Aber dann schießt mir die Sache mit dem Wunschtraum wieder in den Kopf. WUSCH! Was, wenn meine Mama uns jetzt wirklich vom Himmel aus zusieht?
»Vergisst du Mama manchmal?«, frage ich. Er schaut mich entgeistert an.
»Nein, natürlich nicht«, stammelt er. »Warum fragst du das?«
»Nur so. Tut mir leid«, antworte ich, denn es ist mir unangenehm, die Sache mit dem vergessenen Wunsch zu erzählen. Er nimmt meine Hand und versucht, mir in die Augen zu schauen. Ich schaue lieber aus dem Fenster. In meiner Brust zieht sich alles zusammen. 
»Milla, ich werde sie nie vergessen. Wir werden Mama nie vergessen. Egal, was passiert. Egal, wen ich kennenlerne, oder nett finde«, sagt er und ich bemerke, dass es ihm auch wehtut.
Ich schniefe und nicke. »Ich weiß, Papa. Tschuldigung! So war das nicht gemeint.« Er drückt mich.
Es ist nicht so, dass ich meine Mama wirklich vermisse, weil ich mich eigentlich gar nicht mehr daran erinnern kann, wie es war, als sie noch bei uns war. Aber ich würde gerne mehr über sie wissen, sie ist ja auch ein Teil von mir. Leider wird Papa immer total traurig, wenn wir über Mama reden, und deshalb machen wir das nicht so oft, also eigentlich nie.
Das Risotto von Papa ist gut, mein Chili-con-Kichererbsen besser. Als wir bezahlen, traut er sich und fragt, ob die Kicher-Anastasia gerne ins Kino geht. 
»Nächste Woche bin ich ganz alleine, weil meine treulose Tochter hier ihre Ferien lieber ohne mich verbringt.«
Anastasia lacht.
-hi-hi-hi!
»Du musst doch arbeiten«, protestiere ich.
-hi-hi-hi!, lacht Anastasia wieder. Papa lächelt und nickt. »Ja, aber abends bin ich doch dann ganz alleine.«
-hi-hi-hi!
-hi-hi-hi!
Die beiden verabreden sich für nächste Woche. Ich bin ein bisschen eifersüchtig, schließlich gehe ich auch gerne mit Papa ins Kino. Menno! Aber dann erinnere ich mich daran, dass ich jav darauf bestanden habe, meine Herbstferien bei Onkel Charlie auf der Alm zu verbringen. Und mein großer, zotteliger Hund Lupo kommt natürlich auch mit. Das wird bestimmt
Soll Papa also ruhig mit dieser Kichererbse ins Kino gehen.
letzter Schultag vor den Ferien
Wir sind mit der ganzen Klasse im Deutschen Museum. Und Frau von Teufel hat sich etwas ganz Besonderes ausgedacht, um den Besuch noch spannender zu machen: eine Schnitzeljagd, passend zu unserem Projekt. Sie meint, ohne ›Träume, Wünsche und Visionen‹ gäbe es gar keine neuen Erfindungen, und die Menschheit würde noch in Höhlen leben. Macht irgendwie Sinn, nur wer etwas unbedingt erreichen will, forscht so lange, bis er eine Lösung findet.
In Zweiergruppen sollen wir im Museum auf Visionen-Jagd gehen.
Wer als Erster fertig ist, bekommt einen Planeten-Bildband und einen Muffin in der Cafeteria. Klar, dass Angie und ich gewinnen wollen!
Um schneller zu sein, teilen wir uns auf. Wie der Blitz jage ich durch die Halle mit den historischen Fluggeräten um herauszufinden, wer als Erster versucht hat, den ›Traum von Fliegen‹ in die Realität umzusetzen. Das muss doch hier irgendwo stehen. Verdammt! Ich bleibe vor einer Schautafel stehen, auf der gaaaanz viel drauf steht. Verflixt! Jetzt ruhig bleiben und konzentrieren! Ich schaffe das! Ich werde das jetzt alles lesen: Buchstabe für Buchstabe. Und so mache ich das dann auch. »Die F-l-uu-g-pio-pioni-ierre …« Bis Angie zu mir kommt. »Hey, Milla! Hast du es?«
»Moment, gleich …«, stammle ich und versuche weiter zu lesen. »Die Flugpioniere sta-r-te-ten …«
Sie stöhnt. Bei mir dauert es halt immer viel, viel länger mit dem Lesen, als bei anderen. Angie hält es nicht mehr aus.
»Da: ›1810 konstruierte Alberecht Berblinger den ersten flugfähigen Gleiter‹«, liest sie in beeindruckender Geschwindigkeit vor. »›Er führte ihn jedoch unter ungünstigen Windverhältnissen vor, und so stürzte er unter dem Spott der Zuschauer in die Donau.‹«
Ich schaue sie bewundernd an, ich werde nie so schnell lesen können. Aber mittlerweile sind schon zwei andere Schnellleser-Teams an uns vorbei gelaufen. Angie merkt, dass sie mit mir im Team wohl nicht gewinnen wird. Ich schaffe es einfach nicht, zügig zu lesen.
»Pech gehabt«, sage ich, und meine damit nicht nur den abgestürzten Albrecht Berbinger mit seinem Fluggleiter, sondern auch Angie und mich. Wir werden die Anderen nicht mehr einholen. Mist! Keine Chance, noch zu gewinnen. War wohl nichts mit dem Bildband, und mit dem Muffin – aber Angie ist mir nicht böse.
»Ist egal, komm, als Nächstes geht es um Raumfahrt, das ist doch voll dein Ding!«
Und ob Raumfahrt ›mein Ding‹ ist! Alles, was mit Sternen, Raketen und fremden Planeten zu tun hat, interessiert mich brennend. Aliens natürlich auch, besonders die Frage, auf welchem Planeten sie leben könnten.
Also lächle ich Angie dankbar an, hake mich bei ihr unter und wir gehen die geschwungene Treppe zur Kosmologie-Abteilung hoch. Und das lohnt sich wirklich. Wahnsinn: Es gibt sogar einen echten Mondstein (auch, wenn der ziemlich klein ist). 
Wir kommen als letztes Team in der Cafeteria an. Statt des Gewinner-Muffins teile ich mir mit Angie meinen Müsliriegel. Frau von Teufel schlägt vor, dass wir uns von den Erfindungen und Visionen aus dem Museum auch für unseren Wunschtraum-Aufsatz inspirieren* lassen sollen (* das heißt so was wie: Ideen finden).
»Und jetzt: Schöne Ferien, ihr Rabauken, geht raus, lasst euch nicht ärgern, schlaft aus, habt Spaß, und kommt gut gelaunt zurück!«
FERIEN! Angie und ich klatschen ab. Es gibt fast kein besseres Gefühl, als den Beginn der Ferien. Freiheit, Berge,
, ich komme!
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