Unverweilt kehrte er hierauf in die Kemenate zurück, um Jurand über alles Mitteilung zu machen, zweifelte er doch keinen Augenblick daran, daß dieser mit ihm ziehen werde. Ingrimm, Schmerz und Leid zerrissen ihm das Herz. Allein er verlor trotz alledem nicht die Zuversicht. Ihn dünkte, in Gemeinschaft mit dem gefürchteten Ritter aus Spychow könne er alles ausrichten, im Verein mit jenem könne er selbst gegen die geschlossene Macht der Kreuzritter ankämpfen.
In der Stube traf Zbyszko jetzt außer Jurand, dem Pater Wyszoniek und den Frauen auch den Fürsten mit Herrn de Lorche und dem alten Herrn aus Dlugolas an. Kaum hatte nämlich der Fürst von dem Vorkommnis Kunde erhalten, so hatte er letzteren zu sich entboten. Der alte Herr aus Dlugolas zeichnete sich nicht nur durch seinen großen Verstand aus, sondern er kannte auch die Verhältnisse bei den Kreuzrittern ganz genau, war er doch lange Jahre in deren Gefangenschaft gewesen. Er sollte daher an den Beratungen teilnehmen.
»Es ist vor allem Vorsicht geboten. Man darf sich nicht zu einer Uebereilung hinreißen lassen, denn sonst wäre das Mägdlein verloren,« erklärte der Herr aus Dlugolas, als er um seine Ansicht befragt ward. »Es muß sofort eine Beschwerde bei dem Meister eingebracht werden, und wenn Eure fürstliche Gnaden mir ein Schreiben ausstellen will, bin ich bereit, es jenem zu überbringen.«
»Das Schreiben sollt Ihr unverzüglich erhalten!« rief der Fürst. »Mit Hilfe Gottes und des heiligen Kreuzes wird die Jungfrau gerettet werden. Der Meister fürchtet sich vor einem Kriege mit dem polnischen König und es liegt ihm daran, mit meinem Bruder Semko und mir in Frieden zu leben. Sicherlich ist das Mägdlein ohne seine Zustimmung entführt worden, sicherlich gebietet er, es wieder auszuliefern.«
»Wenn jedoch alles mit seiner Erlaubnis geschehen wäre?« fragte der Priester Wyszoniek.
»Wenngleich er auch ein Kreuzritter ist, so zeichnet er sich doch durch seine Ehrbarkeit vor allen andern aus,« entgegnete der Fürst, »und wie ich Euch schon sagte, wird er jetzt weit eher meinen Wünschen entgegenkommen, als meinen Zorn heraufbeschwören wollen. Jagiellos Macht ist nicht zu verachten. Hei, sie haben mir genug zugesetzt, so lange sie konnten, aber jetzt wird es ihnen schlecht ergehen, wenn die Masuren dem Jagiello beistehen.«
Der Herr aus Dlugolas ließ sich aber nun also vernehmen: »Das ist wahr. Die Kreuzritter thun niemals etwas ohne Grund. Meinem Dafürhalten nach haben sie daher das Mädchen nur deshalb geraubt, um Jurand das Schwert aus der Hand zu winden und entweder Lösegeld für sie zu erhalten oder sie gegen einen Gefangenen auszuwechseln.«
Dann wandte er sich an den Herrn aus Spychow und fragte: »Wen haltet Ihr gegenwärtig in Euren Kerkern gefangen?«
»De Bergow,« antwortete Jurand.
»Genießt dieser Ritter ein gewisses Ansehen?«
»So viel ich weiß, ist dies der Fall.«
Kaum hatte indessen de Lorche den Namen des Herrn de Bergow vernommen, so erkundigte er sich genau über alles, was vorgegangen war, und erklärte schließlich: »Es ist ein Blutsverwandter des Gebieters über Geldripa, eines großen Wohlthäters des Ordens, und entstammt daher einem Geschlechte, das sich unendliche Verdienste um die Ordensbrüder erworben hat.«
»Ja, ja, so ist es,« ließ sich jetzt der Herr aus Dlugolas vernehmen, indem er den Anwesenden die Worte de Lorches verdolmetschte. »Gar viele Mitglieder der Familie de Bergow haben hohe Würdenstellen in dem Orden bekleidet.«
»Deshalb haben Danveld und de Löwe immer wieder in höchster Erregung dessen Namen genannt!« warf der Fürst ein. »So oft sie auch nur den Mund öffneten, forderten sie die Freilassung de Bergows. Bei Gott im Himmel, sie haben sich des Mädchens nur deshalb bemächtigt, um de Bergows Freilassung zu erwirken.«
»Und sie werden Danusia unverweilt ausliefern!« ergriff nun der Priester das Wort.
»Vor allem müssen wir aber wissen, wo sich das Mägdlein befindet,« sagte der Herr aus Dlugolas. »Denn angenommen, der Meister frägt: ›Wem soll ich befehlen, daß er die Geraubte ausliefere?‹ Was können wir ihm antworten?«
»Wo Danusia ist?« bemerkte Jurand in dumpfem Tone. »Gewiß ist sie über die Grenze gebracht worden, aus Furcht, sie könne befreit werden, wenn sie nicht an der fernen Weichsel oder am Meere in Gefangenschaft weilt.«
»Ich finde sie! Ich befreie sie!« rief nun Zbyszko.
Der Fürst aber, der sich nicht langer bezwingen konnte, brach in wildem Zorne los: »Von meinem Jagdhofe hinweg haben sie sie geraubt! Schimpf haben sie mir angethan, und das verzeihe ich ihnen nicht, so lange ich lebe! Genug der Treulosigkeit, genug der Verräterei! Jeder Wärwolf wäre mir als Nachbar willkommener! Doch der Meister muß die Komture bestrafen, er muß das Mädchen ausliefern und meine Verzeihung durch Gesandte erflehen. Sonst mag er sich vorsehen!«
Und mit der Faust auf den Tisch schlagend, fuhr er fort: »Traun, er sehe sich vor! Mein Bruder aus Plock steht hinter mir, sowie Witold und der mächtige König Jagiello! Genug der Langmut! Weg mit der frommen Geduld, ich habe genug davon!«
Die Beratung stockte, verstummten doch alle bei diesem Zornesausbruch des Fürsten. Anna Danuta aber gewährten diese Worte großen Trost, denn nun wußte sie, wie sehr ihm das Schicksal Danusias am Herzen lag, nun wußte sie, daß Janusz, der ebenso hartnäckig wie geduldig war, nicht eher Ruhe gebe, als bis er sein Ziel erreicht haben werde.
Das herrschende Schweigen wurde schließlich durch die Worte des Paters Wyszoniek unterbrochen.
»Einstens zeichnete sich der Orden durch große Zucht aus,« sagte er, »und kein Komtur wagte auf eigene Hand, ohne Erlaubnis des Kapitels oder des Meisters etwas zu unternehmen. Deshalb verlieh ihnen auch unser Herr und Gott so große Gewalt, daß ihre Macht über weite Länderstrecken reicht. Jetzt aber ist bei ihnen alles ganz anders geworden. Weder Zucht noch Recht kennen sie, weder Ehrbarkeit noch Glaube. Nichts ist ihnen heilig. Voll Tücke und Bosheit, gleichen sie weit eher Wölfen als Menschen. Wie sollten sie auf die Gebote des Meisters oder des Kapitels hören, so sie nicht einmal die göttlichen Gebote achten? Ein jeder von ihnen sitzt gleich einem unabhängigen Fürsten auf seiner Burg, einer unterstützt den andern in seinen schlimmen Thaten. Sobald dem Meister eine Beschwerde vorgebracht wird, wissen sie sich weiß zu waschen. Angenommen nun, der Meister befiehlt ihnen, das Mägdlein auszuliefern, sie aber leisten dem Befehle keine Folge, sondern sprechen also: ›Die Gesuchte befindet sich nicht bei uns, wir haben sie nicht geraubt!‹ Was bleibt uns dann zu thun übrig?«
»Was zu thun ist?« ließ sich der Herr aus Dlugolas vernehmen. »Jurand mag nach Spychow zurückkehren. Wenn sie das Mägdlein des Lösegeldes wegen geraubt haben, oder wenn er für Herrn de Bergow ausgeliefert werden soll, so müssen sie doch jemand davon benachrichtigen, und kein anderer wie Jurand kann dies sein.«
»Die, welche auf den Jagdhof gekommen sind, haben Danusia geraubt!« meinte der Priester.
»Dafür wird sie der Meister vor Gericht fordern oder ihnen befehlen, daß sie sich Jurand zum Kampfe stellen.«
»Mir müssen sie sich stellen!« rief nun Zbyszko, »mir muß dies Recht vor allen andern eingeräumt werden.«
Jurand aber richtete sein Antlitz, das er in die Hände verborgen hatte, empor und fragte: »Wer von den Kreuzrittern ist auf dem Jagdhofe gewesen?«
»Danveld, der alte de Löwe und die beiden Brüder Godfryd und Rotgier,« entgegnete Pater Wyszoniek. »Sie führten Klage und verlangten, der Fürst möge Euch befehlen, de Bergow in Freiheit zu setzen. Der Fürst aber, der von de Fourcy hörte, daß die Deutschen die Angreifer waren, wies sie ab, gestand ihnen kein Recht zur Klage zu.«
»Begebt Euch nach Spychow,« ergriff nun auch Janusz das Wort, »denn dort werden sie ihre Ansprüche geltend machen. Wenn der Knappe des jungen Ritters hier dem de Danveld nicht das Handgelenk verrenkt hätte, wäre dies schon längst geschehen. Begebt Euch nach Spychow, und so sie eine Meldung schicken, laßt es mich wissen. Wohl mögen sie Euch das Mägdlein für de Bergow ausliefern, meiner Rache werden sie jedoch nicht entgehen. Schmach haben sie mir angethan, denn aus meinem Jagdhofe haben sie das Mägdlein hinweggeführt.«
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