Er ist die passende Gesellschaft für sie. Ich bin diesem jungen Mann in London begegnet, im Holland House, als er als ihr protestantischer Bevollmächtigter die katholische Delegation begleitete. Ich gebe zu, daß er mir als einnehmender, attraktiver Schurke erschien, nur nervöse Energie und Witz. Er hat einen lebhaften und kühnen Geist, viel intellektuellen Wagemut, ist ein gewandter Musiker und hat einen unstillbaren Appetit auf Whiskey und Wein. Wäre er als Franzose oder wenigstens in Amerika geboren, dann wäre ihm eine triumphale Karriere zweifellos sicher, denn seine Talente sind in unserer Zeit sehr gefragt. Aber zu seinem Pech teilt er mit mir das Mißgeschick, als Ire geboren worden zu sein und mit unseren bescheidenen Ziegeln bauen zu müssen. Und er hat in der Tat gebaut! Vor zwei Jahren war er mit Hoche und der französischen Flotte in der Bucht von Bantry, und obwohl Hoche inzwischen tot ist, wird die Küste von Cork Tone vielleicht wiedersehen. Das mag einigen als wunderbare Karriere erscheinen, ein Hungerleider von einem Anwalt, aufgestiegen zum Verhandlungspartner des Französischen Direktorats, im Auftrag eines Volkes, das kaum seinen Namen kennt. Aber schließlich leben wir in wunderbaren Zeiten.
Ehrgeiz, Intelligenz, Skrupellosigkeit – was können sie nicht alles fertigbringen in dieser Frühlingswelt, in die wir durch Rousseaus Genie geführt worden sind? Ich habe keine Geduld mit denen, die behaupten, die Urheber des Terrors hätten ihren Meister mißverstanden. Der Terror ist bereits bei Rousseau zu finden. Man höre nur Robespierre: »Wenn eine Nation zur Rebellion gezwungen worden ist, fällt sie dem Tyrannen gegenüber in einen Naturzustand zurück. Es gibt kein Gesetz mehr außer der Sicherheit des Volkes.« Die Guillotine garantiert den Gesellschaftsvertrag.
Dienstag . Gestern abend ging ich über den Pfad, der am Seeufer entlangführt. Es war ein sehr milder Abend, der Himmel ein zartes, gleichmäßiges Blau, mit riesigen aufgeblähten Wolken. Über mir kreisten Vögel um ihre Nester. Ein Gefühl von fast übernatürlicher Ruhe, mit, unerklärlicherweise, einem schwachen erotischen Murren an den Rändern. Ich war seit fast vier Monaten mit keiner Frau mehr zusammen, und zuletzt auch nur mit dieser kleinen Sophie M. in Dublin – Taft, Seide und abgebrochene Fingernägel. Wasser umspülte sanft meine Füße. London, Paris, sogar das arme provinzielle Dublin sind ein von diesem lieblichen See, diesem Hügel, an dem wir uns nach unseren Wanderungen niedergelassen haben, weit entferntes Universum. Ich hörte eine Rohrdommel, einen sehr einsamen Schrei, und dann war der See wieder stumm. Als ich zum Haus zurückging, kam eine leichte Brise auf, die die Zweige mit ihren schweren Blättern kaum bewegen konnte. Wir besitzen Ideen, aber die Gefühle besitzen uns. Sie liegen zu tief, um verstanden zu werden, bewegen sich durch ihr eigenes heimliches Leben und tragen uns mit sich.
Moat House, Ballina, 26. Juni
Spät in dieser Nacht saß Malcolm Elliott, von Moat House bei Ballina, im Süden von Killala an der Straße nach Castlebar gelegen, in dem kleinen Schreibzimmer, das er neben dem Schlafzimmer eingerichtet hatte, und las noch einmal den Brief, den er in einer französischen Übersetzung von Gullivers Reisen versteckt hatte. Der Name seines kleinen Gutes war für ihn und alle anderen ein Rätsel, denn obwohl das Haus an einer Stelle erbaut worden war, wo einst ein normannischer Wachtturm gestanden hatte, gab es keine Spuren eines Wallgrabens. Das Gut lag am Ufer des Flusses Moy, der eine halbe Meile weiter nördlich durch die Stadt Ballina floß, ein breiter, träge fließender Fluß, über den in der Stadt zwei weite, bucklige Brücken führten.
Als er zu lesen begann, setzte er sich an seinen Schreibtisch, wo sich das Lampenlicht angenehm auf seine einstigen Lieblingsbücher richtete, auf Bände von Helvetius, Diderot und Holbach. Als er den Brief zu Ende gelesen hatte, lief er jedoch bereits im Zimmer hin und her. Die Lampe war schwach, aber er kannte den Brief fast auswendig.
Bürger Elliott:
In Dublin ist jetzt ein provisorisches Direktorat eingesetzt worden und hat die Aufgabe übernommen, die Gesellschaft in Bereitschaft zu halten.
Die Verhaftung des Leitenden Direktorats im März, die Verhaftung und tödliche Verletzung von Lord Edward Fitzgerald, die darauf folgenden Verhaftungen zahlreicher Ortsführer, haben die Organisation zweifellos geschwächt, aber wir glauben, daß bereits ein hervorragender Anfang einer Restauration gelungen ist.
Viel ernster war die Niederschlagung der Aufstände in Antrim und Wexford, die viele Menschenleben gekostet hat. Die entscheidende Schlacht im Norden wurde in der Stadt Ballinahinch geschlagen und verloren, wo die Armee der United Irishmen stundenlang den zahlenmäßig weit überlegenen Truppen von General Nugent standhalten konnte. General Monroe, der Kommandeur der United Irishmen, hat um jeden Zoll Bodens gerungen, und der Feind behauptet, fünfhundert United Irishmen getötet zu haben. Die Stadt Ballinahinch liegt jetzt in Ruinen, und es heißt, die Truppen der Krone hätten an der wehrlosen Stadtbevölkerung schreckliche Rache genommen. Henry Joy MacCrakken, der die Hauptarmee von Antrim befehligte, wurde einige Tage früher geschlagen, konnte zuvor jedoch mit einer United-Armee von sechstausend Mann mehrere Städte einnehmen.
Im Süden kam es zu einem größeren Aufstand, an dem sich etwa zwanzigtausend Mann beteiligten, die eine Zeitlang fast ganz Wexford unter Kontrolle hatten, etliche Schlachten gewannen und wichtige Städte besetzen konnten. Die Rebellion wurde jedoch durch das Fehlen einer richtigen Führung behindert und konnte schließlich durch eine zahlenmäßig überlegene Armee niedergeschlagen werden. Ein Flecken besudelt in der Tat die Banner von Wexford. Die Gerüchte, daß unsere protestantischen Landsleute in Wexford barbarisch mißhandelt worden sind, treffen ohne jeden Zweifel zu. Das Glorreiche an Antrim war, daß dort Presbyterianer und Papist Seite an Seite marschierten, kämpften und starben. Mögen Antrim und die Helden seiner tiefen Täler unser Vorbild sein! Schon der Name unserer Society of United Irishmen verkündet unser Prinzip: eine Union von Katholik und Protestant, die die konfessionellen Gegensätze überwindet, die von unseren Unterdrükkern so sorgsam herangezüchtet worden sind, um uns besser in Knechtschaft halten zu können. Aber unsere Armee in Wexford, obwohl viele ihrer Soldaten offiziell United Irishmen waren, hat eine Vielzahl von Männern angezogen, die wir als Defenders, wenn nicht sogar als Whiteboys bezeichnen müssen, und diese waren auf wütende und ignorante Weise konfessionell. Sie kämpften weniger als United Irishmen denn als Mob, angestachelt von kriegerischen Priestern. Nicht die Republik war ihr Ziel, sondern etwas, was sie als ›den Triumph der Gälen‹ bezeichneten. Und doch kämpften sie sehr tapfer und starben heroisch. Die Bauern von Irland können viel, nein, alles erreichen, wenn sie die richtige Führung haben und wenn sie diese disziplinierte Armee unserer französischen Verbündeten bekommen, auf die wir jetzt alle warten. Die Menschenrechte lassen sich mit einer mächtigen Sonne vergleichen, unter der die alte Bigotterie wie Wachs schmelzen wird.
Wenn unsere französischen Verbündeten landen, werden die United Irishmen ihnen jegliche mögliche Hilfe leisten. Unsere Bevollmächtigten in Frankreich, Wolfe Tone und seine Genossen, haben ihnen zugesagt, daß die Insel sich erheben wird, und es ist unsere Aufgabe, dieses Versprechen zu erfüllen. In Leinster ist der Widerstand mit der Niederlage bei Vinegar Hill zum Erliegen gekommen, während unsere Organisation in Munster einigermaßen intakt geblieben ist, trotz der Brände und Folterungen, unter denen die Counties Waterford und Tipperary zu leiden hatten.
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