Die Veranstaltung in Phoenix war die vierte Messe im Rahmen der CBC, an der die Weyermann® Malzfabrik als Aussteller teilnahm. Das Unternehmen war damals 120 Jahre alt und der Export von Weyermann®- Produkten in die Vereinigten Staaten war gerade angelaufen. Für die Messebesucher hatten Sabine Weyermann und Thomas Kraus-Weyermann freundlicherweise zu Werbezwecken ein Fass frisches Schlenkerla Rauchbier zum Ausschank mit nach Phoenix gebracht. Das war damals eine echte Attraktion für die experimentierfreudigen und lernbegierigen Brauer der Neuen Welt.
Im gleichen Jahr hatte der Verlag Brewers Publications, eine Abteilung der Brewers Association (BA), gerade Horst Dornbuschs Buch, Altbier – History, Brewing Techniques, Recipes, als Nummer 12 in der Classic Beer Styles-Serie veröffentlicht. Es war das erste Buch überhaupt in englischer Sprache über dieses kupferfarbene, damals weltweit noch relativ unbekannte Obergärige aus dem Rheinland. Als gebürtiger Düsseldorfer kannte sich Horst mit diesem Bier jedoch sehr gut aus und es war eines der Hauptangebote seiner damaligen Microbrauerei in Massachusetts, der Dornbusch Brewing Company Inc. Ein Jahr nach Phoenix wurde sein Altbier sogar mit einer Bronzemedaille beim Great American Beer Festival® 2000 prämiert.
Es gab zwei Gründe, weshalb der Weyermann® Stand rein zufällig auf der Messe in Phoenix zum Ort der ersten Begegnung zwischen den Autoren dieses Buches wurde: das Schlenkerla Rauchbier und das Altbierbuch, denn Horst stellte sich am Stand auf Englisch vor, wechselte dann aber auf Deutsch, als er um eine Probe des Schlenkerlas bat. Eine Gruppe von Brauern hatte diesen kurzen, zweisprachigen Austausch gehört und einer davon bemerkte: „Bist du nicht der Typ, der das Buch über Altbier geschrieben hat?“ Es stellte sich heraus, dass die Familie Weyermann dieses Buch, welches auf der Messe erhältlich war, ebenfalls am gleichen Morgen erstanden hatte. Damit wurde das zufällige Treffen am Weyermann®-Stand schnell zu einer ungeplanten Signierstunde und zu einem Foto-Event. Für eine deutsche Mälzerfamilie aus Bamberg war es natürlich etwas ganz Unerwartetes, einem Brauer und Autor in die Quere zu laufen, der in den USA wohnt, fließend Deutsch spricht, aber ein Buch auf Englisch über einen selbst in Deutschland nur regional bekannten Bierstil schreibt. Umgekehrt war jener Exildeutsche ebenfalls überrascht, eine deutsche Spezialmalzfabrik aus Bamberg mit Ambitionen, im nordamerikanischen Craft-Brauwesen Fuß zu fassen, in Phoenix kennenzulernen.
Das nächste „Treffen“ war nicht persönlich, sondern per Brief (Email war damals noch nicht, was es heute ist). Horst arbeitete an seinem nächsten Buch, „Bavarian Helles“, als Nummer 17 in der Classic Beer Styles-Serie für englischsprachige Leser. Es behandelte die Geschichte und das Brauverfahren dieses klassischen, bayerischen Bierstils komplett mit Rezepten, für welche Weyermann®-Malze natürlich perfekt geeignet sind. So fragte Horst, ob Sabine und Thomas daran interessiert wären, das Vorwort zu schreiben … und die Familie Weyermann nahm diese Gelegenheit gleich beim Schopf. So konnte man im Sommer 2000 zwei deutsche Mälzer an einem italienischen Strand mit Blick auf die Adria beobachten, wie sie ein Vorwort auf Deutsch für ein Buch auf Englisch über Bayerns berühmten Biergarten-Gerstensaft verfassten. Das übersetzte Horst dann fürs Buch ins Englische.
Und das war der Beginn einer großen und dauerhaften Freundschaft. Es war auch der Beginn einer fruchtbaren professionellen Zusammenarbeit zwischen der Weyermann® Malzfabrik und Cerevisia Communications LLC, einem Beratungsunternehmen in der Brauindustrie, welches Horst im Jahr 2000 gründete. In den folgenden Jahren haben sie an vielen Projekten zusammengearbeitet. Unter anderem hat man gemeinsame Artikel in Fachzeitschriften verfasst. In der Weyermann® Braumanufaktur in Bamberg wurden diverse mittelalterliche Klosterbiere, klassische Biere aus der Renaissance und sogar germanische Brotbiere aus der Römerzeit rekonstruiert. Zusätzlich wurde gemeinsam in Bamberg und bei gastfreundlichen Brauereien in vielen Ländern der Welt mit innovativen Kombinationen von Weyermann®-Malzen und auch mit ungewöhnlichen Hopfenmischungen experimentiert. Währenddessen entwickelte sich die Marke Weyermann® zu einem bedeutenden Player im Craft Brew-Bereich der Neuen Welt, wo Weyermann®-Malze nach den Anfängen in den 1990er Jahren bald zum vielseitigsten und gefragtesten Spezialmalz-Sortiment im nordamerikanischen Markt avancierten.
Das hier vorgestellte Buch ist ein weiteres Ergebnis dieser langjährigen Zusammenarbeit. Es basiert auf gemeinsamem, über Jahre gesammelten Brauwissen und auf vielfältigen, praktischen Erfahrungen in der Mälzerei und im Sudhaus. Es ist ein vielseitiges und ungewöhnliches Buch, welches sowohl historische als auch brautechnische Fragen mit einem wissenschaftlichen Ansatz und der gebührlichen Reverenz, aber – so hoffen die Autoren – auch mit ein wenig Humor behandelt. Möge dieses Buch das Verständnis der Leser für das Wunder, welches die dunklen Lagerbiere darstellen, erweitern und möge es auch zum Nachbrauen bzw. zum innovativen Experimentieren mit unseren Rezepten anspornen.
Thomas Kraus-Weyermann,Bamberg Horst Dornbusch,West Newbury, Massachusetts, USA Juli 2020
Vorwort von Jim Koch, Samuel Adams Boston Brauerei
Es macht Spaß, Brauer zu sein. Ein Teil des Spaßes besteht darin, ein unbekanntes Bier zu trinken und sich zu fragen, wohin es einen führen kann. Als ich 1985 Samuel Adams Boston Lager zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorstellte, waren alle großen amerikanischen Brauereien bestrebt, ihre Biere so leicht wie möglich zu machen. Es war damals ein Kalorien-Zähl-Wettbewerb auf niedrigstem Niveau. Der Geschmack war irrelevant, solange das Bier weniger als 100 Kalorien hatte! Das war eine schwierige Herausforderung, mit der auch wir damals gespielt hatten. Am Ende sahen wir jedoch darin keine Mission, die uns wirklich faszinierte. Meine Neugier zielte eher auf das andere Ende des Bierspektrums ab, auf die mysteriöse, dunkle Seite des Bieres. Und das bedeutete dunkle Lagerbiere (und Ales).
Es war ein aufregender Moment, als ich meinen ersten Samuel Adams Doppelbock braute. Als ich ihn jedoch zum zweiten Mal braute, kam mir der Gedanke: „Nun, wenn wir einen Doppelbock brauen können, warum nicht auch einen Tripelbock. Also haben wir es gemacht, und das war der Anfang einer Reise in die untersten Regionen des Brauens – zu den extremen Bieren. Erst kam der Tripelbock, dann das Millennium und schließlich Utopias! (Technisch ist Utopias ein Ale, also ein Obergäriges. Jedoch bedeutet „Lager“ auch ein gut gereiftes Bier; und Utopias ist ein Verschnitt aus verschiedenen extremen Bieren, wobei einige mehr als 20 Jahre alt sind.)
Dunkle Biere, insbesondere Lagerbiere, sind gerade deshalb verführerisch, weil es dort drinnen so dunkel ist und man oft nicht genau sehen kann, wohin man geht oder wo man endet. Extreme Biere sind für mich als Brauer immer ein spannender Pfad der Liebe.
Aufgrund der international explodierenden Craft-Brewing-Bewegung ist es unmöglich den Überblick zu behalten, wer was braut. Wir verdanken es Horst Dornbusch und Thomas Kraus-Weyermann, dass wir jetzt die Möglichkeit haben, auf der ganzen Welt über dunkle Lagerbiere zu lernen und, was noch wichtiger ist, Einblicke in und ein Verständnis für die Zusammenhänge dieser dunklen Juwelen des Brauens zu gewinnen.
Was sie geschaffen haben, wird meines Erachtens die Bibel der dunklen Lagerbierherstellung werden. Ich denke, die wahre Genialität dieses Buches liegt in seiner Fähigkeit, die Informationen sowohl für professionelle Brauer als auch für neue Biertrinker klar und überzeugend darzustellen. Es liefert die Grundlagen: die Wurzeln dunkler Lagerbiere, die grundlegende Biochemie, die Zutaten und Rezepte … aber dann hebt es wie eine Rakete ins Unbekannte ab und erforscht das weltweite Spektrum klassischer und experimenteller dunkler Lagerbiere.
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