»Von Räubern, die das Kreuz auf dem Mantel tragen.«
»Nein. Aber es gelang den Brüdern, das Mägdlein zu befreien, und jetzt ist es bei ihnen.«
»Wo ist sie, frage ich!«
»Sie steht unter dem Schutze des Bruders Szomberg!« erwiderte das Weib, die Arme über die Brust kreuzend und sich demütig vor Jurand neigend.
Als Jurand den Namen des entsetzlichen Henkersknechtes von Witolds Kindern nennen hörte, wurde er bleich wie der Tod. Die Augen schließend, sank er auf die Bank nieder, indem er sich mit der Hand den kalten Schweiß von der Stirne trocknete.
Bei diesem Anblick schlich der Pilger, der bis jetzt seine Angst nicht zu bemeistern vermocht hatte, von der Seite herbei, ließ sich auf die Bank nieder, zog die Füße nach und schaute voll Hochmut und Dünkel auf den Gebieter von Spychow.
Dann trat ein langes Schweigen ein.
»Der Bruder Markwart bewacht sie gemeinsam mit dem Bruder Szomberg!« ergriff schließlich das Weib wieder das Wort. »Das Jüngferchen steht daher unter sicherem Schutze, es wird keine Kränkung erleiden müssen.«
Die Pilgerin näherte sich rasch dem Gebieter von Spychow und flüsterte ihm zu: »Euere Tochter ist von Räubern entführt worden.«
»Was habe ich zu thun, damit sie mir zurückgegeben werde?« fragte Jurand.
»Euch vor dem Orden zu demütigen!« erwiderte der Pilger voll Hochmut.
Als Jurand diesen Ausspruch vernahm, erhob er sich langsam von seinem Sitze, trat auf den Pilger zu, beugte sich zu ihm herab und sagte mit dumpfer, furchtbarer Stimme: »Ihr habt zu schweigen!«
Eine furchtbare Angst bemächtigte sich aufs neue des Pilgers. Wohl wußte er, daß es seinerseits nur einer Drohung, nur einiger Worte bedurfte, um Jurand völlig darnieder zu schmettern, allein er fürchtete, es werde ihm beim ersten Worte, das ihm über die Lippen komme, etwas Entsetzliches zustoßen. So schwieg er denn. Mit zitternden Knien, sonst aber fast unbeweglich, wie erstarrt vor Schrecken, saß er da, die großen runden Augen auf das furchterregende Antlitz des Gebieters von Spychow gerichtet.
Letzterer wandte sich aber nun wieder dem Weibe zu.
»Habt Ihr ein Schreiben bei Euch?« fragte er.
»Nein, o Herr, wir haben kein Schreiben bei uns. Was wir zu melden haben, befahl man uns, mündlich zu thun.«
»So sprecht denn.«
Und sie wiederholte noch einmal, damit sich Jurand ja alles gut ins Gedächtnis einpräge: »Der Bruder Markwart bewacht sie gemeinsam mit dem Bruder Szomberg, deshalb mäßigt Euern Groll, o Herr. Ihr geschieht kein Leid. Denn wenn gleich Ihr seit vielen Jahren dem Orden schwere Kränkungen zugefügt habt, gedenken doch die Brüder Böses mit Gutem zu vergelten, wofern ihre gerechten Forderungen erfüllt werden.«
»Was fordern sie von mir?«
»Sie verlangen, daß Ihr den Herrn de Bergow freigebt.«
Jurand atmete tief auf.
»Ich liefere ihnen de Bergow aus!« erklärte er.
»Wie auch die andern Gefangenen, die Ihr in Spychow habt.«
»Außer den Knechten sind dies die beiden Knappen von Majneger und von de Bergow.«
»Ihr müßt sie freilassen, o Herr, und sie für ihre Gefangenschaft entschädigen.«
»Verhüte Gott, daß ich feilsche, wenn es sich um mein Kind handelt.«
»Das erwartet auch der Orden nicht anders von Euch,« fuhr das Weib fort, »allein dies ist noch nicht alles, was mir befohlen ward, Euch zu melden. Euere Tochter, o Herr, ist von irgend welchen Leuten und sicherlich deshalb entführt worden, um Lösegeld von Euch zu erhalten … Den Brüdern aber gelang deren Befreiung – und jetzt verlangen sie nichts weiter von Euch, als daß Ihr ihnen die Gefährten, die Gäste ausliefert. Dann aber sollt Ihr selbst, der Fürst dieses Landes, und alle hervorragenden Ritter aussagen – wie es ja auch der Wahrheit entspricht – nicht die Ritter, sondern Räuber hätten Euere Tochter entführt, und von den Räubern müßtet Ihr sie loskaufen.«
»Gut,« ließ sich Jurand vernehmen, »mein Kind ward von Räubern entführt, und ich muß es auslösen.«
»Keinem Menschen dürft Ihr etwas anderes sagen, denn wenn es nur ein Mensch erfährt, daß Ihr Euch mit den Brüdern verständigt habt, wenn auch nur eine lebende Seele eine Ahnung davon erhält, wenn irgend eine Klage zu dem Meister oder zu dem Kapitel dringt – dann werdet Ihr Schlimmes über Euch heraufbeschwören.«
Große Unruhe malte sich auf Jurands Zügen. Im ersten Augenblick war ihm die Angst der Komture, zur Rechenschaft gezogen zu werden, und daher deren Forderung, das Vorkommnis als Geheimnis zu betrachten, ganz natürlich erschienen, jetzt aber regte sich plötzlich der Argwohn in ihm, es könne dem allem noch eine andere Ursache zu Grunde liegen. Da er sich aber darüber keine Rechenschaft zu geben vermochte, erfaßte ihn eine entsetzliche Angst, eine Angst, die über die mutigsten Menschen zu kommen pflegt, wenn nicht sie selbst, sondern die ihrem Herzen am nächsten Stehenden von einer großen Gefahr bedroht werden.
Zuvörderst beschloß er indessen, die Abgesandte noch genauer auszuforschen.
»Die Komture wollen das Vorkommnis als Geheimnis betrachtet haben,« bemerkte er daher, »wie läßt sich aber das Geheimnis wahren, wenn ich für mein Kind de Bergow und all die andern freigeben soll?«
»Ihr sagt, Ihr hättet für Herrn de Bergow Lösegeld genommen und mit diesem Gelde die Räuber bezahlt.«
»Kein Mensch wird dies glauben, denn noch niemals habe ich Lösegeld genommen,« warf Jurand ein.
»Es hat sich auch noch niemals um Euer Kind gehandelt,« erklärte die Dienerin in klagendem Tone.
Abermals trat ein längeres Schweigen ein. Endlich ließ sich der Pilger, dessen Lebensgeister sich in der Voraussetzung wieder gehoben hatten, Jurand werde sich jetzt mehr Zwang auferlegen, also vernehmen: »So ist der Wille der Brüder Szomberg und Markwart.«
Die Frau aber hub wieder an: »Ihr sagt aus, der Pilger, welcher mit mir gekommen ist, habe Euch das Lösegeld gebracht, wir aber machen uns sofort mit dem edlen Herrn de Bergow und mit den andern Gefangenen auf den Weg.«
»Wie,« entgegnete Jurand, die Brauen runzelnd, »glaubt Ihr wohl, daß ich Euch die Gefangenen ausliefere, ehe Ihr mir mein Kind zurückgebt?«
»Ihr müßt Euch sogar noch zu etwas anderem verstehen, o Herr. Nach Szcytno müßt Ihr Euch begeben, wohin die Brüder Euere Tochter bringen werden.«
»Ich? Nach Szczytno?«
»Denn angenommen, sie würde aufs neue unterwegs von Räubern ergriffen, dann wären nicht nur Euer Gefolge sondern alle hier ansässigen Leute nur zu gerne bereit, die Brüder dafür verantwortlich zu machen. Deshalb sind letztere vornehmlich darauf bedacht, nur Euch selbst Euere Tochter auszuliefern.«
Jurand begann in der Stube auf und ab zu schreiten. Ihm ahnte, daß ihm ein Fallstrick gedreht werde, und schwere Sorge bemächtigte sich seiner. Doch, was sollte er thun? Die Kreuzritter konnten ihm irgend eine Bedingung stellen – er war machtlos ihnen gegenüber.
Plötzlich schien ihm indessen ein guter Gedanke zu kommen. Er blieb vor dem Pilger stehen, schaute ihn durchdringend an und wandte sich dann dem Weibe zu: »Gut, ich gehe nach Szczytno. Ihr aber und dieser Mensch, der das Gewand eines Pilgers trägt, Ihr bleibt bis zu meiner Rückkehr hier. Erst dann könnt Ihr mit de Bergow und mit den Gefangenen weiterziehen.«
»Ihr wollt den Ordensbrüdern keinen Glauben schenken, o Herr!« warf hier der Pilger ein, »wie sollen sie daher das Vertrauen in Euch setzen, daß Ihr uns und de Bergow nach Euerer Rückkehr entlaßt?«
Totenblässe überzog Jurands Antlitz und seine Züge verzerrten sich in einer Weise, daß es während eines Augenblicks den Anschein hatte, als ob er den Pilger an der Brust packen und ihn zu Boden werfen wolle – gleich darauf wurde er aber seiner Erregung wieder Herr, er atmete tief auf und sagte ruhig, allein in eindringlichem Tone: »Wer Ihr auch sein mögt, hütet Euch, meine Geduld auf allzugroße Probe zu stellen!«
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