Ich glaube aber nicht (mehr), dass eine Ehe, koste es, was es wolle, aufrechterhalten werden muss. Das ist sogar relativ unbiblisch. Denn in Gottes Wort geht es in erster Linie um Wertschätzung und Liebe. In allen Facetten. Ich werde zu einem späteren Zeitpunkt noch intensiver über biblische Ehen und über Gottes Sichtweise auf zwischenmenschliche Beziehungen nachdenken.
TRENNUNGEN DÜRFEN NICHT LÄNGER TABUISIERT WERDEN
Manu hat übrigens eine ähnliche geistliche Vita wie ich und sagt deshalb, ohne dass ich das Thema extra anschneide: »Direkt nachdem ich wusste, dass meine Frau sich von mir trennt, dachte ich: Das darf nicht sein. Wir können uns doch nicht trennen. Das geht doch nicht.«
Er machte sich diese Gedanken aber nicht wegen der Ursachen an sich, sondern ebenfalls wegen seiner Prägung.
»Ich bin natürlich nicht der Meinung, dass es mehr Trennungen geben sollte«, fährt Manu fort. »Ich finde es aber gut, dass Scheidungen, gerade im christlichen Kontext, nicht mehr so tabuisiert werden. Denn das hilft niemandem.«
Außerdem hilft Offenheit, Gerüchten und Vorurteilen die Luft zu nehmen. Wobei beide ihre Trennung nicht als öffentliches Ereignis zelebriert haben. Im Gegenteil, sie sind eher defensiv damit umgegangen, aber haben sich nicht versteckt. Das zeigt allein die Mail von Manu.
Trotzdem gab es einige Irritationen, Gerüchte und Unverständnis. Das bleibt wohl nie aus. Und doch muss man sagen: Manu hat einen tollen Freundeskreis. Denn der hat nicht wenig dazu beigetragen, dass Manu die Entwicklungen der Trennung im Nachhinein nicht länger als »perfides«, sondern mittlerweile als »perfektes« Timing beschreibt. Mit Timing meint er nicht die Trennung an sich, sondern die Umstände, die sich aus dieser Trennung ergeben haben.
Er begründet es anhand der Kettenreaktion vieler Ereignisse und beschreibt es wie folgt: »Wäre es ein halbes Jahr vorher zur Trennung gekommen, wäre ich wahrscheinlich ausgerastet. Ein halbes Jahr später wäre wahrscheinlich ebenfalls eine Bombe explodiert. Ich war erschüttert, klar, konnte es aber in der Zeit mit einer übernatürlichen Ruhe ertragen.«
Nachdem Manu die Mail geschrieben hatte, ist er mit tollen Musikerkollegen auf Tour gewesen. Sie haben so ehrlich und tief gesprochen wie selten zuvor. Es war sehr bewegend. Manu hat in der Zeit mit vielen Freunden richtig gute Gemeinschaft erlebt und ihm ist bewusst geworden, was Freundschaft für ein Schatz sein kann.
EINE NEUE FRAU? … HOPPLA!
Oder: In der Zeit, als der Auszug von Manus damaliger Frau kurz bevorstand. Diese Phase hätte ihn normalerweise wahnsinnig machen müssen. Hat sie aber nicht, weil genau in dieser Zeit eine andere Person in sein Leben getreten ist. Völlig unerwartet verliebte er sich neu. Und ohne diese neue Kraftquelle hätte er das nicht so durchstehen können. Das hat ihm erneut den Boden unter den Füßen weggezogen. Diesmal im positiven Sinn.
Eine neue Frau? Hoppla … So schnell? Das denke in diesem Fall nicht ich, sondern einige Menschen in Manus Umfeld. Halbwissen und Vorurteile sind das Stichwort. Da hat Manu so einiges erlebt. Aus seinem engsten Umfeld kommen kritische Bemerkungen. Eigentlich muss er sich vor niemandem rechtfertigen. Macht er aber trotzdem.
»Ich war 37. Also noch kein Alter, in dem man mit Liebesbeziehungen abgeschlossen hat und den Rest des Lebens solo unterwegs sein möchte. Mir war sehr daran gelegen, eine saubere Trennung durchzuführen. Gerade durch unsere Tochter werden meine Exfrau und ich noch lange Jahre etwas miteinander zu tun haben. Und das wird uns auch gelingen. Aber ich habe damals nie ausgeschlossen, dass ich mich neu verliebe.«
Mittlerweile kennt Manus Tochter seine neue Freundin. Seine Exfrau auch. Sie schätzen sich gegenseitig und auch das passt zum Thema Timing. Wobei Manu auch das Wort Führung gebraucht. Er hat den Trennungs- und Nachtrennungsprozess als Führung Gottes erlebt.
Ach ja, Gott. Den gibt’s ja auch noch. Wo kam der eigentlich vor in dieser Beziehungskiste? Manu ist Pfarrerssohn, als Musiker spielt er in Bands, die christliche Inhalte vermitteln, und er glaubt selbst fest an Gott.
Wo war Gott Manus Ansicht nach in dieser turbulenten Zeit? Das frage ich ihn, als unsere Gläser schon ziemlich leer sind und die Fußgängerzone immer voller wird.
»Mein Glaube an Gott fußt auf einem irrsinnig starken Urvertrauen. Ich glaube ganz sicher daran, dass Gott da ist. Immer. Das ist manchmal das Einzige, was mich hält, aber dieses Gefühl und die gleichzeitige Gewissheit sind immer da.«
Und dann beschreibt er mir, wie er sich gehalten gefühlt hat im Epizentrum der Trennung, als eigentlich nichts mehr ging. Er spricht darüber, wie sehr er sein Umfeld, seine Freunde als Führung Gottes ansieht. Ja, sogar der Abend, an dem er mit einem Musikerkollegen und Freund abwechselnd Wodka und Bier in sich hineingeschüttet hat und beide nebenbei so herrlich offen und wesentlich miteinander gequatscht haben, ist für Manu ein Zeichen für Gottes Gegenwart.
Und für Manu ist Gott nicht derjenige, der aufgrund seiner Scheidung mit dem Finger auf ihn zeigt, den Stempel »Gescheitert« aufdrückt und ihn dafür verurteilt. Er weiß, dass er Fehler gemacht hat und dass seine Ex-Frau und er die komplette Verantwortung für die Trennung tragen. Das kann man nicht auf Gott abwälzen.
TRENNUNG ALS UNGEWOLLTE WEITERENTWICKLUNG
Aber Manu weiß auch, dass Gott Fehler vergibt, und er versucht, aus dem Vergangenen seine Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Das hat auch etwas mit Timing, … pardon, Führung zu tun.
Mittlerweile ist Manu 39 Jahre alt und in einer neuen Beziehung. Er möchte wieder heiraten. Glücklich sein. Und Fehler aus der vorherigen Beziehung vermeiden.
»Ich möchte öfter das Wort ›Entschuldigung‹ benutzen, in Konflikten weniger laut auftreten und bewusster mit Erwartungen und Verpflichtungen umgehen.«
Er hat den Lerneffekt genutzt, um sich weiterzuentwickeln. Ungewollt und ungeplant. Und die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Manu glaubt weiterhin an Beziehungen, weil er es als großen Gewinn ansieht, Dinge gemeinsam hinzubekommen. Außerdem braucht er den Rückhalt seiner Partnerin, die grundsätzlich erst einmal für ihn ist.
»Dann kann man über alles diskutieren. Aber dieses Gefühl, dass jemand das, was mich ausmacht, gut findet und zu mir steht, das ist unbezahlbar.«
Wir bezahlen und Manu bringt mich noch zum Bahnhof. Wir quatschen noch ein bisschen und nachdem wir uns am Bahnhof verabschiedet haben und ich in den Zug steige, fühle ich mich beschenkt.
Ich schlage das Buch von Michael Lukas Moeller auf. Seite 14. Ich lese den Absatz von vorhin noch einmal:
»Es gibt im Grunde keine wirklich zerbrochenen Ehen, die einstige Verliebtheit ist der Garant, es gibt nur nicht gelungene.« 4
Nach dieser Begegnung mit (und der Geschichte von) Manu ahne ich so ein winziges Stück von dem Kern dieses Satzes.
Danke!
Nachtrag: Einige Zeit nach unserem Gespräch heiratet Manu erneut. Ich wünsche seiner Frau und ihm von Herzen nur das Beste!
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