Hier übermannte ihn der Zorn abermals derart, daß er nicht weiter zu reden vermochte. Erst nach Verlauf einiger Minuten setzte er hinzu: »Hei! Sie blasen und blasen so lange ins Feuer, bis sie ihre Schnauzen verbrennen.«
»Sie werden sich weißzuwaschen verstehen!« wiederholte der Priester Wyszoniek.
»Sobald Jurand erklärt, das Mägdlein werde von ihnen festgehalten, können sie sich nicht mehr rechtfertigen!« entgegnete Mikolaj aus Dlugolas etwas ungeduldig. »Ich glaube auch, daß sie über die Grenze entführt worden ist. Jurand hat, wie mich dünkt, recht, wenn er behauptet, sie sei in einer fernen Burg oder am einsamen Meeresgestade zu suchen. Nur muß der Beweis noch geliefert werden, dann wird sich der Meister nicht so leicht hinters Licht führen lassen.«
Mit einer gar seltsamen und geradezu Schrecken erregenden Stimme begann nun Jurand aber und abermals die Namen zu wiederholen: »De Löwe, Danveld, Godfryd und Rotgier!«
Einem entfesselten Orkane gleich machte sich seine wilde Verzweiflung Luft.
Dann jedoch ergriff Mikolaj aus Dlugolas von neuem das Wort. Er erteilte den Rat, man solle sofort umsichtige, gewandte Leute nach Preußen schicken, die könnten in Szeytno und Johannesburg in Erfahrung bringen, ob die Tochter Jurands sich dort befinde, oder, so dies nicht der Fall, wo sie gefangen gehalten werde. Unverweilt verließ nun der Fürst, den elfenbeinernen Stab in der Hand, die Stube, um die nötigen Weisungen zu erteilen, während die Fürstin sich in der Absicht zu Jurand wandte, ihn durch freundlichen Zuspruch aufzurichten.
»Wie ist Euch?« fragte sie.
Gerade als ob Jurand die Frage gar nicht vernommen habe, antwortete er anfänglich kein Wort, dann aber rief er plötzlich: »Die alten Wunden sind aufs neue aufgerissen worden!«
»Vertraut auf die Barmherzigkeit Gottes! Danusia kehrt zu Euch zurück, sobald Ihr de Bergow ausgeliefert habt.«
»Des eigenen Lebens will ich nicht schonen.«
Die Fürstin schwankte, ob sie Jurand nicht jetzt von der Trauung Mitteilung machen solle, allein sie konnte sich doch nicht dazu entschließen. Sollte sie dein ohnehin schon so unglücklichen Vater neuen Kummer bereiten? Nein, das vermochte sie nicht, und zudem hielt sie auch eine gewisse Furcht davon ab. »Gemeinsam mit Zbyszko wird er ja sein geliebtes Kind suchen, möge ihm dieser alles auseinandersetzen,« sagte sie sich. »Jetzt würde der Bedauernswerte vielleicht durch eine solche Kunde vollends darnieder gebeugt werden.« So gab sie denn dem Gespräche eine andere Wendung.
»Ihr werdet uns gewiß nicht verantwortlich machen wollen,« hub sie an. »Die Leute trugen Eure Farben, durch ein mit Eurem Siegel versehenes Schreiben wurde uns die Kunde, welch schwerer Unfall Euch betroffen habe, daß Euch völlige Erblindung drohe, und daß Ihr Euch darnach sehntet, Euer Kind noch einmal zu sehen.«
Jurand umfaßte die Knie der Fürstin.
»Ich mache Euch für nichts verantwortlich, erlauchte Frau!« sprach er.
»Dessen dürft Ihr aber gewiß sein, Gott wird Euch das Kind wieder zurückführen, denn sein Auge wacht über es. Er wird Danusia aus der Not erretten, wie er sie aus der Gefahr errettet hat, als jüngsthin bei der Jagd der grimmige Auerochse sich auf uns stürzen wollte – von unserm Herrn Jesus gestählt, schützte uns Zbyszko. Nicht wenig Lebenskraft büßte er dadurch ein, und lange lag er siech darnieder, uns aber, Danusia und mich, hat er beschützt, wofür ihm der Fürst Gürtel und Sporen verliehen hat. Glaubt mir! Gottes Hand schwebt über ihr. Schwer wird das arme Kind zu leiden haben, das ist gewiß, denn tiefes Herzeleid empfinde auch ich. Ich malte mir aus, wie Danusia bei Euch weilen, wie sie von Euch auf das liebevollste behütet werde, und nun …«
Ihre Stimme brach mit einem Male ab, Thränen stürzten aus ihren Augen. Da war es aber auch mit Jurands erzwungener Fassung vorbei. Einem entfesselten Orkane gleich machte sich seine wilde Verzweiflung Luft. Mit beiden Händen fuhr er sich in seine langen Haare, an den Wänden schlug er sich fast das Haupt blutig, laut stöhnte er und schrie immer wieder von neuem auf: »Jesus! Jesus! Jesus!«
Da sprang Zbyszko auf ihn zu, und ihn mit aller Kraft an den Schultern schüttelnd, rief er: »Kommt, machen wir uns auf den Weg! Auf nach Spychow!«
Inhaltsverzeichnis
»Wessen Gefolge ist dies?« fragte Jurand plötzlich, in der Nähe von Radzanow aus seinem Brüten wie aus einem Traume emporfahrend.
»Das meine!« antwortete Zbyszko.
»So sind meine Leute alle umgekommen?«
»Bei Niedzborz sah ich sie tot dahingestreckt.«
»Die alten Gefährten, sie sind dahin.«
Zbyszko antwortete nichts. Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Sie wollten Spychow so rasch wie möglich erreichen, hofften sie doch, dort Abgesandte der Kreuzritter zu finden. Die durch den nun eingetretenen Frost fest gefrorenen Wege begünstigten ein schnelles Vorwärtskommen. Gegen Abend knüpfte Jurand wieder ein Gespräch an. Er erkundigte sich eingehend nach den Ordensbrüdern, welche sich in dem Jagdhofe eingestellt hatten, und Zbyszko schilderte alles genau, indem er erzählte, wie schroff jene vor ihrem Weggange aufgetreten waren, indem er von dem Tode des Herrn de Fourcy, von dem Erlebnis des Böhmen sprach, der de Danveld in solch fürchterlicher Weise verletzt hatte. Und während er dies auseinandersetzte, fiel ihm immer wieder unwillkürlich ein Umstand auf. Wie verhielt es sich mit jenem Weibe, das von Danveld geschickt, den Balsam auf den Jagdhof gebracht hatte? Bei der Fütterung der Pferde fragte er daher sowohl den Böhmen wie Sanderus nach ihr, allein keiner von beiden wußte eigentlich recht, was mit ihr geschehen war. Sie vermuteten jedoch, sie habe sich gleichzeitig mit den bei Danusia eingetroffenen Boten, oder bald nach diesen auf die Heimfahrt gemacht. Zbyszko schoß jetzt der Gedanke durch den Kopf, ob nicht die Frau zu dem Zwecke geschickt worden sei, die Boten zu warnen, falls Jurand in eigener Person bei dem Fürsten eintreffen sollte. Es wäre ja dann für die Leute ein leichtes gewesen, ihrer Sendung aus Spychow gar nicht zu erwähnen, sondern dem Fürsten statt des Briefes von Jurand irgend ein anderes Schreiben zu überreichen, das sie wohl für den Notfall schon bei sich führen mochten. Mit welch teuflischer Geschicklichkeit war all dies doch eingefädelt worden! Eine Reihe von Kämpfen hatte er geglaubt zur Rettung Danusias bestehen zu müssen, jetzt aber begriff er, daß er ganz andere Wege einzuschlagen habe, um sein junges Weib zu retten, zu befreien. Seinen Verstand mußte er dabei zu Rate halten, und je mehr er sich dieser Thatsache bewußt ward, desto mehr bedauerte er die Abwesenheit seines Ohms, denn Macko war ebenso schlau wie tapfer. Nach reiflichem Ueberlegen faßte Zbyszko indessen den Plan, von Spychow aus Sanderus nach Szcytno zu senden, damit dieser nach jenem Weibe forsche, um möglicherweise von ihr zu erfahren, was mit Danusia geschehen war. Wohl sagte er sich, Sanderus fände dabei gar viel Gelegenheit, wenn er ihn betrügen wolle, im entgegengesetzten Falle könne er ihm aber auch unschätzbare Dienste erweisen, da ihm durch seinen Handel überall Thür und Thor offen stand.
Ueber dieses Vorhaben wollte er sich mit Jurand beraten, aber erst nach ihrer Ankunft in Spychow, denn es wurde Nacht und ihm dünkte, Jurand sei auf seinem hohen Reitsattel vor Müdigkeit, Erschöpfung und schwerer Sorge eingeschlafen. Allein dieser ritt nur deshalb so gebeugt dahin, weil ihn sein Unglück darnieder drückte. Augenscheinlich dachte er an nichts anderes, offenbar erfüllten schlimme Befürchtungen sein Herz, hub er doch plötzlich wieder an: »Mir wäre besser, wenn mich der Tod bei Niedzborz ereilt hätte! Hast Du mich aus dem Schnee ausgegraben?«
»Ja, mit den andern!«
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