98: Er war nicht nur Prediger auf der Kanzel, sondern auch Pastor der Gemeinde.
99: Ich hasse Ministerialismus, aber ich merke immer wieder, wie er an mir hochkriecht.
100: Ich soll eine große Rede halten, aber das ist mir noch nie gelungen.
101: Das Notizbuch ist ein Beutel für Gedanken.
102: Wenn wir öfter und leidenschaftlicher predigen, wird es uns weniger ermüden.
103: Landgemeinden sind die Zubringer der Stadtgemeinden.
104: Lasst mich die Szene malen.
105: Wir müssen es ernst meinen, wenn wir predigen.
106: Bring die Walnüsse zum Dessert und lass uns den Ruf vom Prediger knacken.
107: Sei ein guter Koch, der nicht Geschirr, Pfannen, Nudelholz und Gewürzdose in den Speisesaal bringt, sondern ganz einfach das Festmahl schickt.
108: Die Predigt ist nicht nur menschliche Rede, sie ist Christus auf dem weißen Pferd.
109: Das Gesetz sprach: »Geh.« Das Evangelium sagt: »Komm.«
110: Ein ruhiger, eindringlicher Gesprächston ist am überzeugendsten.
111: Eier sind schön und gut, aber es sollen auch Küken aus ihnen werden.
Eindrücke
Quellen
Weiterführende Literatur
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ARNDT SCHNEPPER ist Leiter des Praxisinstituts Evangelisation in Witten und unterrichtet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität in Braunschweig. Er ist promovierter Theologe und Autor mehrerer Bücher im Bereich der Praktischen Theologie.
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»Haben Sie die Queen gesehen?« und »Haben Sie Spurgeon gehört?«. Diese beiden Fragen mussten US-amerikanische Touristen Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder beantworten, wenn sie von ihrer Reise aus Großbritannien in die Heimat zurückkehrten. So berichtete es das Literaturmagazin North American Review im Jahr 1858. Der Ruf des Predigers Charles Haddon Spurgeon (1834-1892) war schon in seinen jungen Jahren phänomenal. Und er verlor nach seinem Tod keineswegs an Strahlkraft.
Als der deutsche Theologieprofessor Helmut Thielicke (1908-1986) die Bücher von Spurgeon erstmals kennenlernte, bekannte er freimütig, dass es sich hierbei gemäß 2. Mose 3,2 um das Wunder eines Busches handle, der »zwar in Flammen stand, aber nicht verbrannte«.
Und auch gegenwärtig lässt sich dieses Feuer spüren. Man blase nur den Staub von seinen Büchern und lese ihn unvoreingenommen, so wird man rasch von der untrüglichen Hitze gepackt. Mit Blick auf seine gedankliche Frische und seine stilistische Klasse in puncto Predigt fallen einem nur wenig Ebenbürtige ein.
111 Predigttipps werden hier vorgestellt und sodann erläutert – das ist natürlich viel zu wenig. Doch die Begrenzung hat auch ihr Gutes. Ermöglicht sie doch einen raschen Zugang. Im Folgenden sprechen wir ganz freundschaftlich von »Charles«. Das ist so gewollt. Denn wer ihn liest und so mit ihm ins Gespräch kommt, empfindet bald ein ganz freundschaftliches Verhältnis zu ihm.
Arndt Schnepper
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1
Frauchen, was soll ich tun?
Susannah Spurgeon (1832-1903) berichtet in ihren Erinnerungen, dass ihr Mann Charles während der Predigtvorbereitung manchmal sein Zimmer verlassen habe, um ihr diese Frage zu stellen: »Liebe Frau, was soll ich tun?« Konkret ging es dann wohl meist um die Auswahl des Predigttextes. Susannah erzählt weiter, dass sie beide meist ein wenig miteinander gesprochen hätten und Charles dann wieder zuversichtlich zu seinem Schreibtisch zurückgekehrt sei. Was hier beiläufig Erwähnung findet, ist eine oft geteilte Erfahrung: Der Predigt hilft es, wenn sie vorher mit jemandem geteilt wird. Diese Einsicht gilt vor allem bei inneren Blockaden. Dabei kommt es gar nicht darauf an, dass mein Gegenüber ein theologischer Experte ist. Streng genommen muss mein Gegenüber überhaupt nicht viel zur Predigt wissen. Oft reicht es einfach, wenn ich vor jemandem meine Gedanken ein wenig ausbreite. Indem ich spreche, klart mein Geist auf. Und die Kommentare sind dann wie Leuchtkugeln. Sie können klug sein oder nicht – in jedem Fall schenken sie Licht. Also: Wenn ich wieder einmal auf der Stelle trete, einfach aufstehen und mit jemandem sprechen – es hilft.
Wifey, what shall I do? | Autobiography IV, 65
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2
Jede Blume wartet, dir etwas zu sagen.
Charles lebte in der Erwartung, dass Gott durch seine Schöpfung zu ihm spreche. Nicht, dass er meinte, die Natur könne ihm etwas sagen, was nicht schon in der Bibel zu lesen sei. Eine zweite Offenbarungsquelle war sie ihm nicht. Dennoch war er gewiss, dass er mittels ihrer Erscheinung die Wahrheit tiefer verstehen könne. Vegetation, Tierwelt, Gestein, Gestirne – fast alles konnte für ihn zu Gottes Medium werden. Man solle, so Charles, mit offenen Augen in die Welt treten und die Dinge wahrnehmen. Er spricht an dieser Stelle gerne von Meditation, also der aufmerksamen Betrachtung. Obwohl er selbst viele Bücher schrieb und noch mehr besaß, traute er der Natur eine ganze Menge zu. Verglichen mit ihr waren ihm Bücher nur »arme Sachen«. Mit dieser Ansicht befand er sich ganz im Einklang seines Meisters. Auch Jesus, so berichten es die Evangelien, wies seine Zuhörer auf die Lilien, die Sperlinge und den Senfbaum hin. Darum: Eine Predigt gewinnt, wenn sie in der Landschaft reifen kann. Der Blick auf den Bach, die Birke oder die Butterblume lässt meist tiefer sehen als bloß ein aufgeschlagenes Buch.
Every flower is waiting to teach you. | Lectures to my Students, 198
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3
Den richtigen Predigttext erkennen wir wie einen Freund.
In der englischen Staatskirche lag ein festes Formular vor, das die Predigttexte vorschrieb. In den presbyterianischen Kirchen, die auf Johannes Calvin zurückgingen, gab es auch die Tradition der Predigtreihe. Dort wählte der Prediger ein biblisches Buch aus, das er dann fortlaufend auslegte. Charles konnte sich für keines der beiden genannten Modelle erwärmen. Er favorisierte eindeutig die persönliche Auswahl. Meist wartete er bis zum Samstagabend, bis er sicher war, nun den passenden Text gefunden zu haben. Man wendet gegen diese Form heute gerne ein, dass sie doch sehr willkürlich sei. Doch Charles hätte sich hier missverstanden gefühlt. Er wollte gar nicht selbst den Text aussuchen. Er rechnete vielmehr mit dem Heiligen Geist, dass er ihm den sachgemäßen Text weise. Das ist, so finde ich, ein faszinierender Gedanke. Und wie erkennt man Gottes Geist? Charles meinte: Der richtige Text kommt wie ein Freund daher, bei dem wir intuitiv wissen: Ja, der ist es!
What is the right text? How do you know it? We know it by the signs of a friend. | Lectures to my Students, 88
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4
Überlade deine Predigt nicht mit zu viel Inhalt.
Keine Frage: Charles predigte lang und ausgiebig. Legt man seine gedruckten Predigten als Maßstab zugrunde, so sprach er wohl meist etwa eine Dreiviertelstunde. Dieser Länge entsprach allerdings eine inhaltliche Konzentration. Es ging ihm zumeist um einen Gedanken, den er dann unaufhörlich umkreiste. Am Ende seiner Predigten wusste man dann auch, worum es ging und worauf es ankam. Gerade für Predigtanfänger ist es oft eine Verlockung, zu viele Inhalte in eine Predigt zu packen. Die Vorstellung ist: Die Zuhörenden könnten sich dann ja alle selbst das Passende heraussuchen. In der Praxis erweist sich diese Idee aber oft als undurchführbar. Durch das einmalige Aussprechen eines Satzes passiert meist gar nichts. Wahrheiten brauchen nämlich Wiederholung. Natürlich nicht so, dass sie immer wortwörtlich wiederholt werden. Es kommt vielmehr darauf an, sie mittels von Erklärungen und Erzählungen immer wieder neu darzustellen.
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