»Die Creme davon ist,« sagte ich, »daß er sich einen Katecheten nannte.«
»Warum auch nicht?« sagte er, »das ist er ja. Maclean von Duart machte ihn dazu, weil er blind war. Aber vielleicht war das schade,« sagte mein Wirt, »denn er ist immer unterwegs; er geht von einem Ort zum anderen, um das junge Volk in Religion zu unterrichten, und das ist zweifellos eine große Versuchung für einen armen Mann.«
Endlich, als mein Wirt nicht mehr trinken konnte, führte er mich zu meinem Bett, und ich legte mich sehr zufrieden nieder. Ich hatte den größten Teil dieser ausgebreiteten und an Windungen so reichen Insel Mull in vier Tagen durchwandert – von Earraid bis Torosay sind es fünfzig Meilen Luftlinie, und ich hatte zu Fuß beinahe hundert zurücklegen müssen – ohne große Ermüdung. Und ich war wirklich am Schlusse dieser langen Wanderung körperlich und seelisch in weit besserer Verfassung als zu Beginn.
Kapitel XVI
Der Bursche mit dem Silberknopf: Quer durch Morven
Inhaltsverzeichnis
Zwischen dem Festlande von Torosay und Kinlochaline verkehrt regelmäßig eine Überfuhr. Das Land zu beiden Ufern des Sundes gehört dem mächtigen Clan der Macleans, und die Leute, die mit mir zusammen in der Überfuhr saßen, waren beinahe alle Angehörige dieses Clan. Der Schiffsbesitzer wieder hieß Neil Roy Macrob; und da Macrob einer der Namen von Alans Clansmännern war, und Alan selbst mich an diese Überfuhr gewiesen hatte, war ich sehr begierig, allein mit Neil Roy zu sprechen.
In dem vollen Boot war dies natürlich unmöglich, und die Überfahrt ging nur langsam von statten. Es war kein Wind, und da das Boot elend ausgestattet war, konnten wir bloß an einer Seite mit zwei Rudern arbeiten und nur mit einem an der anderen. Die Männer aber halfen mit gutem Willen nach und die Passagiere lösten einander ab, um sie bei der Arbeit zu unterstützen. Die ganze Gesellschaft aber gab mit gälischen Schiffsliedern den Takt dazu. Dies alles als Ganzes genommen – die Lieder und die Seeluft, die gute Laune und freundliche Gesinnung aller Mitbeteiligten und das schöne Wetter – konnte die Überfahrt ein hübsches Erlebnis genannt werden.
In Kinlochaline nahm ich Neil Roy am Ufer beiseite und sagte, ich wüßte, daß er einer von Appins Leuten wäre.
»Und was ist's, wenn nicht?« sagte er.
»Ich suche jemanden«, sagte ich, »und da fiel mir ein, daß Ihr vielleicht Nachrichten von ihm habt. Alan Breck Stewart ist sein Name.« Und anstatt ihm den Knopf zu zeigen, wollte ich ihm dummerweise einen Schilling in die Hand drücken.
Daraufhin zog er sie zurück.
»Ihr beleidigt mich ernstlich,« sagte er, »und das ist nicht die Art, wie sich ein Gentleman gegen einen anderen benehmen sollte. Der Mann, nach dem Ihr mich fragt, ist in Frankreich, aber trüge ich ihn auch in meiner Tasche und wären Eure Säcke voll Schillinge, so wollt ich doch kein Haar an seinem Haupte krümmen.«
Ich sah ein, daß ich die Sache falsch angepackt hatte und ohne viel Zeit auf Entschuldigungen zu vergeuden, zeigte ich ihm den Knopf, der in meiner hohlen Hand lag.
»Nun also,« rief Neil, »ich dachte, Ihr hättet besser damit angefangen. Aber wenn Ihr der Bursche mit dem Silberknopf seid, so ist schon alles gut und ich habe Auftrag, Euch heil durchzubringen. Aber wenn Ihr mir erlauben wollt, aufrichtig zu sprechen,« sagte er, »es gibt einen Namen, den Ihr nie im Munde führen sollt, und das ist der Name Alan Brecks; und es gibt ein Ding, das Ihr nie tun sollt, und das ist, irgend einen Gentleman im ganzen Hochland Euer schmutziges Geld anbieten.«
Es war nicht sehr einfach, eine Entschuldigung vorzubringen. Denn die Wahrheit konnte ich ihm wohl nicht sagen, daß ich nämlich niemals gedacht hätte (ehe er es mir sagte), daß er Anspruch erhebe, für einen Gentleman gehalten zu werden. Neil hatte seinerseits kein Verlangen, sich näher mit mir einzulassen. Er wollte seinen Auftrag erledigen und dann nichts weiter mit der Sache zu tun haben. So beeilte er sich, mir meine Route anzugeben. Und zwar sollte ich in einem Wirtshaus in Kinlochaline übernachten, am nächsten Tag über Morven bis Ardgour gehen und die Nacht im Haus eines John von Claymore verbringen, der von meinem Kommen bereits verständigt wäre; am dritten Tag sollte ich mich bei Corran und ein zweitesmal bei Balachulish übersetzen lassen und dann meinen Weg nach dem Hause James von Glens in Aucharn in Duror von Appin erfragen. Es waren hübsch viele Überfahrten dabei, wie Ihr seht, da das Meer in dieser ganzen Gegend tief ins Gebirg einschneidet und sich eng um den Fuß des Gebirges schlängelt.
Neil gab mir noch einige andere Ratschläge; ich sollte mit niemand unterwegs reden, den Whigs und Campbells ausweichen, insbesondere aber den »roten Soldaten«, sollte die Straße verlassen und in einem Busch liegen, wenn ich einen von ihnen kommen sähe, »denn es wäre niemals gut, mit ihnen zusammenzutreffen«, kurz mich wie ein Räuber oder Jakobitenunterhändler benehmen, wofür mich Neil vielleicht hielt.
Das Wirtshaus in Kinlochaline war der erbärmlichste, armseligste Verschlag, in den man nur je Schweine gesteckt hat, voll Rauch und Ungeziefer und schweigsamen Hochländern. Ich war nicht nur unzufrieden mit meiner Unterkunft, sondern auch mit mir selber, wegen meines ungeschickten Benehmens Neil gegenüber und dachte, daß ich es so ziemlich am schlechtesten getroffen hätte. Aber ich hatte unrecht, wie ich bald sehen sollte. Denn noch war ich keine halbe Stunde im Wirtshaus (ich stand meistenteils auf der Türschwelle, weil mich der Rauch in den Augen schmerzte), als ein Gewitter ausbrach und der Bach einen Teil des kleinen Hügels wegschwemmte, auf dem das Wirtshaus stand. Eine Seite des Hauses wurde zu fließendem Wasser. In jenen Tagen waren die Wirtshäuser in ganz Schottland schlecht genug, aber dieses war sogar für mich eine Überraschung. Als ich vom Herd zu meinem Bett gelangen wollte, mußte ich bis über die Schuhe durchs Wasser waten.
Nächsten Tages überholte ich noch ziemlich zu Anfang meiner Wanderung einen kleinen, starken, ernst aussehenden Mann, der sehr langsam mit auswärts gedrehten Zehen dahinschritt und bald in einem Buche las, bald die Stelle darin mit dem Finger bezeichnete. Er war anständig und einfach gekleidet und trug eine Art kirchliches Gewand.
Dies war, wie ich bald herausfand, wieder ein Katechet, aber eines anderen Ordens als der blinde Mann von Mull. Er war einer von denen, die vom Edingburgher Verein für die Verbreitung des Christentums ausgeschickt worden waren, um in den wilden Gegenden des Hochlandes das Evangelium zu lehren. Er hieß Henderland. Er sprach den breiten südlichen Dialekt, nach dessen Klang ich mich zu sehnen anfing. Aber nicht nur waren wir Landsleute, sondern es verband uns noch ein anderes gemeinsames Interesse. Mein guter Freund, der Geistliche von Essendean, hatte in seiner freien Zeit eine Anzahl Hymnen und frommer Sprüche ins Gälische übersetzt, die Henderland bei seiner Arbeit benützte und sehr hoch schätzte. Und eine von diesen hatte er eben, als wir einander begegneten, gelesen.
Wir kamen sofort ins Gespräch und wanderten, da wir bis Kingairloch einen gemeinsamen Weg hatten, zusammen weiter. Unterwegs blieb er fortwährend stehen und sprach mit allen Vorübergehenden und Arbeitern, denen wir begegneten. Und obwohl ich natürlich nicht verstand, was sie zusammen redeten, schloß ich doch, daß Herr Henderland in der Gegend sehr beliebt sein müsse, denn die Leute zogen ihre Schnupftabakdosen hervor und boten ihm eine Prise.
Ich erzählte ihm soviel von meinen Angelegenheiten, als ich für klug hielt, das heißt also soviel, als es meine und nicht Alans Angelegenheiten waren. Ich gab Balachulish als das Ziel meiner Reise an, wo ich einen Freund treffen wollte. Denn ich glaubte Aucharn oder sogar Duror wäre eine zu genaue Angabe und könnte ihn auf die Spur führen.
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