist.
CLAUDIA.
Aber, meine Kinder, eines tun, und das andere nicht lassen! – Nun ist es hohe Zeit; nun mach, Emilia!
APPIANI.
Was? meine gnädige Frau.
CLAUDIA.
Sie wollen sie doch nicht so, Herr Graf, so wie sie da ist, zum Altare führen?
APPIANI.
Wahrlich, das werd ich nun erst gewahr. – Wer kann Sie sehen, Emilia, und auch auf Ihren Putz achten? – Und warum nicht so, so wie sie da ist?
[33]EMILIA.
Nein, mein lieber Graf, nicht so; nicht ganz so. Aber auch nicht viel prächtiger; nicht viel. – Husch, husch, und ich bin fertig! – Nichts, gar nichts von dem Geschmeide, dem letzten Geschenke Ihrer verschwenderischen Großmut! Nichts, gar nichts, was sich nur zu solchem Geschmeide schickte! – Ich könnte ihm gram sein, diesem Geschmeide, wenn es nicht von Ihnen wäre. – Denn dreimal hat mir von ihm geträumet –
CLAUDIA.
Nun! davon weiß ich ja nichts.
EMILIA.
Als ob ich es trüge, und als ob plötzlich sich jeder Stein desselben in eine Perle verwandele. – Perlen aber, meine Mutter, Perlen bedeuten Tränen.
CLAUDIA.
Kind! Die Bedeutung ist träumerischer, als der Traum. – Warest du nicht von jeher eine größere Liebhaberin von Perlen, als von Steinen? –
EMILIA.
Freilich, meine Mutter, freilich –
APPIANI (nachdenkend und schwermütig).
Bedeuten Tränen – bedeuten Tränen!
EMILIA.
Wie? Ihnen fällt das auf? Ihnen?
APPIANI.
Jawohl; ich sollte mich schämen. – Aber, wenn die Einbildungskraft einmal zu traurigen Bildern gestimmt ist –
EMILIA.
Warum ist sie das auch? – Und was meinen Sie, das ich mir ausgedacht habe? – Was trug ich, wie sah ich, als ich Ihnen zuerst gefiel? – Wissen Sie es noch?
APPIANI.
Ob ich es noch weiß? Ich sehe Sie in Gedanken nie anders, als so; und sehe Sie so, auch wenn ich Sie nicht so sehe.
EMILIA.
Also, ein Kleid von der nämlichen Farbe, von dem nämlichen Schnitte; fliegend und frei –
APPIANI.
Vortrefflich!
EMILIA.
Und das Haar –
APPIANI.
In seinem eignen braunen Glanze; in Locken, wie sie die Natur schlug –
EMILIA.
Die Rose darin nicht zu vergessen! Recht! recht! – Eine kleine Geduld, und ich stehe so vor Ihnen da!
GRAF APPIANI. CLAUDIA GALOTTI.
APPIANI (indem er ihr mit einer niedergeschlagenen Miene nachsieht).
Perlen bedeuten Tränen! – Eine kleine Geduld! – Ja, wenn die Zeit nur außer uns wäre! – Wenn eine Minute am Zeiger, sich in uns nicht in Jahre ausdehnen könnte! –
CLAUDIA.
Emiliens Beobachtung, Herr Graf, war so schnell, als richtig. Sie sind heut ernster als gewöhnlich. Nur noch einen Schritt von dem Ziele Ihrer Wünsche, – sollt es Sie reuen, Herr Graf, dass es das Ziel Ihrer Wünsche gewesen?
APPIANI.
Ah, meine Mutter, und Sie können das von Ihrem Sohne argwohnen? – Aber, es ist wahr; ich bin heut ungewöhnlich trübe und finster. – Nur sehen Sie, gnädige Frau; – noch Einen Schritt vom Ziele, oder noch gar nicht ausgelaufen sein, ist im Grunde eines. – Alles was ich sehe, alles was ich höre, alles was ich träume, prediget mir seit gestern und ehegestern diese Wahrheit. Dieser Eine Gedanke kettet sich an jeden andern, den ich haben muss und haben will. – Was ist das? Ich versteh es nicht. –
CLAUDIA.
Sie machen mich unruhig, Herr Graf –
APPIANI.
Eines kömmt dann zum andern! – Ich bin ärgerlich; ärgerlich über meine Freunde, über mich selbst –
CLAUDIA.
Wieso?
APPIANI.
Meine Freunde verlangen schlechterdings, dass ich dem Prinzen von meiner Heirat ein Wort sagen soll, ehe ich sie vollziehe. Sie geben mir zu, ich sei es nicht schuldig: aber die Achtung gegen ihn woll es nicht anders. – Und ich bin schwach genug gewesen, es ihnen zu versprechen. Eben wollt ich noch bei ihm vorfahren.
CLAUDIA (stutzig).
Bei dem Prinzen?
PIRRO, gleich darauf MARINELLI, und DIE VORIGEN.
PIRRO.
Gnädige Frau, der Marchese Marinelli hält vor dem Hause, und erkundiget sich nach dem Herrn Grafen.
APPIANI.
Nach mir?
PIRRO.
Hier ist er schon. (Öffnet ihm die Türe und gehet ab.)
MARINELLI.
Ich bitt um Verzeihung, gnädige Frau. – Mein Herr Graf, ich war vor Ihrem Hause, und erfuhr, dass ich Sie hier treffen würde. Ich hab ein dringendes Geschäft an Sie – Gnädige Frau, ich bitte nochmals um Verzeihung; es ist in einigen Minuten geschehen.
CLAUDIA.
Die ich nicht verzögern will. (Macht ihm eine Verbeugung und geht ab.)
MARINELLI. APPIANI.
APPIANI.
Nun, mein Herr?
MARINELLI.
Ich komme von des Prinzen Durchlaucht.
APPIANI.
Was ist zu seinem Befehle?
MARINELLI.
Ich bin stolz, der Überbringer einer so vorzüglichen Gnade zu sein. – Und wenn Graf Appiani nicht mit Gewalt einen seiner ergebensten Freunde in mir verkennen will – –
APPIANI.
Ohne weitere Vorrede; wenn ich bitten darf.
MARINELLI.
Auch das! – Der Prinz muss sogleich an den Herzog von Massa, in Angelegenheit seiner Vermählung mit dessen Prinzessin Tochter, einen Bevollmächtigten senden. Er war lange unschlüssig, wen er dazu ernennen sollte. Endlich ist seine Wahl, Herr Graf, auf Sie gefallen.
APPIANI.
Auf mich?
MARINELLI.
Und das, – wenn die Freundschaft ruhmredig sein darf – nicht ohne mein Zutun –
APPIANI.
Wahrlich, Sie setzen mich wegen eines Dankes in [36]Verlegenheit. – Ich habe schon längst nicht mehr erwartet, dass der Prinz mich zu brauchen geruhen werde. –
MARINELLI.
Ich bin versichert, dass es ihm bloß an einer würdigen Gelegenheit gemangelt hat. Und wenn auch diese so eines Mannes, wie Graf Appiani, noch nicht würdig genug sein sollte: so ist freilich meine Freundschaft zu voreilig gewesen.
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