Taraß zog durch Polen, er legte achtzehn Städte und Dörfer in Asche, brannte an die vierzig Kirchen nieder und kam bis in das Vorland von Krakau. Viele polnische Junker mußten über die Klinge springen, die reichsten und schönsten Schlösser wurden geplündert. Die Kosaken drangen in die wohlbehüteten Keller der Magnaten, hieben die Zapfen aus den Fässern und ließen den hundertjährigen Met und Wein auf den Boden plätschern. Sie rissen kostbare Gewänder und reiches Gerät aus den Schränken und warfen alles ins Feuer. »Nur nichts verschonen!« war Bulbas Befehl. Auch die schwarzäugigen Edelfrauen, die Fräulein mit weißen Brüsten und blühenden Wangen fanden kein Mitleid bei den Kosaken. Umsonst flohen sie schutzsuchend an die Altäre – Taraß verbrannte sie samt den Altären. Manch eine schöne Hand krallte aus der Glut verzweifelt gen Himmel, und Schreie gellten empor, die selbst die alte Erde erschüttert, die selbst die Gräser des Feldes erbarmend ihr Haupt hätten neigen lassen. Aber die rauhen Kosaken scherte das wenig, sie spießten die Säuglinge der wimmernden Frauen auf ihre Lanzen und schleuderten sie zu den Müttern in das Flammengewühl.
»So les ich euch die Totenmesse für meinen Ostap, ihr verfluchten Polacken!« sagte Taraß.
Solcher Totenmessen für Ostap las Taraß in Städten und Dörfern gar viele, bis endlich die polnische Regierung erkennen mußte, daß Bulbas Rachezug mehr war als einer der üblichen Raubüberfälle. Derselbe Potocki, der den Frieden von Polonnoje abgeschlossen hatte, wurde mit fünf Regimentern ausgeschickt und erhielt den Befehl, Taraß zu fangen, koste es, was es wolle.
Sechs Tage lang entrannen die Kosaken auf Schleichwegen ihren Verfolgern; fast brachen die Gäule bei den unerhörten Gewaltmärschen zusammen. Diesmal aber zeigte sich Potocki seiner Aufgabe gewachsen: er ging den Kosaken nicht von der Spur und stellte sie endlich am Ufer des Dnjestrs, wo Bulba sich in ein verlassenes, zu Trümmern zerfallnes festes Schloß geworfen hatte, damit sich Mann und Roß ein wenig verschnaufen könnten.
Hart über dem Steilhang des Stroms stand die Burg mit zerschossenem Wall und durchlöcherten Mauerresten. Schutt und Ziegelbrocken bedeckten den Gipfel des Felsens, der überhing und aussah, als wolle er jeden Augenblick in die Tiefe stürzen. Ein Abstieg zum Fluß war unmöglich, und von der Landseite schloß Potocki mit seinem Heer die Kosaken ein. Vier Tage lang schlugen sich die Belagerten wütend und schleuderten Ziegel und Feldsteine gegen den Feind. Dann aber gingen Proviant und Kraft auf die Neige. Taraß faßte den Entschluß, auszubrechen.
Schon hatten sich die Kosaken eine Bahn durch den Ring der Polen gehauen, und vielleicht wären ihnen die treuen Gäule noch einmal zur Rettung geworden; da hielt plötzlich Taraß mitten im tollsten Galopp an und schrie: »Halt! Ich hab meine Tabakpfeife verloren. Nicht einmal meine Pfeife sollen sie kriegen, die verfluchten Polacken!« Taraß Bulba beugte sich aus dem Sattel und spähte im Gras nach der Pfeife, seiner unzertrennlichen Gefährtin zu Wasser und zu Land, daheim und im Felde. Da aber fiel schon ein ganzer Schwarm Feinde über ihn her und hängte sich ihm an die mächtigen Schultern. Wohl schlug und trat er wütend um sich, doch heute schüttelte er damit die Heiducken nicht ab, wie einst in jüngeren Tagen.
»Ja, ja, alt wird man!« sagte der beleibte Graukopf und weinte bitterlich. Doch nicht seine Jahre trugen die Schuld – die Übermacht zwang ihn. Dreißig Mann wohl hielten ihn an Armen und Beinen.
»Haben wir dich Aasvogel endlich!« schrieen die Polacken. »Fragt sich jetzt nur noch, wie man dich Hundsfott am besten totmacht!«
Taraß wurde, mit Zustimmung Potockis, dazu verurteilt, vor versammeltem Heer lebendig verbrannt zu werden. In der Nähe stand ein abgestorbner Baum, dessen Krone vom Blitz zerschmettert war. Die Polen fesselten Taraß mit eisernen Ketten an den Stamm und zogen ihn hoch empor, daß alle ihn sehen könnten. Seine Hände wurden auf das Holz genagelt; dann ging man eilend daran, um den Baum einen Scheiterhaufen zu schichten. Taraß gönnte dem Scheiterhaufen keinen Blick, keinen Gedanken dem Feuer, in dem er verbrennen sollte – er schaute erregt in die Richtung, wo seine Kosaken noch mit den Polen kämpften. Da er so hoch hing, lag das alles vor ihm wie auf der flachen Hand.
»Vorwärts, Burschen, beeilt euch!« schrie er. »Besetzt den Hügel hinter dem Wald – den stürmen die Kerle nie!« Aber der Wind verwehte seine Worte. »Sie reiben sich auf für nichts und wieder nichts!« murmelte er in grimmer Verzweiflung. Da fiel sein Blick auf den Dnjestr, der blank die Sonne spiegelte. Ein Leuchten des Triumphs trat in seine Augen. Unten sahen hinter dichtem Buschwerk vier Boote hervor.
Taraß nahm alle Kraft seiner Stimme zusammen und brüllte gewaltig: »An den Fluß, an den Fluß, Burschen! Jagt den kleinen Weg am Hang hinunter, den linken von den zwei Wegen! Es liegen Kähne am Ufer! Nehmt sie nur alle – dann können sie euch nicht nach!«
Jetzt blies der Wind von der andern Seite, und die Kosaken verstanden jedes einzelne Wort. Taraß bekam von den Polacken zum Dank für seinen Rat eins mit der stumpfen Seite einer Axt auf den Kopf, daß sich alles vor seinen Augen drehte.
Die Kosaken sprengten in voller Flucht den Hangweg hinunter; doch die Verfolger waren ihnen dicht auf den Fersen. Und der schmale Pfad schlug ewig Bogen und führte weit um. »So geht das nicht, Kameraden!« sagten die Verfolgten und machten für einen Augenblick halt. Dann aber: ein wildes Ausholen mit den Knuten, ein gellender Pfiff, und ihre tatarischen Gäule lösten die Hufe vom Boden, streckten die Leiber in der Luft wie Schlangen, überflogen den Abgrund, platschten schwer in das Wasser des Flusses. Bloß zwei von den Kosaken sprangen zu kurz: sie krachten auf die Steine hinunter und ließen samt ihren Gäulen das Leben, ohne auch nur einen Schrei ausstoßen zu können. Die Kameraden waren derweil auf ihren Rossen schon ein Stück stromab geschwommen und banden die Kähne los. Die Polacken stutzten vor dem Abgrund, starr vor Staunen über das unerhörte Kosakenstücklein. Sollten auch sie den Sprung wagen, oder sollten sie nicht? Einer der polnischen Obersten, ein hitziges junges Blut, der leibliche Bruder der schönen Polin, die den armen Andri in ihre Netze gezogen hatte, überlegte nicht lange und setzte mit keckem Entschluß den Kosaken nach. Er überschlug sich mit seinem Gaul dreimal in der Luft und krachte senkrecht auf die spitzen Klippen nieder. Das scharfe Gestein riß seinen Leib in Stücke; Hirn und Blut spritzten auf das Gesträuch in den Spalten des Hanges.
Taraß erwachte aus seiner Betäubung; seine Augen suchten den Dnjestr: die Kosaken saßen in den Kähnen und legten sich fest in die Riemen. Ein Hagel von Kugeln schmetterte von der Höhe hinab, aber er traf nur das Wasser.
Helle Freude strahlte aus den Augen des alten Taraß. »Lebt wohl, Kameraden!« schrie er. »Vergeßt mich nicht; und im Frühjahr, da kommt ihr wieder und spielt den Kerlen tüchtig zum Tanz auf! – Na, und ihr, was habt ihr denn jetzt, ihr Satanspolacken? Glaubt ihr, es gibt etwas in der Welt, wovor der Kosak sich fürchtet? Werdet es schon noch erleben: es kommt die Zeit, da ihr merkt, was das heißt, der russische Glaube! Heute schon spüren es alle Völker, die nahen und fernen; einmal geschieht es – da steht im russischen Land ein russischer Zar auf, vor dem beugen sich alle Mächte der Welt!«
Die Flamme schlug aus dem Scheiterhaufen empor, züngelte prasselnd um Bulbas Füße und fraß gierig das Holz.
Читать дальше