Anne-Marie Donslund und Inez Gavilanes
Einfach total typisch Helena. Super schicke Geburtstagseinladungen! Mit einem abgefahrenen Bild, das sie in einem richtigen Atelier hat machen lassen – so richtig mit professionellem Fotografen, Stylist und allem drum und dran.
Ihre Eltern fanden nämlich nicht, dass dieser Amateur von Schulfotograf ihre Schokoladenseite richtig getroffen hatte. Ich konnte nicht so genau sehen, was sie damit meinten. Also bis jetzt. Auf diesem Bild hier sieht sie aus wie ein Model; genau wie im echten Leben. Gerade jetzt geht Helena wie auf dem Catwalk durch das Klassenzimmer und verteilt Einladungen an alle Mädchen, die sich vor Neid auf die Lippen beißen.
Julie und ich sehen uns an. Wir sind nicht neidisch. Wir sind Helenas beste Freundinnen und Freundinnen sind nicht neidisch darauf, dass die eine zum Beispiel grade dabei ist, Fotomodel zu werden.
Helenas Mutter hat die Fotos nämlich auch an die „First Models“- Agentur geschickt.
„Jetzt muss ich nur warten und sehen, ob sie anrufen“, sagte Helena als sie uns davon erzählte während sie ein Hollywood-Lächeln aufsetzte. Ich habe keine Ahnung, wie sie das anstellt. Immer wenn ich es versuche, fühlt es sich so an, als wäre mein Mund aus Wachs.
Die rufen garantiert an, also die Model-Agentur. Helena eignet sich garantiert super zum Modeln. Sie posieren super; sowohl vor der Kamera als auch vor der Klasse.
Endlich ist sie fertig mit dem Verteilen der Einladungen und wir rechnen damit, dass sie sich wieder hinsetzt. Aber dem ist nicht so. Sie bleibt stehen, wirft einen Blick über die Schulter und lächelt Julie und mich an.
Und dann beginnt sie, Umschläge an die Jungs zu verteilen… Das gibt´s doch nicht!
„Kommen die Jungs auch?“, flüstere ich Julie zu.
„Das war bestimmt das Geheimnis, von dem sie uns nichts verraten wollte.“, flüstert Julie zurück.
Irgendwie stört mich das unglaublich. „Ich dachte, es hätte mit etwas anderem zu tun; irgendwas mit dem, was wir an ihrem Geburtstag machen sollten.“
„Ja, aber das hier ist doch soooo viel besser“, kichert Julie.
Und darin hat sie natürlich Recht. Es wird doch total genial, mit den Jungs zusammen auf einer Party zu sein. Besonders wegen Kasper, in den ich verliebt bin. Das Problem ist nur, dass ich mich nicht getraut habe, Julie und Helena davon zu erzählen, bevor es zu spät war.
Alles fing damit an, dass ich nicht von Helena und Julie geärgert werden wollte, weil ich dachte, sie fänden, dass Kasper ein Nerd oder einfach etwas zu brav ist. Er ist nämlich super intelligent und auch immer extrem höflich: Er redet mit den Lehrern, wie es sich gehört, und flucht fast nie. Aber er kann auch unglaublich lustig sein und alle anderen aufziehen - und dann ist er noch ein richtig guter Skateboardfahrer. Eigentlich glaube ich, er ist in allem gut. Basket- und Fußball, Laufen – you name it. Aber er ist es auf eine gute Art und Weise, ohne dass er jemals damit angeben würde. Es fällt ihm einfach natürlich, der Beste zu sein und trotzdem so zu tun, als wäre er einfach so ein Junge, der albern, kindisch und immer am rumspielen ist, und mit Radiergummis schießt. Da bemerkt man es auch nicht so schnell. Uns ist es auf jeden Fall nicht so schnell aufgefallen. Keine von uns war nämlich schon mal vorher in ihn verknallt.
Letztes Jahr war Julie in Kenneth aus der Parallelklasse verliebt und Helena fand Hannes ganz toll. Das hatte sich allerdings innerhalb einer Pause erledigt, in der er ihr einen Schneeball, fast gänzlich aus Eis, direkt gegen den Kopf schmetterte. Ich war damals in niemanden verknallt. Also nicht wirklich. Ich behauptete zwar, ich fände Sophus ganz in Ordnung, aber das war eigentlich nur, um dazuzugehören.
Helena ist fertig damit, Einladungen zu verteilen und wirft sich auf den Stuhl zwischen Julie und mir.
„Na, wie findet ihr das Bild?“
„Es ist abgefahren schön“, sage ich. „Du siehst aus, wie „Germany´s Next Topmodel“.
Helena umarmt mich und drückt mir einen Schmatzer auf die Wange. Julie nickt.
„Ja, und überhaupt, wie cool ist es nicht, dass die Jungs mit von der Partie sind?“ Es ist deutlich an ihrer Stimme zu hören, wie sehr sie sich freut.
„Ja, das ist genial, oder?“, kichert Helena. „Ich wollte euch damit überraschen.“
„Und dann an einem Samstag! Abends. Das ist einfach nur cool!“ Julie kann sich gar nicht einkriegen.
Helena lächelt zufrieden. Sie ist stolz. Verständlicherweise!
Ich lasse ihre extrem schicke, megafetzige Einladung in meiner Tasche verschwinden. Es besteht gar kein Zweifel daran, dass es eine tolle Party werden wird. Ich wünschte nur, ich hätte die Idee gehabt, die Jungs einzuladen; dann wäre alles anders gewesen.
Ich hatte letzten Monat Geburtstag und habe natürlich nur mit den Mädchen gefeiert. Nachmittags. Ich glaube, an einem Mittwoch. Und es hat geregnet. Dabei hatte ich mir extra viel Mühe mit allem gegeben. Aber verglichen mit all dem, was Helena veranstaltet, ist mir schon klar, dass es in Wirklichkeit nichts Besonderes war.
Meine Einladungen, zum Beispiel, waren offensichtlich so last year. Kurz bevor ich sie austeilte, hat Helena erzählt, dass sie ihre pinke Tasche aussortiert und eine graue gekauft hat, weil Pink jetzt einfach total out ist.
Meine Einladungen waren natürlich pink. Ich hatte sie selbst gemacht und mit dem neuen Drucker auf Papas Arbeit ausgedruckt.
Aber das war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste, wenn man das so nennen kann, war, dass ich von Helena und Julie genau das bekam, was ich mir gewünscht hatte. Dadurch kam nämlich erst die ganze Sache mit Kasper ans Licht.
Ich hatte mir ein paar Liebespuppen gewünscht aus einem Laden, der Kult heißt. Das ist der abgefahrenste Hokus-Pokus-Laden überhaupt und wir, Helena, Julie und ich, lieben ihn. Manchmal, nach der Schule, stöbern wir stundenlang dort herum und glotzen Pendel, magische Zeichen und ausgefallene Tücher an und stellen uns vor, dass wir einem richtigen Hexenkult angehören, der bei Vollmond zaubert und allerhand Kräuter über einem Feuer zusammenbraut.
An so einem Tag entdeckten wir auch die Liebespuppen. Sie waren ganz schlicht aus Filz und ohne Gesicht. In die eine sollte man etwas von seinen eigenen Klamotten tun. Und in die andere sollte man etwas Kleidung von demjenigen, in den man verliebt ist, stopfen. Aber Julie und Helena lachten nur und fanden es eine sinnlose Idee, zumal ich ja noch nicht mal in jemanden verliebt wäre. Das war meine erste Gelegenheit, ihnen das mit Kasper zu sagen, aber die habe ich verpasst.
An meinem Geburtstag zogen mich Helena und Julie dann mit ins Bad. Die anderen Mädchen spielten „Wahrheit oder Pflicht“ im Wohnzimmer.
Wir saßen zum Geschenke auspacken auf dem Boden. Es waren Sterne auf dem Papier und ein Duft von Lavendel, den ich aus dem KULT-Laden wiedererkannte.
„Ich liebe euer Badezimmer“, sagte Helena. „Diese Fliesen sind jetzt wieder der letzte Schrei. Und es ist immer so schön sauber hier. Unser Au-pair ist einfach zu faul. Das meint meine Mutter auch. Bist du nicht total gespannt?“
Noch bevor ich das Papier ganz abhatte, holten die beiden ihre eigenen Puppen hervor. So saßen wir also da mit sechs flachen Stoffpuppen, die darauf warteten, gefüllt zu werden.
„Jetzt müssen wir sagen, in wen wir verliebt sind“, sagte Helena und wurde so knallrot im Gesicht, dass Julie und ich zu lachen anfingen. Helena war sonst nichts peinlich, sie musste richtig verliebt sein.
Das war ich auch. Jedes Mal, wenn ich Kasper ansah, schlug mein Herz höher und in meinem Bauch kribbelte es ganz irrsinnig. Seine leuchtend grünen Augen und das zerzauste Haar, wenn er mit dem Skateboard unter dem Arm von der Pause hereinkam - das hatte schon was.
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