Originalausgabe November 2020
Charakter und Zeichnung: Tibor © Hansrudi Wäscher / becker-illustrators
Text © Thomas Knip
Copyright © 2020 der eBook-Ausgabe Verlag Peter Hopf, Minden
Korrektorat: Andrea Velten, Factor 7
Redaktionelle Betreuung: Ingraban Ewald
Umschlaggestaltung: etageeins, Jörg Jaroschewitz
Hintergrundillustration Umschlag: © Binkski – fotolia.com
ISBN ePub 978-3-86305-266-9
www.verlag-peter-hopf.com
Hansrudi Wäscher wird vertreten von Becker-Illustrators,
Eduardstraße 48, 20257 Hamburg
www.hansrudi-waescher.de
Alle Rechte vorbehalten
Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.
Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.
Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg, sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages erfolgen.
EINS
ZWEI
DREI
VIER
FÜNF
SECHS
SIEBEN
ACHT
NEUN
ZEHN
ELF
ZWÖLF
THOMAS KNIP
Die Spinnengöttin
Tibor (zweite Serie) Band 1
Brütende Hitze lag über Tibors heimatlichem Dschungel am Rande der ›Toten Sümpfe‹. Schon seit Tagen ging kein einziger Windhauch. Myriaden von Mücken hingen in Wolken über dem Wasser. Ihr leises Sirren war das einzige Geräusch, das die Luft erfüllte. Kein Tier zeigte sich, um seinen Durst zu stillen. Sie alle hielten sich im Schatten der Bäume verborgen. Es war, als sei der gesamte Dschungel in einen tiefen Schlummer gefallen.
Auch Tibor hielt nach einem erfrischenden Bad seinen Mittagsschlaf unter einem Sonnensegel. Das hieß, er versuchte es. Denn anders als er waren seine Begleiter, die Äffchen Pip und Pop und Kerak, der mächtige Gorilla, alles andere als ruhig.
»Gib mir sofort die Banane wieder!«, zeterte Pop und griff mit seinen kleinen Händen nach der reifen Frucht.
»Ich denke gar nicht daran!«, entgegnete Pip und hielt die Banane nur umso fester umklammert. Er pellte die Schale ab und riss das Fruchtfleisch mit einer schnellen Bewegung heraus. »Hier, die Schale kannst du zurückhaben«, meinte er gönnerhaft und grinste Pop frech an.
Dieser zeterte nun nur umso lauter und hüpfte wütend auf der Stelle. »So eine Frechheit! Na, warte!«
Mit einem Satz sprang er Pip an und schlang seine Finger um dessen Handgelenk, noch bevor er die Banane verzehren konnte.
»Hee, lass los!« Pip versuchte, sich aus dem Griff seines Bruders zu befreien. Zusammen kullerten sie über das ausgetrocknete Gras, ohne dass es einem von ihnen gelang, die Banane zu für sich zu ergattern.
Ein dumpfes Grollen erklang. Träge drehte sich Kerak, der dem Treiben bisher müßig zugesehen hatte, um, streckte seinen langen Arm aus und entriss den beiden Äffchen die Frucht mit einem kraftvollen Ruck.
»Ich weiß wirklich nicht, warum ihr euch streitet«, meinte er und grinste breit. »Die Banane habe ich jetzt, und …«, sie verschwand mit einem Bissen in seinem Maul, »… weg ist sie!«
Er kaute sie mit lautem Schmatzen und schluckte sie hörbar herunter.
»Das ist doch …«, ereiferte sich Pip.
Kerak strich sich die Reste aus den Mundwinkeln und leckte sie von seinen Fingern. »Damit wäre der Friede wieder hergestellt. Es gibt nichts mehr, worüber ihr euch streiten müsstet!«, meinte er mit einem zufriedenen Grinsen.
Tibor, der bei dem Lärm, den die Äffchen gemacht hatten, um seinen Schlaf gebracht worden war, sah zu ihnen herüber und lachte. »Gut gemacht, Kerak«, meinte er. »Das war geradezu weise von dir.«
Kerak nickte zufrieden und rieb sich seinen Bauch. Dann legte er sich wie Tibor wieder hin und döste in der Sonne.
Pip und Pop waren immer noch fassungslos und sahen sich um ihre schmackhafte Mahlzeit betrogen.
»Ob das wirklich weise war, wird sich noch herausstellen«, meinte Pip. »Komm!«, forderte er seinen Bruder auf.
»Übernehmt euch nicht!«, schickte Kerak ihnen hinterher und lachte auf.
Gemeinsam trollten sich die Äffchen vom Ufer und hüpften auf die Bäume zu. Binnen weniger Augenblicke hatte sie das Blattwerk verschluckt. Als Pip sicher war, dass sie der Gorilla nicht mehr hören konnte, hielt er an.
»Es wird Zeit, dass wir dem Dicken mal wieder zeigen, dass er mit uns nicht alles machen kann!«
»Ich bin ganz deiner Meinung«, grummelte Pop. »Kerak wird zu übermütig. Die Frage ist nur, was wir unternehmen können.«
»Hmmm …«, überlegte Pip, während er flink an einer Liane hochkletterte und sich mit ihr zum nächsten Baum schwang. Pop folgte, und zusammen turnten sie durch das Astwerk. Als sie eine Lichtung erreichten, hielt sich Pip an einem Ast fest und sah auf den Elefanten, der mit seinem Rüssel nach Nahrung in den Bäumen suchte.
»Was hältst du von unserem langnasigen Freund da drüben?«, fragte er Pop, der auf dem Ast neben ihm zum Halten kam.
»Ich … ich verstehe nicht«, entgegnete Pop und blickte verwundert auf den Elefanten, unter dessen mächtigen Schritten der Boden leicht erzitterte.
Pip drehte sich zu seinem Bruder um und neigte keck den Kopf. »Ich habe eine Idee … Geh schon an den Fluss zurück, damit du den Spaß nicht versäumst.«
Pop sah ihn fragend an und kratzte sich am Kopf. Als Pip eine Geste mit den Händen machte, die ihn verscheuchen sollte, folgte er der Anweisung und schwang sich zurück zum Lager. Pip sah ihm nach und drehte sich dann dem Elefanten zu. Er ließ sich auf den Boden fallen und blickte sich um. Es dauerte nicht lange, bis er fand, wonach er gesucht hatte.
Zufrieden umklammerte er den Stock, der deutlich länger war als er selbst, und zog ihn hinter sich her. Achtsam schlich er sich an den Dickhäuter heran, der, nichts Böses ahnend, die zarten Blätter von den Bäumen zupfte.
Pip wog den Stock in seinen Händen und sah die gewaltigen Hinterbeine des Elefanten hinauf. Er wusste, dass die Tiere in den Kniekehlen besonders empfindlich waren. Mit einem Satz sprang er in die Höhe …
*
Bulgro genoss den frischen Geschmack der Blätter, die er mit seinen Zähnen zermalmte. Er schloss gerade seinen Rüssel um ein weiteres Büschel, als er ein unangenehmes Stechen in der Kniekehle verspürte.
Unwillig machte er einen Schritt zur Seite, bevor er sich die Blätter in den weit aufgerissenen Rachen stopfte. Er musste sich wohl an einer hervorstehenden Wurzel gestoßen haben. Doch nur Augenblicke später war das Stechen erneut zu spüren, obwohl er nun auf der Stelle stand. Bulgro schwang seinen Kopf zur Seite, um zu erkennen, was ihm im Weg war.
Nun spürte er das pieksende Stechen auf der anderen Seite, und kurz darauf erneut.
Der Elefant schnaubte. Da trieb doch jemand seinen Schabernack mit ihm! Wiederholt sah er von einer zur anderen Seite nach hinten, ohne etwas erkennen zu können. Dafür folgte ein ums andere Mal das Stechen.
Ihm dämmerte es. Sicher waren das wieder Tibors nichtsnutzige Äffchen! Sie wähnten sich in dessen Gegenwart in Sicherheit und erlaubten sich allerhand Scherze, die sie sich ohne den Sohn des Dschungels an ihrer Seite nie trauen würden.
Bulgro stieß ein Tröten aus und drehte sich, so schnell er konnte, um. Dabei hörte er ein Knacksen und Rascheln im schattenverborgenen Unterholz. Mit stampfenden Schritten beschloss er, dem Geräusch zu folgen.
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