PIRRO.
Schweig davon!
[23]ANGELO.
Den du uns, auf dem Wege nach Pisa, in die Falle führtest –
PIRRO.
Wenn uns jemand hörte!
ANGELO.
Hatte ja die Güte, uns auch einen kostbaren Ring zu hinterlassen. – Weißt du nicht? – Er war zu kostbar, der Ring, als dass wir ihn sogleich ohne Verdacht hätten zu Gelde machen können. Endlich ist mir es damit gelungen. Ich habe hundert Pistolen dafür erhalten: und das ist dein Anteil. Nimm!
PIRRO.
Ich mag nichts, – behalt alles.
ANGELO.
Meinetwegen! – wenn es dir gleichviel ist, wie hoch du deinen Kopf feil trägst – (Als ob er den Beutel wieder einstecken wollte.)
PIRRO.
So gib nur! (Nimmt ihn.) – Und was nun? Denn dass du bloß deswegen mich aufgesucht haben solltest – –
ANGELO.
Das kömmt dir nicht so recht glaublich vor? – Halunke! Was denkst du von uns? – dass wir fähig sind, jemand seinen Verdienst vorzuenthalten? Das mag unter den sogenannten ehrlichen Leuten Mode sein: unter uns nicht. – Leb wohl! – (Tut als ob er gehen wollte, und kehrt wieder um.) Eins muss ich doch fragen. – Da kam ja der alte Galotti so ganz allein in die Stadt gesprengt. Was will der?
PIRRO.
Nichts will er: ein bloßer Spazierritt. Seine Tochter wird, heut Abend, auf dem Gute, von dem er herkömmt, dem Grafen Appiani angetrauet. Er kann die Zeit nicht erwarten –
ANGELO.
Und reitet bald wieder hinaus?
PIRRO.
So bald, dass er dich hier trifft, wo du noch lange verziehest. – Aber du hast doch keinen Anschlag auf ihn? Nimm dich in Acht. Er ist ein Mann –
ANGELO.
Kenn ich ihn nicht? Hab ich nicht unter ihm gedienet? – Wenn darum bei ihm nur viel zu holen wäre! – Wenn fahren die junge Leute nach?
PIRRO.
Gegen Mittag.
ANGELO.
Mit viel Begleitung?
[24]PIRRO.
In einem einzigen Wagen: die Mutter, die Tochter und der Graf. Ein paar Freunde kommen aus Sabionetta als Zeugen.
ANGELO.
Und Bediente?
PIRRO.
Nur zwei; außer mir, der ich zu Pferde voraufreiten soll.
ANGELO.
Das ist gut. – Noch eins: wessen ist die Equipage? Ist es eure? oder des Grafen?
PIRRO.
Des Grafen.
ANGELO.
Schlimm! Da ist noch ein Vorreiter, außer einem handfesten Kutscher. Doch! –
PIRRO.
Ich erstaune. Aber was willst du? – Das bisschen Schmuck, das die Braut etwa haben dürfte, wird schwerlich der Mühe lohnen –
ANGELO.
So lohnt ihrer die Braut selbst!
PIRRO.
Und auch bei diesem Verbrechen soll ich dein Mitschuldiger sein?
ANGELO.
Du reitest vorauf. Reite doch, reite! und kehre dich an nichts!
PIRRO.
Nimmermehr!
ANGELO.
Wie? ich glaube gar, du willst den Gewissenhaften spielen. – Bursche! ich denke, du kennst mich. – Wo du plauderst! Wo sich ein einziger Umstand anders findet, als du mir ihn angegeben! –
PIRRO.
Aber, Angelo, um des Himmels willen! –
ANGELO.
Tu, was du nicht lassen kannst! (Geht ab.)
PIRRO.
Ha! Lass dich den Teufel bei einem Haare fassen; und du bist sein auf ewig! Ich Unglücklicher!
ODOARDO und CLAUDIA GALOTTI. PIRRO.
ODOARDO.
Sie bleibt mir zu lang aus –
CLAUDIA.
Noch einen Augenblick, Odoardo! Es würde sie schmerzen, deines Anblicks so zu verfehlen.
[25]ODOARDO.
Ich muss auch bei dem Grafen noch einsprechen. Kaum kann ich’s erwarten, diesen würdigen jungen Mann meinen Sohn zu nennen. Alles entzückt mich an ihm. Und vor allem der Entschluss, in seinen väterlichen Tälern sich selbst zu leben.
CLAUDIA.
Das Herz bricht mir, wenn ich hieran gedenke. – So ganz sollen wir sie verlieren, diese einzige geliebte Tochter?
ODOARDO.
Was nennst du, sie verlieren? Sie in den Armen der Liebe zu wissen? Vermenge dein Vergnügen an ihr, nicht mit ihrem Glücke. – Du möchtest meinen alten Argwohn erneuern: – dass es mehr das Geräusch und die Zerstreuung der Welt, mehr die Nähe des Hofes war, als die Notwendigkeit, unserer Tochter eine anständige Erziehung zu geben, was dich bewog, hier in der Stadt mit ihr zu bleiben; – fern von einem Manne und Vater, der euch so herzlich liebet.
CLAUDIA.
Wie ungerecht, Odoardo! Aber lass mich heute nur ein Einziges für diese Stadt, für diese Nähe des Hofes sprechen, die deiner strengen Tugend so verhasst sind. – Hier, nur hier konnte die Liebe zusammenbringen, was füreinander geschaffen war. Hier nur konnte der Graf Emilien finden; und fand sie.
ODOARDO.
Das räum ich ein. Aber, gute Claudia, hattest du darum Recht, weil dir der Ausgang Recht gibt? – Gut, dass es mit dieser Stadterziehung so abgelaufen! Lasst uns nicht weise sein wollen, wo wir nichts, als glücklich gewesen! Gut, dass es so damit abgelaufen! – Nun haben sie sich gefunden, die füreinander bestimmt waren: nun lass sie ziehen, wohin Unschuld und Ruhe sie rufen. – Was sollte der Graf hier? Sich bücken, schmeicheln und kriechen, und die Marinellis auszustechen suchen? um endlich ein Glück zu machen, dessen er nicht bedarf? um endlich einer Ehre gewürdiget zu werden, die für ihn keine wäre? – Pirro!
PIRRO.
Hier bin ich.
[26]ODOARDO.
Geh und führe mein Pferd vor das Haus des Grafen. Ich komme nach, und will mich da wieder aufsetzen. (Pirro geht ab.) – Warum soll der Graf hier dienen, wenn er dort selbst befehlen kann? – Dazu bedenkest du nicht, Claudia, dass durch unsere Tochter er es vollends mit dem Prinzen verderbt. Der Prinz hasst mich –
CLAUDIA.
Vielleicht weniger, als du besorgest.
ODOARDO.
Besorgest! Ich besorg auch so was!
CLAUDIA.
Denn hab ich dir schon gesagt, dass der Prinz unsere Tochter gesehen hat?
ODOARDO.
Der Prinz? Und wo das?
CLAUDIA.
In der letzten Vegghia, bei dem Kanzler Grimaldi, die er mit seiner Gegenwart beehrte. Er bezeigte sich gegen sie so gnädig – –
ODOARDO.
So gnädig?
CLAUDIA.
Er unterhielt sich mit ihr so lange – –
ODOARDO.
Unterhielt sich mit ihr?
CLAUDIA.
Schien von ihrer Munterkeit und ihrem Witze so bezaubert – –
ODOARDO.
So bezaubert? –
CLAUDIA.
Hat von ihrer Schönheit mit so vielen Lobeserhebungen gesprochen – –
ODOARDO.
Lobeserhebungen? Und das alles erzählst du mir in einem Tone der Entzückung? O Claudia! Claudia! eitle, törichte Mutter!
CLAUDIA.
Wieso?
ODOARDO.
Nun gut, nun gut! Auch das ist so abgelaufen. – Ha! wenn ich mir einbilde – Das gerade wäre der Ort, wo ich am tödlichsten zu verwunden bin! – Ein Wollüstling, der bewundert, begehrt. – Claudia! Claudia! der bloße Gedanke setzt mich in Wut. – Du hättest mir das sogleich sollen gemeldet haben. – Doch, ich möchte dir heute nicht gern etwas Unangenehmes sagen. Und ich würde, (indem sie ihn bei der Hand ergreift) wenn ich länger bliebe. – Drum lass mich! lass mich! – Gott befohlen, Claudia! – Kommt glücklich nach!
CLAUDIA GALOTTI.
Welch ein Mann! – O, der rauen Tugend! – wenn anders sie diesen Namen verdienet. – Alles scheint ihr verdächtig, alles strafbar! – Oder, wenn das die Menschen kennen heißt: – wer sollte sich wünschen, sie zu kennen? – Wo bleibt aber auch Emilia? – Er ist des Vaters Feind: folglich – folglich, wenn er ein Auge für die Tochter hat, so ist es einzig, um ihn zu beschimpfen? –
EMILIA und CLAUDIA GALOTTI.
EMILIA (stürzet in einer ängstlichen Verwirrung herein).
Wohl mir! wohl mir! Nun bin ich in Sicherheit. Oder ist er mir gar gefolgt? (Indem sie den Schleier zurückwirft und ihre Mutter erblicket.) Ist er, meine Mutter? ist er? – Nein, dem Himmel sei Dank!
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