1 ...7 8 9 11 12 13 ...24 Foulke und Allan führten daraufhin eine langfristige Fehde gegeneinander, jedenfalls wenn man den Zeitungen von damals glaubt. Sie verlieh Begegnungen zwischen Sheffield United und dem FC Liverpool zusätzliche Brisanz. Foulke behauptete, dass die Sache über die Maßen aufgeblasen worden sei, und er verlegte sich sogar darauf, dass Allan über ihn gestolpert sei. Dass er mit dem Gesicht voran im Dreck gelandet war, sei ein Unfall gewesen.
Der vielleicht berüchtigtste Vorfall ereignete sich nach dem FA-Pokal-Finale 1902. Sheffield United führte mit 1:0 gegen Southampton, als Harry Wood wenige Sekunden vor Abpfiff zum Ausgleich traf. Es sah aus, als hätte er im Abseits gestanden. Doch nach Rücksprache mit seinem Linienrichter entschied der Unparteiische Tom Kirkham, dass der Ball von einem United-Spieler gekommen sei und Wood folglich nicht abseits gestanden hatte. United war erbost, ebenso die Fans. Als die Spieler vom Platz gingen, gab es eine kleine Meinungsverschiedenheit, und die Polizei musste den Weg zu den Umkleidekabinen freimachen.
Lord Kinnaird, damaliger Präsident der FA, hielt eine Rede, in der er Foulke lobend hervorhob. Doch er war noch nicht fertig, da soll Foulke, jedenfalls der Legende nach, splitternackt durch die Umkleiden spaziert sein und den Schiedsrichter gejagt haben. Kirkham, so heißt es, hatte bereits Schutzmaßnahmen getroffen und sich in einer Besenkammer eingeschlossen. Er entkam erst, als eine Gruppe Außenstehender, darunter der Sekretär der FA, Foulke wegzog. Da Kirkham allerdings eine Woche später das Wiederholungsspiel pfiff, als wäre nichts gewesen, dürfte diese Geschichte wohl zumindest etwas ausgeschmückt gewesen sein.
Trotzdem gab es weiterhin böses Blut. James Catton, Autorenname „Tityrus“ und einer der ersten großen Sportjournalisten, sah sich plötzlich Sheffield Uniteds Verteidiger Peter Boyle gegenüber, der schon auf ihn wartete. Boyle wollte wissen, ob Catton ihn für Southamptons Ausgleichstreffer verantwortlich gemacht hatte, was Catton bejahte. Boyle hob die Fäuste. „Mitten in dieser Krise“, so schrieb Catton, „wer sollte da anderes aus seiner Umkleidekabine schreiten als der gute Meister Foulke, 124 Kilogramm, wie Gott ihn schuf. Er sah auf mich hinunter und sagte mit seiner kernigen Stimme und einem Lächeln, das selbst ein Quäkertreffen hätte aufschreien lassen: ‚Ich bin dein Mann für ein Kämpfchen. Du liegst ungefähr in meiner Gewichtsklasse.’ Angesichts meiner gerade mal 1,50 Metern und nicht mal 70 Kilogramm, die ich im Türkischen Bad auf die Waage bringe, kann sich der Leser wohl vorstellen, dass diese Szene der Wiederherstellung der guten Stimmung äußerst dienlich war.“ Nach dem entscheidenden Treffer von Billy Barnes elf Minuten vor dem Ende gewann Sheffield United das Wiederholungsspiel im Finale des FA-Pokals mit 2:1.
Foulke hatte den Eindruck, dass ihn seine Größe und sein Leibesumfang zu einer Zielscheibe machten. So sagte er: „Man hätte glauben können, dass die Stürmer an einem solch großen Burschen lieber vorbeisteuerten. Manche taten das, aber andere wurden richtig wild, wenn sie den Ball nicht ins Tor bekamen. Ich musste eine Menge Tritte aushalten, die es immer dann gab, wenn der Schiedsrichter nicht hinsah.“
Seine Größe und sein Gewicht lenken auch gern davon ab, was für ein guter Torwart er gewesen sein muss. Foulke spielte nur ein einziges Mal für England, bei einem 4:0-Sieg über Wales im Jahr 1897. Es war ein Spiel, in dem er kaum Gelegenheit bekam, sein Können zu zeigen. Sheffield United kassierte aber 1896/97 gerade mal 29 Tore in 30 Spielen, und in der Saison danach nur 31. Das waren die niedrigste und die drittniedrigste Ausbeute im Jahrzehnt nach der Erweiterung der Liga von zwölf auf 16 Mannschaften.
Als Foulkes Form jenseits der 30 zu schwinden begann, verkaufte Sheffield United ihn 1905 für 50 Pfund an Chelsea, die damals zweitklassig spielten. Es dauerte nicht lange, da wurde Foulke in London zum Promi. Besuchte er Veranstaltungen in einer Music Hall, wurde dies von der Bühne verkündet, und von Einladungen zu gesellschaftlichen Anlässen wurde er geradezu überschwemmt. Er war zweifellos sehr beliebt und hatte durchaus auch kulturellen Einfluss.
Etwa um die Zeit von Foulkes Transfer zu Chelsea fing die Amalgamated Press an, Fußballgeschichten für ihre wöchentlich erscheinenden Jungenzeitschriften zu produzieren. Einige der bekanntesten stammten aus der Feder von Arthur Joseph Steffens unter dem Pseudonym A. S. Hardy. Dessen fiktive Erzählungen fußten eindeutig auf Personen des Zeitgeschehens. Die erste Mannschaft, über die er in seinen Fußballgeschichten schrieb, hieß Blue Crusaders. Es ist nicht schwer zu erraten, wer das Vorbild für ihren Torhüter war, den großen, stämmigen, fröhlichen, aber auch jähzornigen William Fowke.
Foulke lieferte auch die Idee für Stiffy, den Torhüter, eine von Harry Weldon gespielte Music-Hall-Figur. Stiffy war der populärste fiktive Fußballcharakter vor dem Ersten Weltkrieg. Seinen ersten Auftritt hatte er im Dezember 1906 im Palace Theatre in Manchester. Dort war er Teil eines Sketches namens „The Football Match“. Geschrieben hatten diesen Sketch Theaterdirektor Fred Karno – der Mann, der den Sahnetorte-ins-Gesicht-Gag erfunden haben soll – sowie sein Koautor Fred Kitchen.
In einer der ersten Besprechungen hieß es über diesen Sketch: „Mehrere Spieler sollen bestochen werden, ein Spiel zu verlieren. Dieser Bestechungsversuch wird von einem Kriminalbeamten beobachtet, der keinem Kriminalbeamten gleicht, den man jemals bei Scotland Yard gesehen hat. Sein Plan zur Ermittlung der Delinquenten sieht vor, die Tat von den wohlriechenden Räumlichkeiten des Raucherzimmers aus nächster Nähe zu beobachten. Die wichtigste Person, die bestochen werden soll, ist Stiffy, der Torhüter, der jedoch gegen alle Versuchungen gefeit ist, auch wenn er sich manchmal seltsam verhält. Seine Fähigkeiten auf dem Platz spielen nicht wirklich eine Rolle; wichtiger für das Publikum ist sein komödiantisches Talent, und wie sehr er für die Bühne geeignet ist, wird eindrucksvoll von Mr Harry Wilson demonstriert.“
Der Torhüter war also mal wieder der Spieler, den man als besonders korruptionsanfällig betrachtete. Doch Stiffys Charakter wurde mit der Zeit komplexer und wuchs über den eigentlichen Sketch hinaus. Weldon war Everton-Fan, und Karno und er fügten Elemente des wahren Lebens hinzu. „Stiffy war eine Charakterstudie – möglicherweise burlesk, jedoch niemals satirisch“, schrieb der Kritiker Hannen Swaffer. „Ein schlechterer Komödiant als Harry Weldon wäre bei der Umsetzung dieses Charakters gescheitert, und anstelle zu applaudieren, hätten ihn die Götter ausgepfiffen.“
John Harding wies in Ausgabe sieben des Blizzard darauf hin, dass Stiffy alles andere als eine Heldenfigur war und häufig kaum etwas anderes tat, als zu essen und zu trinken. „Stiffy’s Song“ erfasst perfekt seinen skurrilen und unglücklichen Charakter. Ins Deutsche übersetzt heißt es da:
„So hör doch die Rufe, Stiffy ist der Mann, dem sie zujubeln. Stiffy ist der beste Torwart, der jemals einen Ball durchließ. Sie sagten heute morgen, dass sie mich um 100 Tore schlagen, doch da kannten sie nicht den Mann, mit dem sie’s aufnahmen, denn wir verloren nur mit 42 Toren Unterschied.“
Obwohl er sie eigentlich verspottete, gewann Stiffy auch zahlreiche Anhänger unter den Fußballspielern. Sie saßen bei seinen Auftritten in den ersten Reihen. Schließlich bekam Stiffy die größte Auszeichnung überhaupt: Foulke stiftete ein Paar seiner Hosen, damit Weldon sie auf der Bühne anziehen konnte. Stiffy war die vielleicht erste bedeutende kulturelle Darstellung des Torhüters und seines Charakters. Der allerdings wurde als lächerlich, verfressen und bestechlich gezeichnet: kein verheißungsvoller Anfang.
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