Und sie gingen zu Jurand. Eine feuchte Wärme herrschte in der Stube, die auch hell erleuchtet war, da ungeheure Holzscheite im Krankenzimmer brannten. Der Pater Wyszoniek wachte bei dem Kranken, welcher in Bärenfelle gehüllt, mit bleichem Antlitz und geschlossenen Augen auf dem Bette lag. Seine Haare waren von dem Schweiß dicht zusammengeballt, seine Lippen geöffnet und er atmete so schwer und mühsam, daß sich die Decken über seiner Brust unablässig hoben und senkten.
»Wie steht es mit ihm?« fragte die Fürstin.
»Ich goß ihm einen ganzen Krug mit warmem Wein ein, und er geriet dann in Schweiß,« antwortete Pater Wyszoniek.
»Schläft er oder schläft er nicht?«
»Ich weiß nicht, ob er schläft. Er ist sehr unruhig.«
»Und versuchtet Ihr schon mit ihm zu sprechen?«
»Ja, ich versuchte es allerdings, doch gab er keine Antwort, und daher glaube ich, daß er vor Tagesanbruch schwerlich sprechen wird.«
»Warten wir also bis Tagesanbruch.«
Pater Wyszoniek drang nun inständig in sie, sich zur Ruhe zu begeben, doch hörte sie nicht auf ihn. Es war stets ihr Streben, den christlichen Tugenden der verstorbenen Königin Jadwiga nachzuahmen und es ihr auch in der Krankenpflege gleichzuthun, um durch solche Dienste die Seele ihres Vaters zu erlösen. So versäumte sie denn keine Gelegenheit, um in dem Reiche, das schon seit langer Zeit ein christliches war, alle andern durch ihren Glaubenseifer zu übertreffen, weil es in Vergessenheit geraten sollte, daß sie das Kind heidnischer Eltern war.
Zudem brannte sie vor Ungeduld, aus Jurands Munde etwas von Danusia zu erfahren, da sie sich ihretwegen noch nicht beruhigt fühlte. Nachdem sie am Lager Platz genommen hatte, begann sie den Rosenkranz zu beten und schlummerte dann allgemach ein. Zbyszko, der noch nicht ganz genesen war, sich auch durch den nächtlichen Ritt allzusehr angestrengt hatte, folgte ihrem Beispiel und bald schliefen beide so fest, daß sie vielleicht erst am hellen Tage erwacht wären, wenn nicht um die Morgendämmerung das Glöckchen der Schloßkapelle an ihre Ohren gedrungen wäre. Aber dies erweckte sie und Jurand. Er öffnete die Augen, richtete sich plötzlich im Bett auf und blickte umher.
»Gelobt sei Jesus Christus! … Wie fühlt Ihr Euch?« fragte die Fürstin.
Offenbar kehrte aber sein Bewußtsein nur langsam zurück, da er sie zuerst ansah, wie wenn er sie nicht erkenne, und dann ausrief: »Halt! Halt! Grabt hier im Schnee!«
»Um Gotteswillen! Ihr seid ja schon in Ciechanow!« ließ sich die Fürstin wieder vernehmen.
Doch Jurand runzelte die Stirne, als ob er nur mit Mühe seine Gedanken zu sammeln vermöge, und erwiderte: »In Ciechanow? Das Kind wartet und … der Fürst und die Fürstin … Danuska! Danuska!«
Und plötzlich die Augen schließend, sank er wieder in die Kissen zurück. Zbyszko sowie die Fürstin befürchteten, er sei tot, doch in diesem Augenblick begann er tief und gleichmäßig zu atmen wie ein Mensch, den ein gesunder Schlaf umfangen hält.
Pater Wyszoniek legte den Finger auf den Mund, zum Zeichen, daß man ihn nicht erwecke, dann sagte er leise: »vielleicht schläft er so den ganzen Tag hindurch.«
»Ja, aber was wollte er denn sagen?« fragte die Fürstin.
»Er sagte: Das Kind wartet in Ciechanow!« antwortete Zbyszko.
»Weil er noch nicht vollständig zum Bewußtsein gekommen ist,« erklärte der Pater.
Inhaltsverzeichnis
Pater Wyszoniek befürchtete, Jurand könne von einem hitzigen Fieber ergriffen und auf lange Zeit hinaus der Besinnung beraubt werden. Indessen versprach er der Fürstin und Zbyszko, es ihnen mitzuteilen, sobald der alte Ritter etwas verlange, und als sie sich entfernt hatten, begab er sich ebenfalls zur Ruhe. In der That kam Jurand erst am zweiten Festtage um die Mittagszeit wieder zu völligem Bewußtsein. Die Fürstin sowie Zbyszko waren gerade anwesend. Als der Kranke sich auf seinem Lager aufgerichtet hatte, schaute er sie an, und da er sie erkannte, sagte er, »Gnädige Herrin! … Bei Gott, dem Allbarmherzigen, bin ich denn in Ciechanow?«
»Ja, und den Festtag habt Ihr verschlafen,« entgegnete die Fürstin.
»Unter dem Schnee bin ich verschüttet gewesen. Wer hat mich gerettet?«
»Dieser Ritter, Zbyszko aus Bogdaniec. Aus Krakau her werdet Ihr Euch seiner erinnern.«
Einen Augenblick betrachtete Jurand den Jüngling mit seinem gesunden Auge, dann sagte er: »Wohl, ich erinnere mich … Und wo befindet sich Danusia?«
»Hat sie sich denn nicht mit Euch auf den Weg gemacht?« fragte die Fürstin beunruhigt.
»Wie wäre dies möglich gewesen, da ich mich zu ihr begeben wollte?«
In der Meinung, daß Jurand im Fieber spreche, blickten Zbyszko und die Fürstin einander an. Dann sagte die Herrin: »Kommt doch zu Euch. Gerechter Gott! Ist Danusia denn nicht bei Euch in Spychow gewesen?«
»Danusia? Bei mir?« fragte Jurand voll Verwunderung.
»Euere Leute sind alle zu Grunde gegangen, und nach Danusia hat man vergeblich gesucht. Warum habt Ihr sie in Spychow zurückgelassen?«
Doch er wiederholte nochmals und in etwas ängstlichem Tone: »In Spychow? Bei Euch, gnädige Herrin, ist sie ja gewesen, nicht bei mir.«
»Aber Ihr sandtet doch ihrethalben Euere Leute mit einem Schreiben in den Jagdhof?«
»Im Namen des Vaters und des Sohnes!« rief Jurand aus. »Ich habe niemand nach ihr ausgesandt.«
Da ward die Fürstin totenbleich.
»Was bedeutet dies?« sagte sie. »Seid Ihr denn auch wirklich Euerer Sinne mächtig?«
»Beim allbarmherzigen Gott, wo ist mein Kind?« schrie Jurand auffahrend.
Als Pater Wyszoniek diese Worte vernahm, eilte er plötzlich aus der Stube. Die Fürstin aber fuhr fort: »Hört nur! Eine Anzahl Bewaffneter kam mit einem Schreiben von Euch in den Jagdhof. In dem Briefe stand, Ihr wärt bei einer Feuersbrunst durch einen herabfallenden Balken verletzt worden … wärt fast erblindet und wolltet das Kind noch einmal sehen … Und sie führten Danusia mit sich fort …«
»Wehe mir!« rief Jurand. »Spychow ist weder von einer Feuersbrunst heimgesucht worden, noch habe ich nach meiner Tochter geschickt, so wahr ein Gott im Himmel ist.«
Jetzt kehrte der Pater Wyszoniek mit einem Briefe in der Hand zurück, reichte ihn dar und fragte: »Ist dieser Brief an die Fürstin nicht von Euerem Geistlichen?«
»Ich weiß nichts davon.«
»Und das Siegel?«
»Ist das meine. Was enthält der Brief?«
Pater Wyszoniek begann zu lesen, und während Jurand zuhörte, drückte er wie verzweifelt beide Hände an seine Schläfen. Dann sagte er: »Das Schreiben ist gefälscht … Das Siegel nachgemacht. Wehe meiner armen Seele! Mein Kind ist für mich verloren. Sie haben es mir entführt.«
»Wer?«
»Die Kreuzritter!«
»Bei den Wundmalen des Erlösers! Der Fürst muß sofort einen Gesandten an den Meister schicken!« rief die Herrin aus. »Allbarmherziger Jesus, rette sie, schütze sie!«
Und vor Schmerz laut aufschluchzend, eilte Anna Danuta aus der Stube. Jurand sprang von seinem Lager empor und warf in fieberhafter Hast seine Gewänder über die mächtigen Schultern. Zbyszko dagegen saß anfänglich wie versteinert da, plötzlich aber ballte er zähneknirschend die Hände.
Jetzt trat Pater Wyszoniek auf Jurand zu. »Woher wißt Ihr denn so bestimmt, daß sie von den Kreuzrittern geraubt worden ist?«
»Ich schwöre es bei den Wundmalen des Erlösers.«
»Laßt einmal sehen! … Ja, ja, das ist wohl möglich. Sie sind ja eigens auf den Jagdhof gekommen, um gegen Euch Klage zu führen. Sie wollten sich an Euch rächen …«
»Und sie haben Danusia entführt!« schrie Zbyszko auf.
Spornstreichs aus der Stube stürzend, sprang er in den Stall und gebot, die Wagen anzuspannen, die Pferde zu satteln, ohne sich selbst klar darüber zu sein, weshalb er dies that. Er wurde nur von dem dunkeln Gefühle getrieben, daß er sich zur Rettung Danusias aufmachen, daß er, wenn nötig, bis nach Preußen ziehen müsse. Dort wollte er sein junges Weib entweder den Händen der Feinde entreißen oder selbst zu Grunde gehen.
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