Für ihre wertvolle Hilfe durch Gespräche, Anmerkungen, generelle und spezielle Hinweise oder sonstige Unterstützung danke ich den folgenden Personen (in alphabetischer Reihenfolge) sehr: Prof. Jens Becker, Ornella Calvano, Franziska Döhler, Prof. Dr. Hartmut Fladt, Stephanie Hörnes, Dr. inAnna Igielska, Prof. Dr. Georg Maas, Dr. Dieter Merlin, Prof. Peter Rabenalt, Pascal Rudolph, Prof. Dr. inMonika Suckfüll, Prof. Dr. inKristin Wardetzky, Prof. Dr. Peter Wuss, Rita Ziller.
Besonderer Dank gilt dem Team der Hochschulbibliothek und Mediathek der Filmuniversität »Konrad Wolf« Potsdam-Babelsberg, darunter ganz besonders für ihre engagierte Hilfe: Uwe Figge, Kirsten Otto und Susanne Reiser.
Unschätzbar wertvoll war und ist der Austausch mit den Studierenden der Filmuniversität »Konrad Wolf« Potsdam-Babelsberg, insbesondere aus den Studiengängen »Sound«, »Sound for picture«, »Drehbuch/Dramaturgie« und »Filmmusik«. Dieses Buch habe ich auch (wie es sinngemäß Arnold Schönberg einmal ausdrückte) von ihnen gelernt.
Teil I Grundlagen und interdisziplinäre Umgebung
Im Film kann Musik als ein wesentliches Element der Dramaturgie einen faszinierenden Anteil an der Wirkung haben. Doch wie kann dieser analysiert, beschrieben und erklärt werden? In der Musik selbst stecken bereits Anteile dramaturgischer Gesetzmäßigkeiten, z. B. eine kalkulierte Verlaufswirkung, der Zusammenhalt der musikalischen Mittel untereinander oder das Einbeziehen von Publikumswissen. Beim Zusammentreffen verschiedener Kunstsysteme, die ihre eigenen Gesetze zu Sprache, Musik und Bild einbringen, prägt der Film eigene Spezifika aus.
Die Kapitel des I. Teils sollen die Grundlage bilden, um diesen Dingen nachzugehen und eine Bestimmung des Begriffs »Musikdramaturgie im Film« zu ermöglichen. Kapitel 1–3 bewegen sich im interdisziplinären Umfeld der Filmmusik, beginnend mit der Frage, was unter Dramaturgie, Filmdramaturgie und filmischer Narration verstanden werden kann. Der changierende Begriff »Dramaturgie« wird hinterfragt, die wesentlichsten Aspekte zur Filmdramaturgie werden erläutert. Danach richtet sich der Blick auf musikgeschichtlich gewachsene Konnotationen zwischen Musik und außermusikalischen Inhalten, narrative Analogien in der Musik, psychologische Anteile der Filmwahrnehmung und Grundlagen der emotionalen Teilnahme am Film. Die Beschäftigung mit den filmästhetischen Bedingungen, unter denen Musik im Film wirkt, folgt der Ansicht, dass Dramaturgie auch eine ästhetische Theorie beinhaltet, die Inhalt, Struktur und Wirkung zueinander in Beziehung setzt.
Die verschiedenen Blickwinkel in den ersten drei Kapiteln sind durch Querverweise und Rückfragen miteinander verbunden, auch um nach geeigneter Terminologie für ein Konzept der Musikdramaturgie im Film und die musikdramaturgische Analyse von Musik im Film zu suchen.
1. Dramaturgie und Musik
1.1 Dramaturgie
1.1.1 Begriffsbestimmung Dramaturgie
Eine Begriffsbestimmung für den Terminus »Dramaturgie« vorzunehmen, die alle mit Dramaturgie praktisch oder theoretisch in Berührung kommenden Bereiche, Kunstformen, Wissenschaftsdisziplinen usw. gleichermaßen berücksichtigt (und die Ansichten der Vertreterinnen und Verfechter ausreichend berücksichtigt), ist nach eingehender Untersuchung der Materie kaum möglich. Es stellt sich sogar die Frage, ob Dramaturgie überhaupt als Begriff taugt. Ähnlich verhält es sich bei der Diskussion, wie weit der Begriff »Filmmusik« zu fassen sei, wodurch einige Schwierigkeiten für eine wissenschaftliche Betrachtung von Musikdramaturgie im Film entstehen.
In diesem Kapitel wie auch in der gesamten Untersuchung finden sich Gedanken, Definitionen und Tendenzen wieder, die einen Dramaturgiebegriff untermauern, der praktische, analytische und theoriebildende Aspekte berücksichtigt. Die Gewichtung dieser Anteile kann je nach Kontext, in dem das Wort Dramaturgie gebraucht wird, sehr unterschiedlich ausfallen. Zusammengehalten werden die genannten Aspekte durch die Ästhetik des darstellenden Erzählens, zu dem auch die Kunstform Film gezählt werden kann. Der hier dargelegte Dramaturgiebegriff greift Grundlagen der Theaterdramaturgie auf, schließt dabei antike, klassische und zeitgenössische Prägungen ein und öffnet sich auch den Erkenntnissen und Kategorien der Narratologie, die für die Filmwissenschaft und Filmmusikforschung immer bedeutsamer geworden sind.
Ein aus der Belletristik stammendes Zitat zeigt anschaulich und kompakt die vielen Anteile, die Dramaturgie als Theorie und Praxis der Erzählkunst hat, und rückt einen noch nicht genannten Aspekt in den Mittelpunkt: dass der/die Erzählende um das Wissen des Publikums weiß und die eigene Sichtweise auf Thema und Geschichte zwar nicht vollständig offenlegt, aber dennoch durchblicken lässt:
»Ich selbst genoss meinen Bericht so, als würde er von einem ganz anderen erzählt, und ich steigerte mich von Wort zu Wort und gab dem Ganzen, von meiner Leidenschaft für das Berichtete selbst angefeuert, eine Reihe von Akzenten, die entweder den ganzen Bericht würzende Übertreibungen oder sogar zusätzliche Erfindungen waren, um nicht sagen zu müssen: Lügen. Ich hatte auf dem Schemel neben dem Fenster sitzend, den Schorschi auf seinem Bett gegenüber, einen durch und durch dramatischen Bericht gegeben, von dem ich überzeugt war, dass man ihn als ein wohlgelungenes Kunstwerk auffassen musste, obwohl kein Zweifel darüber bestehen konnte, dass es sich um wahre Begebenheiten und Tatsachen handelte. Wo es mir günstig erschien, hielt ich mich länger auf, verstärkte das eine, schwächte das andere ab, immer darauf bedacht, dem Höhepunkt der ganzen Geschichte zuzustreben, keine Pointe vorwegzunehmen und im Übrigen mich als den Mittelpunkt meines dramatischen Gedichts niemals außer acht zu lassen. Ich wusste, was dem Schorschi imponierte und was nicht, dieses Wissen war die Grundlage meines Berichts.«
Thomas Bernhard, Ein Kind (Bernhard 1982/2012, S. 35 f.)
Dramaturgie ist ein Bereich der Praxis (Erfindung und Umsetzung) und zugleich der Theorie (Analyse und Reflexion der Regeln). Um eine Brücke zwischen theoretischen und praktischen Anteilen von Dramaturgie zu schlagen, kann man grundsätzlich sagen, dass Dramaturgie als eine Form des kreativen Durchdenkens einer Sache mit den Mitteln der poetischen Gestaltung zeitbasierter Künste verstanden werden kann. Daraus ergibt sich, dass Dramaturgie kein geschlossenes oder homogenes System darstellt – in diesem Sinne sollten die zitierten Definitionen oder Anmerkungen verstanden werden. Unterschiedliche Auffassungen zu und Anforderungen an Aufbau, Umsetzung und Rezeption einer Geschichte lassen Dramaturgie als vielfältiges und keineswegs normatives Gefüge begreifbar werden. Dieses Gefüge besteht aus in der Praxis gewonnenen und erprobten Strukturen und Wirkungsstrategien, die sich nicht selten zu erzählerischen Modellen und rezeptionsästhetischen Modellvorstellungen zu Wahrnehmung und Aufschlüsselung von narrativen Werken verfestigt haben. Hierauf aufbauend entwickelte und entwickelt sich Dramaturgie als künstlerische und – wenn auch noch vereinzelt – zunehmend wissenschaftliche Disziplin, die unterschiedliche theoriebildende Ansätze und Forschungstraditionen bedient oder nutzt.
Der im Folgenden ausgebreitete Dramaturgiebegriff berücksichtigt, dass Dramaturgie Strukturen und Wirkungen hervorbringt, aber mit ihrer Hilfe dieselben zugleich auch analysiert werden können.1 Ein solcher Dramaturgiebegriff lässt Strategien und Wirkungen als (bewusst oder unreflektiert) auf einer in Werken und Theorien überlieferten Basis sich entfaltend begreifbar werden. Aber auch nicht vollständig benennbare und dennoch praktizierte Strategien und funktionierende Wirkungsmechanismen sind Teil von Dramaturgie. Der Dramaturg und Drehbuchautor Jean-Claude Carrière spricht sogar von einem »Geheimnis«, das dem Erzählen innewohnt, und verortet damit Dramaturgie indirekt in einem Bereich, wo nicht alle Gestaltungselemente und Wirkungsweisen entschlüsselbar sind, aber dennoch in der Praxis existieren.2
Читать дальше