Der Parasympathikus ist der Gegenspieler, der den Herzschlag reduziert, Schlaf reguliert, den Blutdruck senkt, die Schilddrüsenaktivität stärkt, die Verdauung angeregt und Gewebeheilung induziert. Am oberen Halsmark, unter der Schädelkalotte, sitzt der Kern des sogenannten „N. vagus“, einer der wichtigsten parasympathischen Nerven, der eine Vielzahl von Funktionen übernimmt, u. a. die Nervenversorgung von Bronchien, Lungen, Herz, Speiseröhre, Magen, Darm für muskuläre Kontraktion, aber auch, und sogar hauptsächlich, sensible Impulse aus dem Darm und den übrigen inneren Organen zum Gehirn weiterleitet und durch Blockierungen oder Fehlstellungen der oberen Halswirbelsäule oder des Schädels selbst in seiner Funktion eingeschränkt oder irritiert sein kann. Des Weiteren befindet sich vor dem Steißbein am Becken ein großes parasympathisches Nervengeflecht, dessen Funktionen bei Fehlstellungen des Beckens oder nach Unfällen oder nach Geburt eingeschränkt oder irritiert sein und zu Schlafstörungen, Verdauungsproblemen, Gemütsschwankungen und erhöhte Infektanfälligkeit führen können.
Das bedeutet, dass jegliche Einwirkung auf die Wirbelsäule auch Einwirkungen auf Organe, Muskeln, Gelenke, Faszien und Hormondrüsen haben kann. Unfälle oder andere äußere Gewalteinwirkungen sowie Mineralienmängel mit nachfolgender Degeneration von Bandscheibenmaterial werden strukturell negative Folgen für die Wirkungsweise der Wirbelsäule und des darin enthaltenen Nervensystems haben. Da Emotionen Ausdruck verschiedener biochemischer Vorgänge sind, werden sie auch beeinflusst.
Ohne hier auf Einzelheiten einzugehen, ist es wichtig zu verstehen, dass Sympathikus und Parasympathikus eine Balance halten müssen, mal ist der eine, mal der andere dominant, so wird der Stoffwechsel an die Umgebung angepasst und reguliert. Wenn allerdings eine ständige Dysbalance verhindert, dass sich der Stoffwechsel anpassen kann, kommt es zur Symptomatik, die je nach Wirbelsäulenkonfiguration unterschiedlich sein kann.
Quelle: https://www.vnsanalyse.de/de/herzfrequenzvariabilitaet/physiologische-grundlagen.html
Hoher Blutdruck ist unter diesem Gesichtspunkt also keine Erkrankung, sondern eine Adaption des autonomen Nervensystems an einen bestehenden Stressfaktor. Genauso kann man es für andere chronische Erkrankungen erklären (s. von A–Z) (1). Um dem Ganzen noch ein bisschen Schliff zu verleihen, kann man das autonome Nervensystem bildlich darstellen und vor/nach einer Behandlungsserie zeigen, wie sich die autonome Funktion (und damit die Gesundheit!) verbessert hat.
Anhand einer Herzfrequenzvariabilitätsmessung kann man das autonome Nervensystem bildlich darstellen. Das Prinzip beruht darauf, dass das Herz in einer bestimmten Frequenz schlägt. Der Abstand zwischen 2 Schlägen ist in Ruhe fast gleich, aber nicht genau. Die Unterschiede in den Zeitabständen zwischen Herzschlägen nennt man Herzfrequenzvariabilität. Wie variabel dieser Abstand ist, ist von der Aktivität des autonomen Nervensystems abhängig, die von Nerven der oberen Hals- und oberen Brustwirbelsäule stammt.
Quelle: Dr. Matthias Meier
Quelle: Dr. Matthias Meier
In der Abbildung S. 28 sieht man eine Patientin, die sich in einer sympathischen Dominanz befindet (weißer Punkt). Irgendein Stressfaktor (physisch, chemisch oder physisch) führt dazu, dass der Körper mit einer Stressreaktion antwortet. Symptomatik mit Verdauungsproblemen, immer wiederkehrenden Hautproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten und Schmerzen an der Wirbelsäule mit Schwindelattacken begleiteten sie. In der Abbildung S. 29 ein Patient, der seit Jahrzehnten einem kombinierten Stress ausgesetzt ist und bei dem die typische Stressreaktion in eine Burn-out Situation, und damit in einen tief parasympatischen Zustand ausgeartet ist. Ständige Müdigkeit, Nachtschweiß, Motivationslosigkeit und bereits mehrere Herzereignisse in der Vergangenheit waren Teil seiner Geschichte. Beide Patienten sind in der Aktivität ihres autonomen Nervensystems zu tief und haben somit keinen optimalen Schlaf oder optimale Heilungsfähigkeit. Das Ziel muss es hier sein, beide Patienten in den grünen Bereich zu bekommen.
Nicht nur die Balance wird wiederhergestellt, auch die Aktivität des Nervensystems kann dadurch positiv beeinflusst werden, was wiederum eine Vielzahl von Auswirkungen hat: Das Energielevel steigt tagsüber, Schlaf wird erholsamer, die Symptomatik verringert sich, Medikamente können reduziert werden, Schmerz verschwindet und das Immunsystem wird stärker. Gut und erholsam durchzuschlafen, ohne nachts aufstehen zu müssen oder wach zu werden, ist hier ein Schlüsselelement. Heilung passiert im Schlaf, v. a. in den Tiefschlafphasen, daher muss es immer ein Ziel der Therapie sein, Schlafqualität zu verbessern und nächtliche Störungen zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren, um den größtmöglichen Effekt auf Gesundheit zu haben. Es gibt einige Hinweise darauf, dass die gestörte Funktion bzw. eine fehlende Balance ein Motor für viele chronische Erkrankungen ist und dessen Messung einen Anhalt für den aktuellen Stresszustand des Patienten geben kann.
Die Wirbelsäule als Hülle und Stütze des Nervensystems ist für die Funktion und Balance essenziell. Normalerweise ist die Wirbelsäule von vorne gesehen gerade und weist von der seitlichen Ansicht eine doppelte S-Kurvenform auf.
Diese Struktur gilt als physiologisch, kann aber durch viele Faktoren beeinflusst werden: Unfälle oder andere äußere Gewalteinwirkungen, chronischer Mineralienmangel, chronische Fehlhaltungen, ständiges Sitzen u. a. wirken sich kurz-, mittel- und langfristig auf die Struktur der Wirbelsäule und damit auch auf die Funktion des darin enthaltenen Nervensystems aus.
Interessant wird es, wenn die Fehlhaltung/strukturellen Probleme verbessert werden. Dies hat einen starken Einfluss auf die autonome Kontrolle von peripheren Geweben und kann so positiv auf praktisch alle chronischen Erkrankungen einwirken. Das zeigt, wie mächtig unser zentrales Nervensystem ist und wie sehr es versucht, für uns zu arbeiten. Aus diesem Grund können Kniebeschwerden verschwinden, wenn die Wirbelsäule entlastet wird, auch wenn das Knie nie angetastet worden ist. Das Prinzip ist für alle Gewebe zulässig, da die Nerven aus der Wirbelsäule alle Zellen des menschlichen Körpers erreichen und beeinflussen.
Quelle: Adobe Stock
Wenn Sie ein Heer haben, dass die Schlacht verliert, tauscht man auch nicht einen einzelnen Soldaten aus (höchstens in Hollywood Filmen), sondern lässt den General andere Befehle erteilen, damit die gesamte Armee anders agiert. So ähnlich kann man sich das vielleicht für die Funktion des Nervensystems vorstellen.
Oftmals wird eine MRT Untersuchung durchgeführt, um Bandscheibenschäden und Kompressionszeichen von Nervenwurzeln zu diagnostizieren. Diese Diagnostik hat aber zwei entscheidende Nachteile. Zum einen sieht man immer nur eine Schicht der Wirbelsäule und nie das ganze Konstrukt auf einem Bild, zum anderen liegt der Patient. Die Wirbelsäule sieht bei einem Patienten im Liegen und Stehen manchmal ganz anders aus, was sich durch eine andere Lastverteilung und dementsprechende Biomechanik beim Stehen erklären lässt. Wenn man also einen Menschen manualmedizinisch behandeln möchte, ist ein stehendes Röntgenbild der gesamten Wirbelsäule eine größere Hilfe und gibt ein realistischeres Bild ab als eine MRT Untersuchung.
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