Markus Ender / Ingrid Fürhapter / Ulrike Tanzer / Anton Unterkircher (Hg.)
Literaturvermittlung und Kulturtransfer nach 1945
Edition Brenner-Forum
Herausgegeben von Sieglinde Klettenhammer und Ulrike Tanzer
Band 16
Wissenschaftlicher Beirat:
Prof. Dr. Katherine Arens (University of Texas, Austin, USA)
Prof. Dr. Jacques Lajarrige (Université de Toulouse II – Centre de
Recherches et d’Études Germaniques, FRA)
Prof. Dr. Joanna Jabłkowska (Univ. Łódź, POL)
Prof. Dr. Alois Pichler (Univ. Bergen – Wittgenstein Archives, NOR)
Dr. Clemens Ruthner (Trinity College Dublin, IRL)
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ISBN 978-3-7065-6122-8
Buchgestaltung, Satz und Umschlag: Markus Ender
Umschlagabbildung: Forschungsinstitut Brenner-Archiv (Universität Innsbruck)
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Ludwig von Ficker im Kontext
Gerald Stieg (Paris) Gabriel Marcel als Leser Rilkes
Ingrid Fürhapter (Innsbruck/Bregenz) „Auctor Austriae“? Ludwig von Ficker als Vermittler- und Projektionsfigur nach 1945
Thomas Pittrof (Eichstätt) Kulturvermittlung im Hochland der Nachkriegszeit (1946–1961)
Natalia Bakshi (Moskau) „Künstler, Liturge, Heiliger – Die Vollender des Kosmos“. Otto Mauer als Kulturvermittler
Primus-Heinz Kucher (Klagenfurt) Netzwerk(er) mit Schiffbruch: zur ambivalenten Position von Oskar Maurus Fontana im Literaturbetrieb nach 1945
Daniela Strigl (Wien) „Ich bin im Lager der Lebenden“. Wie Hilde Spiel zur Grande Dame der literarischen Szene wurde
Wolfgang Straub (Wien) Actor of Change. Hans Weigels Vermittlungen nach 1945
Desiree Hebenstreit (Wien) Otto Basil als Kulturvermittler in der österreichischen Nachkriegszeit
Dirk Kemper (Moskau) Modernekonzeption und Zeitdeutung bei Walther Rehm
Anton Unterkircher (Innsbruck) „Das Moderne stört nicht“. Felix Braun – ein Netzwerker im Verborgenen?
Sigurd Paul Scheichl (Innsbruck) Friedrich Heer als Literaturvermittler
Evelyne Polt-Heinzl (Wien) Rudolf Kalmar – Netzwerker und Vermittler zwischen Exil und Heimat
Günther Stocker (Wien) Ein unbequemer Zeitgenosse. Hermann Hakel im Literaturbetrieb um 1950
Christine Riccabona (Innsbruck) Julius Kiener und die ‚Seefelder Zeitung‘ – eine Zeitschrift als Medium der Kulturvermittlung
Stefan Maurer (Graz) „Kontaktperson, Vermittler, Dolmetscher“. Wolfgang Kraus und die österreichische Kulturpolitik nach 1945
Wolfgang Hackl (Innsbruck) Lyrik als säkulare Erbauung? Lyrik im Sender Rot-Weiß-Rot am Beispiel der Radiosendung Du holde Kunst in den Jahren 1945–1951/55
Evelyne Polt-Heinzl (Wien) Hilda Polsterer – Suche nach einer Salonière der Nachkriegszeit
Markus Ender (Innsbruck) „Ich wurzelte von nun an wieder in einer Welt“. Werner Krafts Kulturvermittlung zwischen Jerusalem und Innsbruck
Personenregister
Ludwig von Ficker im Kontext
Am 20. März 2017 jährte sich der Todestag Ludwig von Fickers, des Herausgebers der Innsbrucker Kunst- und Kulturzeitschrift Der Brenner (1910–1954), zum fünfzigsten Mal. Dieser Jahrestag erfuhr allerdings – im Gegensatz zu so manch anderem Todestag verdienter Persönlichkeiten des kulturellen Lebens 1 – nur sehr geringe mediale Aufmerksamkeit. Tatsächlich legte das mäßige Interesse den Schluss nahe, dass die Öffentlichkeit in den vergangenen fünf Jahrzehnten die vielfältigen Tätigkeiten des Innsbrucker Schriftstellers, Verlegers, Mäzens und Publizisten, der bis in die späten 1960er Jahre das kulturelle Leben Tirols und Österreichs beeinflusste, immer stärker aus den Augen verloren hatte. Der Versuch einer Rückführung des weitgehend Vergessenen in das kollektive Bewusstsein der Gegenwart erschien deshalb – zumindest auf wissenschaftlicher Ebene – als Gebot der Stunde. Am 20. März feierte auch Walter Methlagl, der langjährige Leiter des Brenner-Archivs, seinen 80. Geburtstag. Mit dem Beitrag von Gerald Stieg wurde der Festvortrag zu diesem Anlass aufgenommen.
Die vom 20. – 22. März 2017 am Forschungsinstitut Brenner-Archiv durchgeführte internationale Tagung versuchte in ihrer Grundkonzeption, dem Geist Fickers als Genius Loci zu entsprechen und aus diesem Grund zwei zentrale Wirkungsprinzipien, die der Brenner -Herausgeber zeitlebens stets gepflogen hatte, zu berücksichtigen: Zum einen hatte Ficker, seiner persönlichen Neigung entsprechend, die teils aus seinem Naturell, teils aus Überlegung begründet war, seine Arbeit stets weitgehend in den Hintergrund gestellt und anderen Protagonist*innen die kulturelle Bühne überlassen. So sollte er auch anlässlich der Tagung nicht ausschließlich im Vordergrund stehen und mit hagiographischen Würdigungen bedacht werden. Die Intention der Veranstaltung bestand vielmehr darin, die Vermittlerpersönlichkeit Ficker und seine Arbeit in ein dichtes Geflecht von ähnlich gelagerten kulturellen Vermittlungsprozessen eingebunden wahrzunehmen und abzubilden. Zum anderen schätzte und praktizierte Ficker zeitlebens den Wert der Kommunikation, des Miteinander-ins-Gespräch-Tretens, sei es nun brieflich oder von Angesicht zu Angesicht. Diese Praxis wurde von ihm – eine entsprechende Gesprächsbasis vorausgesetzt – in bester sokratischer Tradition gepflegt. Auch diesem Prinzip wurde bei der Gestaltung des Tagungsprogramms Rechnung getragen: Die Vielzahl von Stimmen und Diskursen, die im Rahmen der Fachvorträge, der künstlerischen Darbietungen, auf der Fahrt zu Fickers ehemaliger Wohnstätte in Mühlau und zu seinem Grab auf dem Mühlauer Friedhof, auf dem er Seite an Seite mit Georg Trakl begraben liegt, aber auch abseits in den Rand- und Pausengesprächen zu hören waren, trugen zu einer positiv-produktiven Polyphonie bei.
Nach der Überwindung der nationalsozialistischen Diktatur nahm Ludwig von Ficker seine Vermittlertätigkeit, die er zwölf Jahre nach außen hin unterbrochen hatte, außenwirksam mit der Veröffentlichung der XVI. Brenner -Nummer im August 1946 wieder auf. Er stellt ein paradigmatisches Beispiel für jene Generation von Kulturvermittlern bzw. im Kulturbetrieb Tätigen dar, deren Aktivitäten und Bestrebungen, deren beständige Arbeit an (brieflichen) Netzwerken und transnationalen bzw. transkulturellen Verbindungen in der Nachkriegszeit von deutlicher Wirkkraft waren. In diesem Sinne erschien es für eine Tagung, deren Ziel darin bestand, die Verdienste des Brenner -Herausgebers im größeren Kontext der kulturellen, politischen und sozialen Entwicklungen der Nachkriegszeit abzubilden, nur recht und billig, die Vielfalt der Aktivitäten weiterer kultureller Persönlichkeiten, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die kulturelle Bühne (wieder) betraten, genauer unter die Lupe zu nehmen und Netzwerke aufzuspüren, die erst in einer verdichteten Synopse sichtbar werden.
Die Tagung firmierte unter einem – durchaus provokant formulierten – Haupttitel, der die Absicht hegte, anhand der Frage „Pastorale Mummelgreise oder Führer in der Welt des Geistes?“ jene zentrale Dialektik aufzugreifen und auszudifferenzieren, die sich in der Eigen- und Fremdwahrnehmung der Kulturvermittlerpersönlichkeiten spiegelte. Auch an dieser Stelle wirkte der
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