Der Pauli legte eine Rolle Pizzateig, eine Packung Mozzarella und einen Zipfel Salami auf den Tisch. „Den Anton kannst auch abziehen, unsere Nachtigall war seit neun Uhr im Musiksaal zur Probe für das Abschlusskonzert.“
„Na super“, sagte die Rosi, „sind es nur mehr fünfzehn kleine Indianer.“
„Und das sind vierzehn zu viel!“ Der Pauli holte eine Dose Filetti di pomodore aus dem Vorratsschrank und einen Topf Basilikum vom Küchenfenster. Den Basilikumtopf stellte er der Rosi auf den Schoß und verlangte: „Blätter auf kleine Stücke zupfen!“
„Jawohl, Herr Chef!“, sagte die Rosi und machte sich dran, die Stängel kahl zu rupfen.
Der Pauli plagte sich mit der Paradeiserdose und dem Dosenöffner ab und werkelte schnaufend herum. Mit Dosenöffnern steht er auf Kriegsfuß.
„Gib her!“ Die Rosi nahm ihm die Dose und den Öffner weg. „So macht man das, du Patschachter!“ Grinsend reichte sie ihm die geöffnete Dose. Der Pauli holte ein Sieb, stellte es in die Abwasch und schüttete den Paradeisergatsch rein.
„Das ist mir nämlich zu flüssig!“, erklärte er der Rosi.
Dann schnitt er den Salamizipfel und den Mozzarella auf kleine Würferln und hielt die Rosi energisch davon ab, sich an den Salamiwürferln zu vergreifen.
„Den Nenad und den Sepp können wir auch von der Liste der Verdächtigen streichen“, sagte die Rosi. „Weil die zwei haben sich überhaupt nicht von ihrem Pult weggerührt. Die haben in der Früh und während der ganzen Pause Schach gespielt. Auch noch wie die Lea schon losgeheult hat!“
„Glaubst du das nur oder weißt du es?“ Der Pauli rollte den Pizzateig auf dem Tisch aus, holte das Sieb mit den abgetropften Paradeisern und verteilte sie schön gleichmäßig auf dem Teig.
Die Rosi überlegte kurz, dann sagte sie: „Pudding, das weiß ich, das könnte ich vor jedem Gericht auf die Bibel schwören!“
„Okay, dann sind es eben nur dreizehn kleine Indianer. Dreizehn ist zwar meine Glückszahl, aber in dem Fall hilft uns das auch nicht weiter!“ Der Pauli streute die Mozzarella- und die Salamiwürferln zwischen die Paradeiser-Stücke, bröselte das zerzupfte Basilikum drüber, tröpfelte ein bisschen Olivenöl drauf und rollte den belegten Fladen zu einer Rolle auf.
„Und jetzt wasch dir die Pfoten und schmier mir ein Backblech mit Öl ein. Und vorher schalt das Backrohr an. Auf zweihundertzwanzig Grad Umluft!“, kommandierte er.
„Jetzt mach aber mal halblang!“ Die Rosi schüttelte den Kopf. „Ich bin fürs Kochen nicht zuständig, kommandier mich gefälligst nicht rum wie der Chefkoch den Lehrbuben! Und vor Öl auf den nackten Fingern graust mir total! Gibt es da wo Gummihandschuhe?“
„Schnepfe!“, zischte der Pauli, schaltete das Backrohr an, holte das Backblech aus der Lade unter dem Backrohr, schüttete Öl drauf und verteile es mit den Händen.
„Und die Hände gewaschen hast dir vorher selber auch nicht!“
Die Rosi rutschte vom Tisch, lehnte sich an den Eisschrank und verschränkte die Arme über der Brust. „Pudding, du bist einfach stockstinksauer, weil du nicht weißt, wie du den Herz-Dieb entlarven kannst!“
Der Pauli schnitt die Teigrolle auf daumendicke Schnitten, legte sie – wie Zimtschnecken – auf das ölige Blech, tröpfelte noch ein bisschen Öl auf jede Schnecke, schob das Blech ins Backrohr und wusch sich dann bei der Abwasch die öligen Hände. „Ich bin stockstinksauer, weil ich mir vorstellen kann, was morgen bei uns in der Klasse los sein wird!“
„Was soll denn jetzt noch passieren?“ Die Rosi schaute den Pauli erstaunt an.
„Glaubst du vielleicht, unsere werten Kollegen und Kolleginnen gehen jetzt einfach zur Tagesordnung über? Ich wette mit dir um vier Wochen Taschengeld, dass ab morgen bei uns in der Klasse das wilde Verdächtigen losgeht.“
Die Rosi hatte keine Lust, die Wette anzunehmen.
Bis die Pizzaschnecken schön semmelbraun waren und aus dem Backrohr dufteten, schwiegen der Pauli und die Rosi vor sich hin. Erst als der Pauli das Backblech aus dem Backrohr geholt und die Pizzaschnecken gerecht auf zwei Teller verteilt hatte, sagte die Rosi: „Ich nehme an, die meisten werden wahrscheinlich die Maria verdächtigen, weil sie neben der Lea am Pult sitzt und es ihr am ehesten gelungen sein könnte, das Herz unauffällig verschwinden zu lassen!“ Der Pauli stopfte sich eine halbe Pizzaschnecke in den Mund und sagte mampfend: „Glaube ich nicht. Sie werden vermuten, dass es der Jonas gewesen ist. Weil der Jonas voriges Jahr im Supermarkt beim Kaugummi-Fladern vom Filialleiter erwischt worden ist. Weißt eh, einmal Dieb, immer Dieb!“
„Wird sich ja morgen rausstellen, ob einer von uns richtig getippt hat“, sagte die Rosi und grapschte dem Pauli, während er sich ein Glas Mineralwasser einschenkte, die letzte Pizzaschnecke vom Teller. Bis zum nächsten Tag mussten die Rosi und der Pauli gar nicht warten. Sie hatten sich nach dem Pizzaschnecken-Mahl gerade zu einem Verdauungs-Fernseh-Stündchen aufs Sofa gesetzt, da klingelte Rosis Handy. Die Anna war dran und trompete ganz aufgeregt: „Rosi, weißt du, was die Verena und ich gerade ganz zufällig rausgefunden haben?“
„Nein! Aber gleich werde ich es ja wohl von dir erfahren!“, sagte die Rosi eisig.
„Dem Jonas seine große Schwester heißt Lea!“, schnatterte die Anna ins Telefon, und der Pauli rückte dicht an die Rosi ran, um mithören zu können. „Und der Jonas war in der Pause bei der Maria und hat sich von ihr, weil er vorige Woche gefehlt hat, das Physikheft zum Nachschreiben ausgeborgt!“
„Na und?“, fragte die Rosi. Noch eisiger.
„Ja, klingelt es da bei dir im Kopf nicht?“, rief die Anna.
„Mein Hirn hat leider keine eingebaute Klingel.“ Jetzt war die Stimme der Rosi schon eiszapfeneisig.
„Steh nicht auf der Leitung, Rosi. Das ist doch eindeutig voll verdächtig“, sagte die Anna. „Garantiert will der Jonas seiner großen Schwester das Herz zum Geburtstag oder zu Weihnachten oder zu sonst was schenken. Weil Geld hat der nämlich nie, dem kauft seine Mutter die Klamotten sogar im Secondhandshop. Und dass er schon einmal gestohlen hat, ist ja bekannt!“
Die Rosi drückte die Aus-Taste, legte das Handy auf den Couchtisch und rülpste. Weil sechs Pizzaschnecken und eine haltlose Verdächtigung einen zarten Mädchenmagen in gewaltige Unruhe versetzen können.
Dann sagte sie zum Pauli: „Pudding, der wahre Dieb muss einfach gefunden werden! Der Jonas ist keiner, der es verdient hat, bloß weil er einmal einen Kaugummi hat mitgehen lassen, ewig als Dieb zu gelten. Und wehren kann der sich auch total schlecht. Also streng dich gefälligst an!“
Der Pauli seufzte tief. „Ich werde es versuchen, aber da kann eigentlich nur noch Kommissar Zufall helfen.“
Wie so oft keuchte der Pauli am nächsten Morgen erst ein paar Minuten nach dem Acht-Uhr-Läuten in die Klasse. Morgenmensch ist er eben keiner und außerdem muss er das Aufstehen und Frühstücken und Schulbrotemachen ganz allein schaffen. Seine Mutter dampft schon um sieben Uhr ins Büro ab. Aber er hätte sich diesmal gar nicht zu beeilen brauchen, denn die Englisch-Lady verspätete sich um eine Minute länger als er und entschuldigte sich schnaufend mit einer U-Bahn-Störung.
„Wenn unsereiner mit dem U-Bahn-Schmäh ankommen täte, würde es gleich heißen, dass das eine dumme Ausrede ist“, zischte die Rosi dem Pauli zu.
„Und was tut sich in der verdammten Herz-Angelegenheit?“, fragte der Pauli leise.
„Da tut sich der helle Wahnsinn“, flüsterte die Rosi und die Englisch-Lady rief: „Ruhe da hinten! Keine Privatgespräche, wenn ich bitten darf!“
Die Rosi nahm ihren Notizblock, schrieb drauf: Jetzt halten den Jonas schon fast alle für den Dieb. Außer dem Felix und dem Anton und dem Nenad. Der Sepp und der Max schwanken noch .
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