Lange Zeit war ich mir selbst mein größter Feind. Ich stand mir im Weg. Litt unter Prüfungsangst, in der Schule, beim Abitur, an der Uni – ich wollte viel, manchmal zu viel, alles, bloß nicht versagen. Ohne Selbstvertrauen versank ich immer tiefer in einem Strudel. Letztlich ist es mir gelungen, mich daraus zu befreien und mich mit mir selbst zu versöhnen, zu lernen, mich zu akzeptieren. Heute kenne ich mich. Wie aus dem Ich, meinem Feind, mein bester Freund wurde, auch davon werde ich ehrlich berichten. Die Schwere, die ich durchlebte, ist ausschlaggebend dafür, warum ich so bin, wie ich bin. Manchmal denke ich, wie wohl alles gekommen wäre, wenn ich mit fünfzehn oder sechzehn unbeschwerter gewesen wäre. Vielleicht wäre mir die dunkle Phase meines Lebens erspart geblieben. Wer weiß das schon. Ich will nicht klagen; ich bin dankbar dafür, wie mein Leben verlaufen ist, und nur wer mal unten war, der weiß, wie man es schafft, aufzustehen und weiterzugehen. Und genau dazu möchte ich euch ermutigen: Habt Selbstvertrauen. Geht euren Weg. Verfolgt eure Träume. Seid stark und seid schwach. Seid mutig, echt und einzigartig.
Der dreißigste Geburtstag ist für die meisten eine wichtige Wegmarke. Mit dreißig ist man irgendwie erwachsen, oder sollte es sein, ist im Leben angekommen. Ausreden zählen nicht mehr. Meinen runden Geburtstag feierte ich ganz groß in München, mit meiner Familie, Freunden, die mich seit vielen Jahren begleiten, mit Menschen, die mich auf meinem bisherigen Weg unterstützt haben. Ich wurde dreißig und ich wurde auch Mutter – gab es einen besseren Grund für eine Party?
Mein Fest hatte ein Motto: Rot und Glitzer. Ich wollte die Liebe feiern, und die Farbe der Liebe ist nun mal Rot, und der Glitzer, na ja, der war das kleine, aber feine i-Tüpfelchen obendrauf. Ich habe es ja immer schon gern ein bisschen glitzern und glamouren lassen, meine Familie kann davon ein Lied singen.
Die Gäste erfüllten den Dresscode mit Bravour. Mein Vater trug ein cooles rotes T-Shirt, meine Mutter eine rote Federboa. Die beiden sind seit 1982 verheiratet, darauf können sie wirklich stolz sein. Ich bin es jedenfalls. Sie sind, auch wenn jede Ehe Höhen und Tiefen durchschreitet, für mich das beste Beispiel, wie erfüllend eine lebenslange Beziehung sein kann. Und deswegen fand ich es besonders toll, dass sie gemeinsam mit mir feierten und sich dem Motto entsprechend in Schale schmissen.
Meine Kindheit war sehr behütet. Gemeinsam mit meinem Bruder Sebastian und meiner Schwester Vanessa wuchs ich in Unterschleißheim auf, einer Kleinstadt im Norden Münchens, und ich weiß noch, wie frei und leicht das Leben sich damals anfühlte. Wir drei haben immer etwas mit anderen Kindern unternommen, meine Mutter achtete darauf, dass wir viele andere Gleichaltrige um uns hatten, am liebsten spielten wir natürlich draußen. So etwas wie Langeweile jedenfalls gab es nicht. Und wann immer sich eine Gelegenheit ergab, packten uns unsere Eltern ins Auto und wir fuhren in die Berge, im Winter zum Skifahren, im Sommer zum Wandern. Meine Eltern waren begeisterte Camper, in den ersten Jahren haben wir gezeltet, später hatten wir einen Wohnwagen und wir verbrachten die Urlaube mit Freunden meiner Eltern auf Campingplätzen.
In den Sommerferien fuhren wir oft für mehrere Wochen an die Adriaküste ins damalige Jugoslawien. Aus dem Fernsehen kannten wir natürlich die alten Karl-May-Filme und waren begeistert, auf dem Weg ans Meer durch wilde »Westernlandschaften« zu fahren, dort, wo damals Winnetou gedreht worden war. Aus Kindersicht fühlten sich die Sommerferien an wie eine Ewigkeit. Der Gedanke, irgendwann sind die sechs Wochen rum und die Schule geht wieder los, der war unvorstellbar. Kroatien war immer wieder ein einziges großes Abenteuer. Später verbrachten wir die Ferien auch in Italien, weil wir Kinder uns mal einen Sandstrand wünschten. Meine Eltern bevorzugten zwar die Steinstrände der Adria, aber meine Geschwister und ich waren in der Überzahl und das ein oder andere Jahr konnten wir unseren Willen durchsetzen.
Zu Kroatien entstand damals, trotz der harten Kieselsteinstrände, eine innige Liebe. An der Küste von Posedarje in der Nähe von Zadar kauften wir vor ein paar Jahren ein Ferienhaus, hier finde ich Ruhe, wenn ich dem Alltagsstress mal entfliehen möchte, hier gebe ich auch Yoga-Retreats. Ein bisschen ist mir – auch dank der schönen Kindheitserinnerungen – Kroatien zur zweiten Heimat geworden.
Bei allen unseren Unternehmungen, seien es wochenlange Familienurlaube oder Tagesausflüge mit Tante und Cousinen, war meine Mutter eigentlich immer die treibende Kraft. Mein Vater, der beruflich sehr eingespannt war, überließ die Organisation gerne seiner Frau, er kümmerte sich im Gegenzug um Ausrüstung und Verpflegung. Ihr mangelte es auch nie an Ideen, mit welchem kleinen Abenteuer sie uns mal wieder überraschen könnte.
Meine Mutter, Marion Fischer, gebürtige Messmann, kam 1961 in München zur Welt. Ihre Eltern wohnten in Unterschleißheim, damals war der Ort noch mehr Dorf als Stadt, ein Krankenhaus gab es nicht, nur einen Arzt. Kindheit und Jugend verbrachte meine Mutter in Unterschleißheim, dort lebt sie, mit meinem Vater, bis heute. Eigentlich wäre sie gern mal woanders hingezogen, aber das ergab sich irgendwie nie.
Das Thema Rollenverteilung von Frau und Mann war für meine Mutter und ihren Werdegang immer ein ganz zentrales. Denn auf gar keinen Fall würde sie – wie ihre eigene Mutter und viele andere dieser Generation – später irgendetwas in Richtung Hauswirtschaft machen. Das Modell Mann, Kind und Haushalt, no way, sagte sich meine Mutter. Mann, Kind, Haushalt und Job, ja, das unbedingt. Sie wollte ihr eigenes Geld verdienen, auf eigenen Beinen stehen und von niemandem abhängig sein.
Um beruflich voranzukommen, wäre sie am liebsten aufs Gymnasium gegangen, aber der Rektor riet ab, schlimmer noch, er warnte gar, das Gymnasium sei nicht die richtige Lehranstalt für Mädchen. Das sei wenig sinnvoll, denn sie bekämen Kinder und das war’s, meinte er. Was für ein moderner, weitsichtiger Pädagoge … Meine Mutter durfte also nicht aufs Gymnasium wechseln, eine weiterführende Schule ließ sie sich aber nicht verbieten und bewarb sich heimlich an der Realschule. Dafür benötigte sie die Unterschrift ihrer Eltern, und die bekam sie auch, aber das ganze Prozedere hat sie letztlich allein durchgezogen.
Ich bewundere sie dafür, wie sie ihr Ding gemacht hat. Meine Mutter war schon immer eine taffe Frau. Dem Realschulabschluss folgte eine Banklehre, anschließend erwarb sie an der BOS die fachgebundene Hochschulreife, um an der LMU in München Steuerrecht und Revisions- und Treuhandwesen studieren zu können. Als Studienschwerpunkt entschied sie sich für Steuerrecht, um sich später mit eigenem Büro niederlassen zu können. Denn zu dem Zeitpunkt war die Familiengründung in vollem Gange. Mein großer Bruder Sebastian war schon auf der Welt, und meine Mutter nahm ihn gelegentlich mit zu den Vorlesungen. Nach der Uni machte sie wie geplant ihren Steuerberater und ging in die Selbstständigkeit.
Die Entscheidung für Familie plus Karriere, sagt sie heute, sei goldrichtig gewesen, und sie würde es jederzeit genauso wieder machen. In dieser Beziehung ist meine Mutter Vorbild für mich. »Nur« den Haushalt zu managen, wäre für sie auch schon deswegen nie infrage gekommen, da sie der Meinung war, der Job einer Hausfrau und Mutter werde gesellschaftlich zu wenig wertgeschätzt. Schon als Kind hatte sie sich in den Kopf gesetzt, sich nicht mit den typischen Mädchen-Dingen abspeisen zu lassen. Dass die Jungs in der Schule werken und basteln durften, während die Mädchen stricken mussten, das sah die kleine Marion nicht ein. Sie bestand darauf, das zu tun, was sie tun wollte, und nicht das, was andere für sie entschieden hatten. Zum Beispiel wollte sie auch Fußball spielen – und natürlich durfte sie auch das nicht. Für Mädchen gab es damals noch nicht mal einen Fußballverein!
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