Auftrag und Ausführung in der Geschichte Insofern weist die Geschichte ein komplexes Netz von Aufträgen und Ausführungen auf, die in besonderer Weise mit dem Wort Jhwhs verknüpft sind. Bei Jhwhs Befehl an Elija, nach Sarepta zu gehen, findet sich die Notiz, dass er einer Witwe befohlen hat, sich um den Propheten zu kümmern (V. 9). Elija geht nach Sarepta und findet die Witwe. Er bittet sie, ihm Wasser und Essen zu bringen. Sie kommt dem nach, doch zuvor erklärt sie ihm noch, dass sie im Begriff ist, ein letztes, kärgliches Mahl für sich und ihren Sohn zu bereiten, bevor beide Hungers sterben werden. Elija wiederholt sein Ersuchen und fügt hinzu, dass Jhwh angeordnet hat, dass Mehl und Öl nicht schwinden werden, solange die Dürre andauert. Die Witwe folgt der Anweisung Elijas und bringt ihm zu essen. Auch der Topf mit Mehl und der Krug mit Öl gehorchen dem Befehl Jhwhs und sind erst nach dem Ende der Dürre leer. 44Implizit wird in diesem Teil der Geschichte vorausgesetzt, dass das von Jhwh oder Elija ausgesprochene Wort nicht passiv ist, sondern die Kraft besitzt, die Realität zu verändern. Im Erfüllungsvermerk in V. 16 wird Jhwhs Wort durch Elija erwähnt und damit an die Wortereignisformel angeknüpft, mit der die Geschichte begonnen hat, wodurch beide nun eine inclusio bilden.
17,17–24: Die dritte Geschichte Die dritte Geschichte (Vv. 17–24) beginnt nicht mit der Botenformel, sondern mit dem Überleitungssatz nach diesen Dingen . Da sich hier die gleichen Figuren finden wie in der zweiten Erzählung, erscheint diese dritte nun als Fortsetzung jener zweiten. Die Frau ist die Witwe aus Vv. 8–16. Darüber hinaus wird sie als die Herrin des Hauses bezeichnet, was angesichts ihrer extremen Armut in der vorangegangenen Geschichte merkwürdig ist. Entweder war die Dürre so schwer, dass durch sie eine einst wohlhabende Frau, der von ihrem Reichtum einzig ihr Haus geblieben ist, nun dem Hungertod nahe war 45– oder in Vv. 17–24 wird von einem Vorfall berichtet, der sich erheblich später als die Dürre ereignet hat, als nämlich die Frau wieder wohlhabend genug war, ein Haus zu besitzen, und Elija wieder einmal in der Nähe war.
Chiastische Struktur Manche Exegesen entdecken in Vv. 18–24 eine chiastische Struktur: 46
A. Rede der Witwe (V. 18)
B. Rede Elijas (V. 19a)
C. Elija nimmt den Jungen von dessen Mutter (V. 19b)
D. Elija bringt ihn in seinen eigenen Raum
E. Elija legt ihn auf das Bett
F. Elija erweckt das Kind (Vv. 20–22)
E.′ Elija hebt das Kind auf (V. 23a)
D.′ Elija bringt ihn aus dem Raum hinunter (V. 23a)
C.′ Elija gibt ihn seiner Mutter zurück (V. 23a)
B.′ Rede Elijas (V. 23b)
A.′ Rede der Witwe (V. 24)
Durch die Struktur wird veranschaulicht, dass die Auferweckung des Jungen (Vv. 20–22) das Zentrum der Geschichte ist. Gleiches wird durch den Handlungsverlauf verdeutlicht, wenn Elija in den oberen Raum hinaufgeht und dann wieder von ihm herunterkommt.
Die Frau spricht Elija als Gottesmann an (V. 18). Der Titel wird mit Bezug auf ihn auch in 2 Kön 1,9–16 verwendet, doch am häufigsten findet er sich bei Elischa zur Hervorhebung von dessen wundersamen Fähigkeiten. Deshalb ist die Anrede der Frau ironisch gemeint. Sie erkennt Elijas Macht an, kommt aber zu dem Schluss, dass sich diese für sie nachteilig auswirkt. Ihre Missetat bezieht sich vermutlich nicht auf eine bestimmte Sünde, sondern auf die menschliche Natur allgemein. Sie befürchtet, dass Elijas Verbindung zu Jhwh als eine Art Blitzableiter gedient hat und zur Prüfung durch Gott und in der Folge zu ihrer Bestrafung in Gestalt des Todes ihres Sohnes führt.
Die Erweckung des toten Jungen Elija nimmt den toten Jungen mit in seinen Raum (V. 18). Der Grund dafür wird nicht erklärt, doch es bieten sich eine Reihe von Möglichkeiten an. Erstens könnte Elija versuchen, seine enge Beziehung zu Jhwh dazu zu nutzen, ihn privatim anzurufen. Sein Gang nach oben würde dann auf den Ernst der Lage und die Eindringlichkeit hindeuten, mit der er seinen Appell vorbringen möchte. Zweitens könnte einer der Gründe für seine Anrufung Jhwhs darin liegen, dass die Witwe sich ihm gegenüber gastfreundlich gezeigt hat, indem sie es ihm gestattete, bei ihr zu wohnen (V. 20). Den Jungen mit in den Raum zu nehmen, den die Witwe ihm zugewiesen hat, soll Jhwh ganz konkret an die Großzügigkeit der Frau gegenüber seinem Stellvertreter erinnern. Dass Elija und der Junge allein in dem Raum sind, unterstreicht darüber hinaus die Rolle des auktorialen Erzählers, der in die intimen Details dessen eingeweiht ist, was Elija dort sagt und tut.
Elija bittet Jhwh um zweierlei. Zum einen (V. 20) erinnert er ihn daran, was die Frau ihm Gutes getan hat, und beschuldigt damit Jhwh im Grunde, ihr im Gegenzug zu ihren guten Taten Böses anzutun. Damit appelliert er an Jhwhs Gerechtigkeitssinn und seine Sorge um den, der für ihn spricht. Zum anderen (V. 21) wird Jhwh angerufen, dem Jungen das Leben zurückzugeben. Zwischen den Anrufungen streckt sich Elija dreimal über dem Jungen aus. Sein Flehen nimmt nicht nur verbale, sondern auch rituelle Form an. Er versucht, Jhwhs Aufmerksamkeit durch Wort und Tat auf den Zustand des Jungen zu lenken und ihn dazu zu bewegen, zugunsten des Jungen zu handeln. Mit anderen Worten besteht Elijas Rolle hier in der eines Fürsprechers oder Bittstellers gegenüber Jhwh. So bereitet diese Darstellung darauf vor, dass Elija im nächsten Kapitel Fürsprache halten wird, worin eine weitere Parallele zu Mose liegt. In der Geschichte wird dann deutlich gemacht, dass es Jhwh ist, der dem Jungen das Leben zurückgibt (V. 22) – als Antwort auf Elijas Bitten. Eben das wird auch durch das Bekenntnis der Frau am Ende der Geschichte ausgesagt. Sie hat erfahren, dass Elija ein Gottesmann ist und für Jhwh spricht, was bedeutet, dass Elija der „Kanal“ zu Jhwh ist, der letztlich der Quell des Segens ist. Das Bild des Propheten und das Bekenntnis der Frau bereiten auf die im nächsten Kapitel erzählte Konfrontation vor zwischen Elija als dem, der für Jhwh spricht, und den Baals-Propheten. Der Ausgang des sich dann zutragenden Götterwettstreits ist bereits durch die jetzt betrachtete Geschichte festgelegt, denn schon hier zeigt sich, dass Jhwh auch im Lande Baals über Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit gebietet und darüber hinaus noch den Tod (Mot) beraubt, der Baal überlegen ist.
Der prophetische Erzähler Das plötzliche Erscheinen Elijas sowie der Beginn eines längeren Abschnitts, der überwiegend aus Prophetenerzählungen besteht, zeigen an, dass hier der Verfasser nicht mehr DtrH ist. Mit Ausnahme von 1 Kön 21,20–22.24 und 2 Kön 1,2.5–8.17–18* stellen die Prophetenerzählungen von hier bis 2 Könige 13 Hinzufügungen aus der Zeit nach DtrH dar. Wie bereits in der Einleitung angedeutet, sind die Elija-Geschichten in 17–19* als Einleitung zu den Elischa-Geschichten verfasst worden, und zwar in Gestalt einer Apologie der Gerichtsprophetie, was am Beispiel des Hauses Ahabs verdeutlicht wird. Der für diese Einleitung und für die Redaktion der Elischa-Geschichten verantwortliche Verfasser/Redaktor wird als prophetischer Erzähler (PE) bezeichnet. Der Wechsel beginnt mit der Interpolation in 16,31–33, in der Ahab und Isebel angeklagt und zum Hauptziel der Gerichtsprophetie Elijas erklärt werden. Sie sind die Ursache für die von Elija angekündigte Dürre. In Kap. 17–18 versammelt PE mehrere unabhängige Geschichten und Prophetenlegenden unter dem Oberthema der Dürre, obwohl ursprünglich nur bei einer von ihnen (18,1–16*) eine Dürre vorausgesetzt war.
17,1: Elijas Ankündigung Elijas Ankündigung der Dürre in 17,1 ist redaktionell (PE). Im Vers wird betont, dass es Elijas Wort ist, auf das hin die Dürre beginnen und enden wird. Das hebt sich gegenüber dem Kontext der Kap. 17–18 ab, wo das Wort Jhwhs ein wichtiges Motiv ist, das als Hinweis auf eine unabhängige Legende verstanden wurde, in der der Gottesmann selbst die Dürre ankündigt. 47Wie bereits in der synchronen Analyse ausgeführt besteht der Hauptzweck dieser Kapitel darin, Jhwhs Wort mit dem Wort Elijas gleichzusetzen (17,24), so dass Elijas Verkündung in V. 1 eintrifft. In dessen Dienst ich stehe (V. 1) ist ein Proprium der Elija-Elischa-Geschichten; nur in ihnen wird es im Rahmen der dort benutzten Schwurformel zur Legitimierung verwendet (18,15; 2 Kön 3,14; 5,16). 48Elija verwendet allgemeine Begriffe für Tau und Regen, um sich nicht auf die beiden Jahreszeiten in Palästina zu beziehen, sondern auf das Ausbleiben jeglicher Niederschläge. 49Das Wortpaar sowie Elijas Fluch besitzen eine Parallele im ugaritischen Aqhat-Epos (KTU 1.19.1.42–45):
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