4.3.1 Filmmusikalische Topologien
4.3.2 Musikalischer Ausdruck des Filmthemas und Einfluss auf narrative Strukturelemente
4.3.3 Grenzen der musikalischen Analyse
4.4 Fabelzusammenhang der Filmmusik
4.4.1 Definition Fabelzusammenhang der Filmmusik
4.4.2 Thesen zum Fabelzusammenhang der Filmmusik
4.4.3 Aristotelische Fabel und geschlossene Form
4.4.4 Heldenreise
4.4.5 Analytische Fabel
4.4.6 Episierende Fabel
4.4.7 Offene (dedramatisierte, sujetlose, episodische) Fabeltypen
4.5 Sujetbezug der Filmmusik
4.5.1 Thesen zum Sujetbezug der Filmmusik
4.5.2 Sujetbezug und narrative Funktionen
4.5.3 Das Zusammenwirken von Sujetbezug und Fabelzusammenhang
4.6 Die dramaturgische Dimension von Musik-Bild-Kopplungen
4.6.1 Klangperspektive
4.6.2 Extension
4.6.3 Synchrese
4.6.4 valeur ajoutée
4.6.5 Audiovisueller Kontrapunkt (»Kontrastierende Vertikalmontage« nach Eisenstein)
4.6.6 Sich bestätigende Beziehungen (Affirmation)
4.6.7 Sich ergänzende Beziehungen (»Dramaturgischer Kontrapunkt« nach Adorno / Eisler)
4.6.8 Filmmusikalisches Leitmotiv
4.6.9 Affirmation und Kontrapunkt als dramaturgisch vermittelte Beziehungen
4.7 Die auditiven Gestaltungs- und Wahrnehmungsebenen
4.7.1 Instrumentarium zur Analyse der auditiven Schicht
4.7.2 Erste und zweite auditive Ebene als kategoriales Gerüst
4.7.3 Mittelbarer auditiver Darstellungs- und Wahrnehmungsraum (mittelbare Ebene)
4.7.4 Modell der auditiven Ebenen
4.8 Zusammenfassung Kapitel 4
5. Zusammenfassung und Ausblick
6. Anhang
6.1 Verzeichnis der Filme
6.2 Verzeichnis der Abbildungen und Noten
6.3 Verzeichnis der Personen
6.4 Verzeichnis der Musikstücke und literarischen Werke
6.5 Internetquellen
6.6 Literaturverzeichnis
6.7 Glossar
Einleitung
Vorhaben, Prämissen und Methodik
Das Vorhandensein einer Musikdramaturgie im Film sollte zunächst begründet werden, weil Musik im Film nicht zwangsläufig vorhanden sein muss, um einen Film wirkungsvoll, inhaltlich und ästhetisch wertvoll zu gestalten. Musik ist nicht selten ein Auslöser und Anstoß von Filmen, Begleiter bei der Arbeit am Film oder gewohntes Beiwerk. Entgegen zahlloser Filmbeispiele, in denen nicht nur viel, sondern auch virtuos und kunstvoll Musik eingesetzt wird, ist es dennoch möglich, Filme ohne Musik – zumindest ohne hinzumontierte, nicht durch die gezeigte Szene begründete Musik – zu erschaffen. Doch schon hier beginnt eines der viel diskutierten Probleme der Musikdramaturgie im Film: Ist die gezeigte Musik lediglich in solchen Einstellungen zu hören, wo sie auch zu sehen ist? Wird Musik in der Szene nicht immer ein Kommentar, eine Vertiefung oder eine Interpretationshilfe sein wie externe Musik, z. B. wenn wir durch Montage gleichzeitig die Reaktionen auf das Erklingen der Musik sehen? Wenn uns diese Musik auch weiter in die folgende Szene begleitet, bedeutet sie dann nicht mehr, als nur die Ausstattung der Szene zu bereichern oder Übergänge fließend wirken zu lassen?
Die Musikdramaturgie im Film beschäftigt sich sowohl mit Musik, die in vielerlei Form Teil der Handlung sein kann, als auch mit der Zuordnung von Musik zu einem filmisch organisierten Handlungsablauf. Als analoger Begriff zur Musikdramaturgie des Musiktheaters taugt der Begriff aufgrund mediumspezifischer und ästhetischer Unterschiede zwischen Film und Oper nicht ohne Weiteres, vor allem aber, weil Film keine im eigentlichen Sinne musikalische Gattung ist. Gemeinsamkeiten zwischen den sich in der Zeit entfaltenden Kunstformen Musik und Film erlauben aber, filmische Anordnungen durchaus als »musikalisch« zu bezeichnen, z. B. in Fragen des Rhythmus und Timings oder der Komposition und Anordnung der Ebenen und Teile. Wenn Filmdramaturgie die für die Gattung des narrativen Films kaum zu überschätzende Bedeutung der Bilder und das darstellende Spiel der Figuren ordnet, dann wird sie diese Ordnungskraft auch auf die hinzugefügte Musik übertragen. Eine unmittelbar führende Rolle nimmt Musik dabei selten ein.
Dennoch scheint der Einfluss von Musik auf Dramaturgie und Filmwirkung enorm zu sein. In der vorliegenden Studie wird der Frage nachgegangen, wie vielfältig und wie konkret Musik als dramaturgisches Mittel zum Einsatz kommt und wie Musik die Filmform und die Filmwirkung beeinflusst. Unter Wirkung wird dabei nicht eine messbare physiologische oder psychologische Wirkung, sondern die Erlebnisqualität (Unterhaltung, Anregung) verstanden, die ein in Dramaturgie enthaltener Aspekt ist. Unter der Vorgabe, die bestmögliche Wirkung zu erreichen, organisiert Dramaturgie als Werkzeug der Konstruktion und Reflexion Struktur und Inhalt und setzt als zugleich praxisbezogene Disziplin Thema und filmische Präsentation einer Geschichte mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und Aufführungsarten um.
Ziel dieser Untersuchung ist es, die oft benannte, aber selten ausführlich behandelte, zeitgemäße Bedeutung der Dramaturgie für die Gestaltung, den Einsatz und die Wirkung der Filmmusik konkret und systematisch darzustellen. Es soll untersucht werden, wie Musik eigene Wirkungsmechanismen und Merkmale zugunsten einer Geschichte und ihrer filmischen Präsentation einbringt und mit Hinblick auf die kognitive und emotionale Anteilnahme eines anvisierten, idealen Publikums eingesetzt wird. Es sollen neue Thesen für die genannten Bereiche entwickelt und Musikdramaturgie als essenzieller Bestandteil einer Filmmusiktheorie ausgebaut werden. Hierfür wird ein zum Teil neues terminologisches und kategoriales Modell zur Beschreibung und Analyse von Filmmusik zur Diskussion gestellt.
Als Prämissen für dieses Vorhaben, die in der Arbeit an geeigneter Stelle näher erläutert werden, gelten folgende Punkte:
– Es existiert eine Musikdramaturgie außerhalb des Musiktheaters.
– Dramaturgie ist zugleich Theorie und Praxis.
– Zur Filmspezifik gehören ästhetisch eigene Formen der Repräsentation und Präsentation mit den Mitteln der filmischen Montage sowie die Synthese von Wahrnehmung und Wirkungen unterschiedlicher, schon existierender Kunstformen.
– Filmmusik wird als poetisches Gestaltungsmittel verstanden, das einen Film unverwechselbar werden lässt.
– Film dient als Kunst und Unterhaltung zur Erfassung der Welt und ist vielfach ebenso bedeutsam wie die Welterfahrung selbst oder eine Vorstufe davon.
– Kunstwissenschaft muss nicht normativ sein, leitet Thesen und Instrumentarium aus den Werken selbst ab und respektiert dabei einen stets verbleibenden, nicht übersetzbaren Rest.
Aus den Zielen und Prämissen ergibt sich, dass Dramaturgie als Methode zum Einsatz kommt, d. h. als Instrument der Reflexion, Analyse und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und des kreativen Durchdenkens von Phänomenen des darstellenden Erzählens und der Filmmusik. In der Filmmusikforschung ist Dramaturgie noch nicht systematisch als Methode genutzt worden, obwohl sie – von bestimmten kommerziellen Erwägungen abgesehen – die wohl wichtigste Instanz darstellt, vor der sich alle zum Einsatz kommenden Mittel im Film, darunter die Filmmusik, direkt oder indirekt rechtfertigen können und meist auch müssen. Ziel dieser Studie ist es daher auch, Dramaturgie als wissenschaftliches Werkzeug zur Annäherung an künstlerische, sich in der Zeit entfaltende, multimediale Werke zu erschließen.
Konkrete Fragen, die die Untersuchung leiten, sind:
– Wie kann eine zeitgemäße Definition von Dramaturgie aussehen, die für tradierte Erzählformen im Film und für neuere Formen des filmischen Erzählens geeignet ist?
– Wie unterscheidet sich Musikdramaturgie im Film von Musikdramaturgie im Musiktheater?
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