»Morgen«, sagte er höflich.
Kurt knurrte: »Ist das nicht ein bisschen früh?«
»Sie sind wohl ein Morgenmuffel?«, fragte der kleine Mann mitfühlend. »Ich weiß, wie das ist. Keine Sorge, das Frühstück ist bestimmt schon auf dem Weg. Kaffee, Toast und Marmelade, Schinken und Eier, ein Portiönchen Kedgeree, und Sie fühlen sich wie ein neuer Mensch.«
Kurt setzte sich auf und streckte sich. »Wofür halten Sie das hier, für ein intergalaktisches Hilton? Wir können froh sein, wenn wir überhaupt was zu essen kriegen.«
»Na, das traditionelle zünftige Frühstück werden wir doch wohl bekommen?«
»Traditionell für wen?«
»Für Todeskandidaten?«
Auf dem Flur schepperte etwas, dann wurde aufgeschlossen. Ein bewaffneter Wächter öffnete die Tür und trat zur Seite. Ein riesiges, menschenähnliches Wesen kam herein, wobei es den Kopf einziehen musste. In jeder Hand trug es einen Metalleimer. Der linke enthielt irgendeine grüne Pampe, aus der der Griff einer Kelle hervorragte, der rechte war voller hölzerner Schalen und Löffel.
Kurt betrachtete die Kreatur mit mäßigem Interesse. Sie gehörte zu den Jekkari, den Ureinwohnern dieses Planeten. Kurt hatte noch nie einen aus der Nähe gesehen. Sie lebten in den Wäldern, die den Großteil der Planetenoberfläche überzogen – jene Wälder, die die Siedler abholzten, um Ackerland zu gewinnen. Die meisten enteigneten Jekkari hatten sich einfach in die Wälder zurückgezogen. Einige schienen jedoch von den Kolonisten fasziniert zu sein und blieben in der Nähe der Höfe und Siedlungen.
Die Siedler hatten eine ganze Reihe von ihnen erschossen, ehe sie begriffen hatten, dass die Jekkari völlig harmlos waren. Nun verwendeten sie sie als Diener für niedere Arbeiten. Die zahmen Jekkari waren unglaublich stark und man konnte ihnen leicht beibringen, einfache Aufgaben zu übernehmen. Und das Beste: Sie arbeiteten umsonst.
Das Wesen stellte die Eimer auf dem Boden ab, fischte zwei Schalen aus dem rechten und legte zwei Löffel dazu. Dann füllte es aus dem Eimer zu seiner Linken mit der Kelle die glibbrige Masse in die beiden Schalen. Die ganze Zeit über starrte es Kurts Zellengenossen mit seinen großen, dunklen Augen seltsam durchdringend an.
Zu Kurts Erstaunen ergriff der kleine Mann die riesige Hand des Jekkari und tippte mit seinen Fingern ein komplexes Muster auf die schwarze, samtige Handfläche.
Der Wächter erschien in der Tür. »Mach schnell, Großer.«
Der Mann hatte die Hand des Jekkari bereits wieder losgelassen. Das Wesen hob die Eimer auf und verließ die Zelle.
»Haut rein«, sagte der Wächter, während er Anstalten machte, die Tür zuzuziehen. »Bald geht die Gerichtsverhandlung los.«
»Hey, Moment mal!«, rief Kurt. »Was zum Teufel ist hier los? Wie können die während einer Invasion eine Gerichtsverhandlung abhalten?«
»Die Invasion ist vorbei«, informierte ihn der Wächter. »Wir haben eine neue Regierung und die ist sehr erpicht auf Recht und Ordnung. Man wird euch beiden gehörig den Kopf waschen, darauf könnt ihr Gift nehmen.« Er knallte die Zellentür zu und schloss ab.
Kurt warf seinem Zellengenossen einen neugierigen Blick zu. »Was sollte das gerade …«
Der kleine Mann schüttelte den Kopf und legte einen Finger an die Lippen.
Kurt zuckte mit den Schultern, hob seine Schüssel auf und probierte einen Löffel von der zähen Grütze. »Lenta-Eintopf. Ist alles drin, was man für eine gesunde Ernährung braucht.«
Der kleine Mann tat es ihm gleich und schauderte. »Aber rein gar nichts, was dafür sorgt, dass man’s auch gern isst.«
»Man gewöhnt sich dran«, sagte Kurt gleichgültig. »Es ist billig, nahrhaft und hat eine leicht beruhigende Wirkung. Ist in vielen Gefängnissen gang und gäbe.«
»Sie scheinen sich ja gut auszukennen!«
»Ich war schon öfters im Knast.« Kurt schaute zur Zellentür, durch die der Wächter verschwunden war. »Der muss ja ziemlich schnell die Seite gewechselt haben.«
»Wenn man sein Leben lang Leute wegsperrt, ist es einem wohl irgendwann egal, für wen man sie wegsperrt. Außerdem haben die Sontaraner so ihre Methoden, sich vor Ort Hilfe zu beschaffen.«
»Und die wären?«
»Entweder man arbeitet für sie – oder sie bringen einen um.«
»Wer waren die noch mal, sagten Sie?«
»Die Sontaraner. Auf sie passt sehr schön Thomas Hobbes’ Beschreibung des menschlichen Lebens: ekelhaft, brutal und kurz. Sie sind eine extrem militärisch geprägte Spezies – sie leben für den Krieg. Sie reproduzieren sich durch Klonen, immer gleich eine Million Krieger auf einmal.«
»Dann müssten sie die Galaxis ja eigentlich längst überrannt haben.«
»Sie sind vor allem mit ihrem Krieg gegen ihre Erzfeinde, die Rutaner, beschäftigt.«
»Und was wollen sie dann hier?«
»Ich nehme an, sie wollen einen Cordon sanitaire um ihre Heimatwelt errichten.«
»Einen was?«
»Eine Pufferzone. Wenn sie angegriffen werden, fechten sie die Schlacht hier aus oder auf anderen Planeten wie diesem. Die Planeten in der Zone gehen dabei zugrunde, aber ihre Heimatwelt bleibt unversehrt.«
Kurt nickte nachdenklich.
Nach einer Weile fuhr der kleine Mann fort: »Ich will ja nicht neugierig sein, aber wie hat es Sie denn an diesen entzückenden Ort verschlagen?«
»Ich bin Schmuggler«, antwortete Kurt fröhlich. Er erzählte von seinem Pech mit der Ladung Jekkarta-Gras. »Und Sie?«
»Ich studiere fremde Lebensformen. Ich war draußen in den Wäldern und hab bei den Jekkari gelebt. Als ich wieder nach Port City kam, war der Planet in andere Hände übergegangen.«
»Sie haben bei den Jekkari gelebt ?«
Der Mann nickte.
»Aber das sind doch nur Tiere – Affen!«, protestierte Kurt. »Die können nicht mal sprechen!«
»Glauben Sie wirklich, jeder, der still ist, wäre auch dumm?«, fragte sein Zellengenosse scharf. »Oft ist es genau andersherum! Die Jekkari leben in Baumhäusern, sie haben richtige Dörfer. Sie ernähren sich vegetarisch, weil sie nicht gern töten, und sie hassen Maschinen. Sie haben eine ureigene wunderbare Kultur, die zu ihnen und zu ihrem Planeten passt. Oder zumindest hatten sie das …«
»… bis die Siedler kamen«, sagte Kurt. »Und jetzt die Sontaraner. Sieht ganz so aus, als war’s das für Ihre Jekkari – so oder so.«
»Nicht unbedingt«, sagte der kleine Mann geheimnisvoll. »Manchmal heben sich zwei Übel auch gegenseitig auf.«
Kurt runzelte die Stirn. »Okay, Sie haben also bei den Jekkari auf irgendeinem Baum gelebt. Und warum sitzen Sie jetzt im Knast?«
»Die Sontaraner behaupten, ich sei ein Spion.«
»Und sind Sie einer?«
»Wer, ich? Sehe ich etwa wie ein Spion aus? Ich bin nur ein einfacher Gelehrter, der sein Leben der Suche nach Wissen widmet.«
»Klar sind Sie das. Und ich bin bloß ein Händler, der sich auf ehrliche Weise seine Credits verdienen möchte. Geht doch nichts über ’ne hübsch frisierte Geschichte.«
Kurze Zeit darauf wurden sie von einem menschlichen Wächter abgeholt, den zwei sontaranische Soldaten begleiteten. Sie wurden über die Landefläche zu den zentralen Verwaltungsgebäuden geführt.
Abgesehen von einem eingestürzten Nebengebäude und einem umgekippten Raumfrachter waren kaum Anzeichen eines Kampfs zu erkennen. Kurts eigener Frachter stand am Rand des Feldes – unversehrt und, vermutlich, nach wie vor beladen.
Kurt schüttelte den Kopf und dachte traurig über den hübschen Profit nach, der ihm durch die Lappen gegangen war. Die Sontaraner hätten den Planeten ruhig einen Tag später einnehmen können.
Der größte Tagungsraum des Raumhafens war zu einem Gerichtssaal umfunktioniert worden. Eine Flagge, wahrscheinlich die des sontaranischen Imperiums, hing an der rückwärtigen Wand und wurde von zwei Soldaten flankiert.
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