Linus
oder
Auch Katzen kennen Karma
Izzy O'Brian
Band 5 der Katzenreihe
Für Kathrin, Sandra und Lukas,
die mir gezeigt haben, was Mamasein bedeutet.
©Izzy O'Brian 2020
Machandel Verlag Haselünne
Charlotte Erpenbeck
Cover-Bild: Maria Stezhko, shutterstock.com
Illustration: Mahmataya:Broha, shutterstock.com
1. Auflage 2021
ISBN 978-3-95959-306-9
Die Umstände machten aus uns das,
was wir wurden.
(Ferris MC)
Die Sache mit den sieben Leben
Wie jeder weiß, haben wir Katzen sieben Leben.
Danach ist allerdings Schluss mit Schnurren, aus die Maus, Schicht im Katzenklo.
Es sei denn, man hat einen Menschen mehr geliebt als sich selbst. Dann darf man über die Regenbogenbrücke, um dort auf denjenigen zu warten. Das gilt natürlich auch umgekehrt, je nachdem, wer zuerst die Bürste abgibt.
Auch das ist vielen bekannt.
Was die Zweibeiner allerdings nicht wissen – wir Katzen haben tatsächlich Karma.
Das heißt, wir dürfen zwar nach jedem Leben Wünsche äußern, wo und wie wir das nächste verbringen wollen. Das gesammelte Karma aber entscheidet über die Auslegung dieser Wünsche. Und das kann auch gewaltig nach hinten losgehen, denn, ganz unter uns, das Karma ist ein miesepetriger Paragraphenkacker!
Außerdem mag es mich nicht. Spätestens seit Chantale. Dabei hatte sie den Tod wirklich verdient. Ihr glaubt mir nicht?
Na gut. Macht es euch gemütlich, nehmt eine Schale Milch - ich erzähle euch alles der Reihe nach.
Mein Wunsch:
Eine liebevolle Umgebung, in der das Füttern nicht vergessen wird.
Das Ergebnis:
Ein Altersheim.
Erster Eindruck:
Genial!
Ich war so glücklich, dass ich lauter schnurrte als ein Tiger im Megaphon. Alle Menschen liebten mich. Mir wurden regelrecht Löcher ins Fell gekrault, auf jeder Decke war ich willkommen und erst die Leckerlis! Herrlich.
Dann kam Oscar. Ihr wisst schon, diese olle Mieze, die sich immer nur zu Sterbenden gelegt hat.
Damals lernte ich, Menschen sind Pharisäer. Ein Buch reicht und das Lieblingstier wird zum Staatsfeind Nummer eins degradiert.
Kaum lugte ich ins Zimmer, schon krachten die ersten Sachen gegen die Wand. Hausschuhe, Schnabeltassen, Tablettenröhrchen – wirklich alles! Die Hexe aus Zimmer 8 warf sogar ihr Gebiss nach mir. Wären die alten Herrschaften etwas zielsicherer gewesen, wäre mein erstes Leben vermutlich durch eine fliegende Bettpfanne beendet worden.
Danach hätte ich mich nirgends mehr blicken lassen können. Also musste dieses Buch weg! Und zwar schleunigst.
Doch egal, ob ich es aus dem Fenster warf, Seiten herausbiss oder ins Katzenklo verschleppte – es kehrte jedes Mal unversehrt zurück.
Erst als ich es mitten im Gang deponierte und gründlich anpinkelte, hatte der Spuk ein Ende (Nein, darauf bin ich nicht stolz! Aber ein Kater muss tun, was ein Kater tun muss.)
Danach brauchte ich nur noch ein paar Tage warten und die Demenz erledigte den Rest.
Das dolce vita hatte mich zurück.
Dummerweise nicht besonders lang.
Nach vier Jahren beendete eine Herzverfettung den paradiesischen Zustand. Von wegen Essen hält Leib und Seele zusammen.
Mein Wunsch:
Nur noch ein zuständiger Mensch, der außerdem auf die Gesundheit achtet und keine Bücher liest.
Schon gar keine über Katzen.
Das Ergebnis:
Eine bloggende Veganerin.
Erster Eindruck:
Könnte klappen.
Veronika. Mein neuer Mensch hieß Veronika Maria Sophia Meyer. Dass sie diesen Namen loswerden wollte, verstand ich. Warum sie sich VeggieBraut2 nannte, nicht.
Aber gut, dachte ich, jeder hat eben seine Eigenheiten. Und was seltsame Ideen angeht, konnte mich nach dem Altersheim nichts mehr erschüttern.
Die ersten Monate verliefen durchaus harmonisch. Während sie an ihrem Bezee saß und mit den Fingern klopfte, schlief ich auf einem der unzähligen Kissen. Wenn ich Liebe wollte, brauchte ich nur den Kopf an ihrem Bein zu reiben und schon hob sie mich hoch, spielte mit mir oder gab mir Futter.
Nach und nach begann sich unser Leben zu verändern.
An jedem Fenster wucherte Unkraut, die seltsamen Duftwolken, mit denen sich Menschen so gerne einnebeln, verschwanden gänzlich. Ebenso wie der Mann, der so herrlich nach Wurst roch. Definitiv ein Verlust, aber verschmerzbar. Immerhin hatte er nur selten geteilt.
Dass sie unterdessen mehr und mehr Zeit vor dem Bezee verbrachte, kam mir sogar entgegen. Nach dem ersten jugendlichen Überschwang schlafen wir Katzen schließlich gern. Außerdem blieb das Futter tadellos.
Da außer uns beiden niemand die Wohnung betrat, fing sie irgendwann an, mir von ihrem Tag zu erzählen. Vor allem von der ekeligen, dicken Kollegin, die ihr gegenüber saß und ihr ständig was zu essen anbot.
Ihr Problem damit verstand ich zwar nicht, aber als Katze musste ich ja auch kein Mitgefühl heucheln. Ich blieb einfach stoisch liegen und ließ den Redefluss über mich ergehen.
Am liebsten philosophierte sie über die Menschen im Allgemeinen und die Zerstörung der Umwelt im Besonderen. Nach und nach wurde der Tonfall der Vorträge unangenehm. Aufgeregt und schrill, teilweise sogar wild gestikulierend wanderte sie durch die Wohnung. Viel zu anstrengend für einen Kater. Ich verzog mich ins Schlafzimmer und sie sich ins Internet. Dort trieben sich ähnliche Spinner herum, die ihr noch den einen oder anderen Floh mehr ins Ohr setzten.
Allerdings sind Flöhe furchtbar. Das kann euch jede Katze bestätigen.
Dann wurden wilde Pläne geschmiedet. Von zerstörten Fabriken und befreiten Tieren war die Rede – und noch jede Menge weiterer Humbug. Aber abgesehen von dieser eklatanten Ruhestörung war es mir vollkommen gleichgültig, dass sie sich umbenannt hatte und jetzt als FighterforVeggie die Welt retten wollte. Wenn es ihr Spaß machte, bitte sehr. Beste Grüße an die Welt, aber lasst mich in Ruhe schlafen.
An einem verregneten Herbsttag beging sie den einen, entscheidenden Fehler: Sie weigerte sich, mir mein Futter zu kaufen.
Nie wieder wollte sie eine Metzgerei betreten oder tote Tiere in der Wohnung haben. Stattdessen sollte auch ich mich gesund ernähren.
Was, bitteschön, ist für eine Katze gesünder als Frischfleisch? Ich meine, hallo – wir sind Fleischfresser! Eine vegane Katze ist in etwa so sinnvoll wie ein Regenwurm in einer Stepptanzgruppe.
Und kommt mir jetzt bloß nicht mit fleischfressenden Pflanzen. Die haben sich das selbst ausgesucht.
Aber wenn sie einen Kampf haben wollte, konnte sie haben.
Mit den Waffen einer Katze würde ich sie, da war ich mir sicher, rasch in die Knie und zurück zum Metzger zwingen.
Wie es sich für einen Kater gehört, strafte ich den Napf mit Verachtung.
Einen Tag, zwei Tage.
Natürlich wechselte ich kunstvoll ab zwischen lautstarkem Protest und theatralischen ich-kann-mich-kaum-noch-auf-den-Beinen-halten.
Sie blieb eisern.
Ich auch.
An Tag drei begann ich die Tür zum Vorratsraum zu zerkratzen und mit entkräfteter Stimme erbärmlich zu mauzen.
Sie drehte diesen Lärm namens Musik lauter.
Also stellte ich das Schreien ein und fuhr die Krallen aus. Am vierten Tag zerlegte ich systematisch alles, was ihr lieb war.
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