Auf dem Dach der Remise turnen die Handwerker herum. Ein Maurer bricht gerade ein Loch aus der Mauer, dort, wo ein neues Fenster eingefügt werden soll. Er ist total mit rotem Ziegelstaub bedeckt und pfeift unentwegt vor sich hin.
Die Pflümlis – so nenne ich die drei Pflaumers insgeheim – finden alles schön: unser Haus mit dem geschnitzten Balkon, die Tomatenstauden, die am Zaun wachsen, den alten Hühnerstall, die Obstbäume mit den grauen Flechten auf den Stämmen, die Schwalbennester unterm Dach, Danis Baumhaus im Kirschbaum, das von Jahr zu Jahr baufälliger wird, und den klaren Bach, der unser Grundstück zum Bärentalwald hin abgrenzt. Sogar den Komposthaufen beim Gemüsegarten, auf dem Schnecken herumkriechen, finden sie gut.
„Hier stand früher ein großer Stall“, erzähle ich, als wir am rückwärtigen Teil des Hauses vorbeikommen. „Da, wo die vielen Fenster sind.“
Und Dani fügt hinzu: „Unsere Eltern haben den Stall umgebaut. Chris hat jetzt seine Praxis drin. Er ist Heilpraktiker.“
„Dann war das mal ein Bauernhof?“ fragt Jenny.
„Nein“, sagen Dani und ich gleichzeitig. Dani erklärt: „Unser Rösslehof war vor über hundert Jahren eine Poststation. Eine Art Gastwirtschaft, wo die Postkutscher Halt gemacht und ihre Pferde gewechselt haben, und wo die Fahrgäste zu essen und zu trinken bekamen und übernachten konnten.“
„Habt ihr den alten Stall noch gekannt?“ will Jonas wissen.
Dani schüttelt den Kopf. „Er ist kurz nach meiner Geburt umgebaut worden“, sagt er.
Als wir zum Fahrradschuppen kommen, sitzt unsere Mutter Kathi bei den Himbeerstauden und malt. Für Dani, Emma und mich ist es nichts Besonderes, dass unsere Mutter Malerin ist. Aber die Pflümlis sind sehr beeindruckt, das merkt man. Bewundernd sehen sie sich das Bild auf der Staffelei an.
Es ist erst halb fertig und zeigt unseren Schwarzwaldhof mit dem tiefgezogenen Dach, den Kletterrosen an den Wänden und den hängenden Fuchsien auf dem Balkon.
„Ist das schön!“ sagt Jenny andächtig. „Dass Sie so was können!“
Kathi lächelt. „Ehrlich gesagt, kommt es mir schon fast zu den Ohren raus, immer das Gleiche zu malen. Den Rösslehof habe ich bestimmt schon dreißigmal gemalt. Aber Bilder von Schwarzwaldhäusern sind halt sehr beliebt bei den Touristen.“ Sie seufzt ein bisschen. „Und schließlich muss man ja auch Geld mit der Pinselei verdienen. In der Galerie in Bad Säckingen gehen Bilder von Schwarzwaldhäusern weg wie die warmen Semmeln.“
„Könnten Sie nicht auch mal Sammeli und Franzi malen?“ fragt Jonas schüchtern.
„Sicher“, erwidert Kathi. „Ich werd’s zumindest versuchen. Pferde sind allerdings nicht leicht zu malen.“
„Das Bild von Lady ist aber sehr schön geworden“, sage ich.
„Hm, na ja. Es hält sich so in Grenzen. Ihr Hals ist darauf zu kurz geraten“, meint Kathi.
Unsere Mutter ist eigentlich nie richtig zufrieden mit dem, was sie malt. Immer findet sie einen Haken daran, etwas, das besser gemacht werden könnte. Auch wenn andere das kaum jemals merken.
„Habt ihr Mick, Jenny und Jonas schon etwas zu trinken angeboten?“ fragt sie jetzt. „Einen Saft oder Milch vielleicht?“
Nein, das haben wir natürlich vergessen.
Gemeinsam gehen wir zum Haus. Auf der Koppel stehen die Ponys im lichten Schatten unter den Obstbäumen. Sammeli knabbert an Franzis Ohr. Beide wedeln heftig mit den Schweifen, denn schon summt ein Schwarm Fliegen um sie herum.
In der Ferne rauscht der Bach. Die Handwerker hämmern in der Remise und Emma schnattert auf Jenny und Jonas ein. Dani und Mick unterhalten sich darüber, dass man hier im Schwarzwald Halbedelsteine finden kann – Bergkristalle und Amethyste und Rosenquarz.
Ich werfe einen Stock für August. Er holt ihn, bringt ihn zurück und legt ihn mir vor die Füße. Dann sieht er erwartungsvoll zu mir auf, spitzt sein linkes Ohr und bellt.
Ich weiß, was das bedeutet. Wieder schleudere ich den Stock über die Wiese, so weit ich kann. Die Schwalben zwitschern und düsen über unsere Köpfe. Es riecht nach Sommerferien.
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