»Und bei jener Jagd hast Du mein Kind gerettet?«
»Was hätte ich denn sonst thun sollen?«
»Und jetzt leistest Du mir Hilfe?«
Da loderten plötzlich in Zbyszko die Liebe zu Danusia, der Haß gegen die Kreuzritter so mächtig empor, daß er sich hoch im Sattel aufrichtete und durch die zusammengepreßten Zähne nur mühsam hervorstieß: »Hört, was ich sage: Müßte ich selbst mit den Zähnen ihre Burgen zerbeißen, so zerbeiße ich sie, und Danusia rette ich.«
Diesen Worten folgte ein minutenlanges Schweigen. Unter dem Einfluß von Zbyszkos Ausspruch regte sich augenscheinlich mit aller Macht die rachsüchtige, gewaltthätige Natur Jurands, denn zähneknirschend ritt er in der Dunkelheit dahin und stets aufs neue murmelte er die Namen vor sich hin: »Danveld, Löwe, Rotgier und Godfryd!«
In seinem tiefsten Innern nahm er sich ja fest vor, de Bergow auszuliefern, wenn das von ihm verlangt werden sollte, auch Lösegeld war er bereit zu zahlen und auf Befehl ganz Spychow als Preis auszusetzen. »Aber wehe ihnen später! Wehe denen, die es gewagt haben, Hand an mein eigenes Kind zu legen!« murmelte er vor sich hin.
Weder Jurand noch Zbyszko fand in der Nacht erquickenden Schlaf, und als der Tag anbrach, da glaubten sie ihren Augen nicht trauen zu dürfen, so sehr hatten sich beide in den qualvollen Stunden verändert. Jurand empfand schließlich eine gewisse Rührung über den Schmerz und die Verzweiflung Zbyszkos und hub also an: »Mit ihrem Schleier hat sie Dich umhüllt, vom Tode hat sie Dich errettet – ich weiß es. Aber Du liebst sie auch?«
Da richtete sich Zbyszko hoch auf, blickte Jurand fest in die Augen und entgegnete: »Sie ist mein Eheweib!«
»Was sagst Du?« fragte Jurand, sein Roß anhaltend und starr vor Staunen auf den jungen Ritter blickend.
»Ich sage, daß sie mein Eheweib ist, daß ich ihr Ehegemahl bin.«
Der Ritter aus Spychow bedeckte die Augen mit der Hand, als ob ihn ein plötzlicher Blitzstrahl getroffen hätte, allein er erwiderte kein Wort, sondern trieb nur sein Pferd an und ritt an der Spitze des Gefolges schweigend weiter.
Inhaltsverzeichnis
Zbyszko, der hinter Jurand herritt, vermochte jedoch dessen Schweigen nicht lange zu ertragen. »Mir wäre es lieber,« dachte er bei sich, »er hätte seinem Zorn freien Lauf gelassen, als daß er ihn unterdrückt.« Demzufolge ritt er an dessen Seite, setzte die Füße fest in die Steigbügel und sprach also: »Hört, wie sich alles zugetragen hat. Was Danusia für mich in Krakau that, das wißt Ihr, es ist Euch aber nicht bekannt, daß man in Bogdaniec mich mit Jagienka, der Tochter von Zych aus Zgorzelic zusammenzubringen versuchte. Ihr Vater wollte sie mit mir vermählen, Macko wollte es, und der mir blutsverwandte reiche Abt wollte es auch. Doch was soll ich Euch ein Langes und ein Breites vorreden? Das Mädchen ist sittsam und es ist kräftig wie eine junge Hindin, und der Brautschatz, nun, der ist auch nicht zu verachten. Allein trotzdem konnte nichts daraus werden. Wohl that mir Jagienka leid, aber noch mehr bekümmerte mich Danusia – und ich machte mich zu ihr auf nach Masovien, denn wahrlich, glaubt mir, so vermochte ich nicht länger zu leben. Wenn Ihr Euch erinnert, wie Ihr selbst einmal geliebt habt, wenn Ihr der früheren Zeiten gedenkt, dann wird Euch das nicht wundernehmen.«
Hier hielt Zbyszko unwillkürlich inne, wie wenn er auf eine Antwort Jurands warte, als dieser aber nach wie vor schwieg, fuhr er also fort: »Unser Herr und Gott verlieh mir die Kraft, die Herrin und Danusia auf der Jagd vor einem Auerochsen zu retten. Da sagte die Fürstin sofort zu mir: ›Nun wird Jurand nicht mehr gegen Dich sein, denn wie sollte er Dir nicht für eine solche That danken?‹ Allein mir kam selbst damals nicht in den Sinn, ohne Eure väterliche Zustimmung mich mit dem Mädchen zu vermählen. Freilich mir war es auch nicht darnach! Das Tier hatte mich so schlimm zugerichtet, daß nicht viel fehlte, und es wäre mit mir vorbei gewesen. Doch bald darauf – seht Ihr – kamen die Boten, um Danusia nach Spychow zu geleiten, und ich lag noch immer auf dem Krankenlager. Da dachte ich, traun, nicht anders, als daß ich sie niemals wiedersehen werde, da dachte ich nicht anders, als daß Ihr sie nach Spychow zurückberufen hättet, um sie einem andern zum Weibe zu geben. In Krakau seid Ihr doch gegen mich gewesen. Auch glaubte ich, dem Tode verfallen zu sein. Hei, bei dem allmächtigen Gotte, was war das für eine Nacht! Nichts wie Jammer, nichts wie Schmerz! Mich dünkte, die Sonne scheine mir nicht mehr, wenn ich sie von mir lassen müsse! Ihr wißt doch auch, was Leid, was Schmerz heißt …«
Zbyszko vermochte nicht weiter zu reden. Thränen erstickten seine Stimme. Doch er faßte sich rasch wieder und fügte hinzu: »Es war schon Abend geworden, als die Boten eintrafen und erklärten, Danusia gleich mit sich nehmen zu müssen, davon wollte jedoch die Fürstin nichts hören. Sie befahl ihnen, den andern Morgen abzuwarten. Da gab mir der Herr Jesus den Gedanken ein, daß Danusia der Fürstin zu Füßen fallen und diese um ihre Einwilligung zur Trauung bitten möge. Wenn ich dann doch sterben muß, dachte ich, so ist mir wenigstens noch dieses Glück zu teil geworden. Bedenkt, das Mägdlein sollte von mir gehen, und ich lag schwer krank, dem Tode nahe, darnieder. Blieb mir da noch Zeit, erst Euere Einwilligung einzuholen? Der Fürst hatte den Jagdhof schon verlassen, die Fürstin schwankte unschlüssig hin und her, konnte sie sich doch bei niemand Rats erholen. Doch zuletzt fühlte sie, sowie Pater Wyszoniek Erbarmen mit mir – und Pater Wyszoniek gab mich und Euere Tochter zusammen … Im Namen Gottes, kraft der göttlichen Gesetze.«
Jurand aber fügte dumpf hinzu: »Das ist nun die Strafe Gottes!«
»Für wen soll dies eine Strafe sein?« fragte Zbyszko. »Erwägt doch, daß die Boten vor der Trauung anlangten, und daß, einerlei ob die Trauung stattgefunden haben würde oder nicht, Danusia mit ihnen hätte ziehen müssen.«
Aber Jurand erwiderte kein Wort. In sich gekehrt, finster und mit einem solch versteinerten Gesicht ritt er dahin, daß Zbyszko in tiefster Seele erschrak. Wohl fühlte letzterer eine gewisse Erleichterung, wie dies immer zu sein pflegt, wenn man ein langgehegtes Geheimnis offenbart hat, allein er fürchtete jetzt, der alte Ritter könne in seinem Groll verharren, und ihr Verhältnis werde sich noch fremder und unfreundschaftlicher als früher gestalten.
Und so bemächtigte sich denn plötzlich eine große Niedergeschlagenheit des jungen Ritters. Niemals zuvor, selbst damals nicht, als er sich von Bogdaniec aus auf den Weg machte, war ihm so schlimm zu Mute gewesen. Ihn dünkte jetzt, er dürfe weder auf eine Aussöhnung mit Jurand, noch auf die Rettung Danusias hoffen, alles erschien ihm in trübem Lichte, und mehr und mehr erfüllte ihn die Gewißheit, die Zukunft werde noch größeres Leid, noch größeres Unheil über ihn bringen. Doch diese verzweifelte Stimmung währte nicht lange. Seine kraftstrotzende Natur gewann bald wieder die Oberhand, und nur Kampf und Streit lagen ihm noch im Sinn. »Will er sich unversöhnlich zeigen,« sagte er sich, an Jurand denkend, »mag er es thun, was kümmert es mich!« Und er wäre in diesem Augenblicke sogar bereit gewesen, Jurand entgegenzutreten. Ihn drängte es, den Kampf mit irgend jemand aufzunehmen, es war ihm, als müsse er irgend etwas vollbringen, als müsse er sich Erleichterung verschaffen, indem er seinem Schmerz, seinem Grimme und seiner Erbitterung Ausdruck verlieh.
Sie hatten inzwischen die an einem Scheideweg gelegene und »Swietlik« genannte Schenke erreicht, wo Jurand gewöhnlich auf seiner Heimkehr von dem fürstlichen Hofe nach Spychow mit Leuten und Pferden Rast zu machen pflegte. So geschah denn dies auch jetzt wieder, und bald darauf befand sich Zbyszko mit Jurand in einer besonderen Stube. Plötzlich wandte sich letzterer zu dem jungen Ritter, schaute ihn durchdringend an und fragte: »Also hast Du Dich nur ihretwegen aufgemacht?«
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