1 ...8 9 10 12 13 14 ...20 Drei Tage später streiken in Turin 100 000 Arbeiter und legen die italienische Rüstung lahm. Die Streikwelle greift auf die ganze Lombardei über. Die faschistischen Behörden wagen nur zögernd zu reagieren.
Am 21. März greifen Montgomerys Truppen die Mareth-Linie an und überrennen sie teilweise. Am 7. April schließen die Amerikaner unter Patton und die Briten unter Montgomery den Ring um die deutsche Heeresgruppe Afrika im Norden Tunesiens.
Am gleichen Tag treffen sich Hitler und Mussolini in Salzburg. »Duce«, erklärt der Diktator in dieser hoffnungslosen Lage, »ich bürge dafür, daß Afrika verteidigt wird. Verdun hat mit Erfolg den Attacken der besten deutschen Regimenter standgehalten. Ich sehe nicht ein, warum wir uns in Afrika nicht gegen die alliierten Truppen halten sollten. Mit Ihrer Hilfe, Duce, werden meine Truppen aus Tunis das Verdun des Mittelmeeres machen.«
Aber das Finale in Afrika ist nicht mehr aufzuhalten. Die 8. britische Armee und das II. amerikanische Armeekorps vereinigen sich bei Graiba am Golf von Gabès. Gleichzeitig greifen Bomber die Häfen von Bizerta, Tunis, Sfax und Sousse an. Im Laufe des Monats April schießen anglo-amerikanische Jäger zwischen Sizilien und Tunesien 200 Transportflugzeuge ab.
Der Brückenkopf Tunis hat sich in eine Falle verwandelt. Arnim zieht sich auf die Höhenzüge zurück, entschlossen, sie nach Hitlers Befehl »bis zur letzten Patrone« zu halten. Am 13. Mai ist sie verschossen, und damit hält der neue Oberbefehlshaber – er hatte, von Rußland kommend, Afrika zunächst für ein Kinderspiel gehalten – den Befehl für erfüllt und kapituliert. Auf Schnellbooten und Flugzeugen entkommen noch 638 deutsche und italienische Experten sowie arabische und französische Kollaborateure.
Die Feuereinstellung brauchte der Generaloberst nicht zu befehlen, seine Soldaten haben keine Munition mehr, keinen Sprit und keine Verpflegung. Nebeneinandersitzend, apathisch, abgekämpft, erwarten sie das Eintreffen der Alliierten, unter ihnen Leutnant Molitor, der auf einer Treppe kauert und seine letzte Zigarette raucht.
Irgendwo schiebt sich ein Gewehrlauf aus einem Hinterhalt und richtet sich auf ihn. Der Leutnant sackt zusammen. Er ist sofort tot – einer von einer Million Gefallenen, Verwundeten und Gefangenen, die das afrikanische Abenteuer die deutsche Wehrmacht kostet. Drei Monate nach Stalingrad hatte der »größte Feldherr aller Zeiten« die nächste komplette Armee geopfert, statt ihr nach Rommels Ratschlag den Rückzug auf den europäischen Kontinent zu erlauben.
In Tunesien sind 8503 Deutsche und 13476 Italiener gefallen. Die Franzosen beklagen den Tod von 3000 Soldaten, 12000 Verwundeten und 4500 Vermißten. Briten und Amerikaner zusammen hatten etwas über 12000 Tote, 38 688 Verwundete und 21 363 Vermißte, aber nunmehr gab es zwischen Gibraltar und der Ägäis kein Hindernis mehr für den Angriff auf die »Festung Europa«. Zwischen Großbritannien und Asien hatte sich der Seeweg um 16000 Kilometer verkürzt. Das bedeutete eine Ersparnis von 45 Tagen und einen dadurch frei werdenden Schiffsraum von einer Million Tonnen.
»Mag dieses Ende der Armeen Arnims und Messes für die Betroffenen auch weniger schrecklich gewesen sein als für die Opfer der verbrecherischen Kriegführung in und bei Stalingrad«, schreibt in seinem Sachbuch »Verrat auf deutsch« Erich Kuby, »für den Gesamtverlauf des Krieges ist die tunesische Niederlage von noch weit größerer Bedeutung als jene an der Wolga. Nun können die Alliierten an jeder Stelle, die ihnen passend erscheint, vom Süden her in den ›weichen Leib‹ Europas hineinstoßen und das Mittelmeer benützen, als sei es die Irische See. Die Hilfslieferungen an die Sowjetunion werden ab sofort durchs Mittelmeer nach Persien, von dort per Bahn in die Sowjetunion geleitet, was eine Einsparung von mehreren tausend Seemeilen Transportweg und die Sicherheit bedeutet, daß unterwegs nahezu keine Verluste mehr entstehen ...«
Engländer, Amerikaner und Franzosen sind nunmehr – trotz aller blutigen Mißverständnisse – Waffenbrüder, die künftig Schulter an Schulter gegen Hitler kämpfen werden.
Sie hatten einen Sieg errungen, und sie feierten ihn ausgiebig.
Eine junge Frau, Nicole Lemaire, stand abseits, obwohl sie viel zu dem Siegeslauf der Alliierten beigetragen hatte. Sie kämpfte – schließlich mit Erfolg – bei den französischen Behörden darum, daß ihr als deutscher Leutnant gefallener Bruder Peter Molitor auf einen französischen Soldatenfriedhof umgebettet wurde.
Kalter Frühling – heißer Sommer
Wegen Hitlers verspäteten Befehls zum Rückzug aus dem Kaukasus hatte der Ostfront ein zweites, noch vernichtenderes Stalingrad gedroht. Nur wenn Rostow gehalten werden konnte, war der Fluchtweg offen, aber die Heeresgruppe A stand noch weit davon entfernt: die 17. Armee 400 Kilometer, die 1. Panzerarmee 700 Kilometer. Hoth war mit seiner 4. – nach ihrem vergeblichen Versuch, Stalingrad zu entsetzen – südlich des Don, 400 Kilometer östlich von Rostow, in schwere Abwehrkämpfe geraten. Die Sowjets standen sechsmal näher an Rostow als ihre deutschen Gegner. Die T-34-Panzerspitzen waren nur noch 70 Kilometer entfernt. Nicht nur hier drohte höchste Gefahr, auch weiter westlich, am Dnjepr bei Dnjepropetrowsk und Saporoschje, war ein weiterer deutscher Flaschenhals in Bedrängnis geraten.
Es ging Schlag auf Schlag. Am 8. und 9. Februar 1943 hatten die Russen Kursk und Bjelgorod überrannt. Die 2. Gardearmee und die 5. Panzerarmee der Sowjets stürmten nunmehr gegen den Korridor von Rostow und näherten sich ihm bis auf 40 Kilometer. Es wäre für sie ein leichtes gewesen, den Generalfeldmarschall von Manstein und sein Hauptquartier bei Nowotscherkask aufzuheben, aber die Verfolgung des geschlagenen Feindes war nicht – noch nicht – ihre Stärke. »Hoth begegnete dieser Situation mit jener lächelnden Kaltblütigkeit, die seinem Ansehen unter den deutschen Generalen etwas Ungewöhnliches verlieh«, stellt Raymond Cartier fest. »Langsam zog er sich in das Tal des Manytsch zurück, die Grenze zwischen Europa und Asien, deren Überschreitung im Sommer des vergangenen Jahres von der deutschen Propaganda ausgiebig gefeiert worden war.«
Die Ostfront bebte in ihrer ganzen Breite unter den Hammerschlägen sowjetischer Angriffe. Im Norden tobten schwere Kämpfe an der Leningrad-Front. Demjansk mußte geräumt werden, Woronesch war schon von drei Seiten eingeschlossen. Hitler wollte das unhaltbare Trümmerfeld zur Festung erklären, verzichtete aber dann darauf, mit drei Divisionen ein »kleines Stalingrad« herbeizuführen. Dafür bestand er – nach dem Fall Rostows und Woroschilowgrads am 14. Februar – darauf, daß Charkow bedingungslos verteidigt werden müsse.
Die Reste der Heeresgruppe Süd hatten sich auf die Halbinsel Taman auf der Ostseite der Straße von Kertsch zurückgezogen. Auf dem Kuban-Brückenkopf drängten sich 400 000 deutsche Soldaten zusammen und behinderten einander bei der Verteidigung. Hitler, der mehr an die Rückeroberung des Kaukasus dachte als an die Rettung seiner Truppen, hatte den sinnlosen Befehl gegeben, einen 200 Kilometer langen Korridor offen zu halten.
Die Heerführer im Osten waren längst in einen Zweifrontenkrieg verwickelt. Sie erwehrten sich, schrittweise zurückgehend, mit größter Mühe der ungestümen russischen Angriffe – ihr zweiter Gegner war das Führerhauptquartier, das ihnen durch seine starre Festklammern-um-jeden-Preis-Taktik das strategische Konzept verdarb. Statt einer durchgehenden, übersichtlichen Verteidigungslinie entstand nunmehr ein Gewirr von Einbuchtungen, Überhängen und Vorsprüngen, die einen weit größeren Verteidigungsaufwand erforderten und im Falle eines konzentrischen russischen Angriffs nicht gehalten werden konnten.
So entstand der weit nach Westen vorgezogene russische Frontvorsprung bei Kursk. Die Deutschen mußten den 180 Kilometer tiefen und 250 Kilometer breiten Bogen als Pfahl im Fleisch empfinden. Es war beiden Seiten klar, daß sich hier ein Brennpunkt neuer Kämpfe anbahnte. Hitler, nach der Bekundung seines Wehrmachtsadjutanten Rudolf Schmundt »der göttliche Führer, der gegen die Unfähigkeit seiner Feldmarschälle des neunmalklugen Generalstabes alle Schlachten gewinnen mußte«, ließ einen Plan für die letzte deutsche Großoffensive im Osten, die »Operation Zitadelle«, ausarbeiten.
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