eISBN 978-3-947612-98-7
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Lektorat: Gerd Fischer
Covergestaltung: Lukas Hüttner
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Robert Maier
Ein Virus Cop Krimi
Der Autor
Robert Maier, 1961 in Frankfurt am Main geboren, schreibt seit 2010 Belletristik und Kurzgeschichten. Dabei fühlt er sich im Krimi-Genre genauso wohl wie etwa in Science-Fiction und sozialkritischen Glossen.
2016 wurde sein erster Roman „Pankfurt“ veröffentlicht.
Robert Maier ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er arbeitet bei einer großen deutschen Fluggesellschaft im IT-Bereich.
Veröffentlichungen bei mainbook: „Virus Cop – Der Tote an der Nidda“ (2019)
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Zwei Gruppenreisen in einer Stunde. Wenn es bloß an jedem Tag so gut liefe. Kasim schmunzelte, als er sich von seinem Bürostuhl erhob. Er ging ins Hinterzimmer, um sich einen Tee zu machen.
In der Familie war er der einzige Teetrinker. Sabine und die Kinder machten sich nicht viel daraus. In dieser Hinsicht hatten sie nichts von seinen kurdischen Wurzeln übernommen. Sie tranken lieber Kaffee. Nur äußerst selten noch sprach er Kurmandschi, seine Muttersprache. Er dachte und träumte schon viele Jahre auf Deutsch. Dass er fließend Türkisch sprach, war hilfreich für sein Reisebüro, das sich auf Türkeireisen spezialisiert hatte.
Über das laute Rauschen des Wasserkochers hinweg vernahm er das Klingeln der Ladentür. Ständig wurde er von seinen Kunden auf die alte, mechanische Türglocke angesprochen. Manche fanden sie sympathisch, viele aber altmodisch und überkommen. Für ihn war es seit vielen Jahren der unverkennbare Hinweis, dass jemand seinen Laden betrat, ein Signal, das er problemlos aus lauter Musik oder dem Lärm seines Wasserkochers heraushörte.
Er schloss den oberen Hemdknopf, räusperte sich und trat in den Laden hinaus.
»Wo sind sie?!« Der Mann, der ihn am Arm packte, atmete heftig. Seine Augen waren weit aufgerissen.
»Was?« Kasim wurde schwindelig vor Schreck. Er versuchte zu erkennen, was der Andere ihm an den Kopf hielt. Es schmerzte.
»Wo ist der Eingang?«
Er begriff, dass es eine Pistole sein musste, die man ihm an die Schläfe drückte. Seine Knie begannen zu zittern. Er spürte den fordernden Blick des Mannes auf sich.
»Was wollen Sie von mir?«
Der Andere stieß ein böses Lachen aus. Der Schmerz an der Schläfe wurde heftiger.
»Tu einmal in deinem Leben etwas Gutes, bevor ich dich zu deinem Allah schicke!«
Was sollte das bedeuten? Wieso sagte der Mann so etwas? Was hatte er ihm getan? Wollte er ihn tatsächlich umbringen?
»Ich bin nicht gläubig.«
An der wütenden Fratze seines Gegenübers erkannte er, dass es dumm gewesen war, so zu antworten. Aber es stimmte: Er glaubte nicht an den Gott der Moscheen, auch nicht an den der Kirche. Wenn man starb, war man vergangen, weg, existierte nicht mehr.
Nur vage nahm er wahr, dass der Mann ihn ins Hinterzimmer drängte. Überall am Körper spürte er Schweiß, er schmeckte ihn in seinem Mund.
Er glaubte zu fallen. Nein, er fiel tatsächlich. In den Stuhl, wo er eigentlich seinen Tee trinken wollte. Der Mann hatte ihn dorthin gedrängt, sonst wäre er einfach zu Boden gekippt. Auch im Sitzen zitterten seine Knie.
»Das muss eine Verwechslung sein.« Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. Er konnte nicht klar denken. Was geschah hier?
Der Andere blickte sich suchend im Raum um, hielt ihm weiter die Pistole an den Kopf. Dann starrte er ihm eindringlich ins Gesicht und kam ihm sehr nahe. Der Druck an der Schläfe wurde unerträglich. Kasim stieß einen heiseren Schrei aus, wollte den Kopf abwenden, konnte ihn aber nicht von der Wand lösen.
»Wo ist der Eingang?!«, schrie der Mann mit der Pistole. Seine Stimme überschlug sich. Sein Gesicht glänzte von Schweiß.
»Ich verstehe nicht.«
Er spürte sein Herz in Panik hämmern. Waren das seine letzten Schläge? Er würde sterben. Jetzt gleich. Auf der Arbeit. In seinem Reisebüro. Wieso? Er dachte an Sabine, an die Kinder. Sie würden sich nie wieder sehen. Was würde aus ihnen werden? Was aus ihm? Wie viele Sekunden hatte er noch zu leben? Würde er im nächsten Augenblick in einem Nichts vergehen? Tot? Ausgelöscht?
Er spürte, wie sich die Hand des Anderen anspannte. Es würde jetzt geschehen. Unausweichlich.
»Hat der Mensch eine Seele?«, flüsterte er, bevor eine schmierige Masse aus Hirn und Blut gegen die Wand spritzte, über den Tisch und über den verstummten Wasserkocher. Kasims Bewusstsein war vergangen, noch bevor sein lebloser Körper die Tasse mit dem Teebeutel herunterriss und mit einem dumpfen Laut auf dem Fußboden aufschlug.
Olaf fand den Artikel im Lokalteil. Er war der Redaktion nicht mehr als eine halbe Spalte wert gewesen. Seit dem Mord war bereits eine Woche vergangen, für ein Blatt mit dem Anspruch, aktuelle Nachrichten zu drucken, eine Ewigkeit.
Die Fahrgäste um ihn herum sahen genervt auf, als er die Zeitung mit lautem Rascheln handgerecht faltete. Dann senkten sie die Blicke wieder. Olaf schickte ein freundliches Lächeln in die Runde, aber alle starrten nur geschäftsmäßig auf ihre Displays.
Natürlich las Olaf auch Online-Zeitungen. Meistens aber brauchte er eine echte in der Hand, wenn er Nachrichten las. Er grinste in sich hinein. Die Leute um ihn herum hielten ihn gewiss für einen technisch zurückgebliebenen alten Herrn, weil er ihnen bedrucktes Papier entgegenhielt. Einer von der Sorte, der an der Supermarktkasse nervte, indem er Kupfermünzen zusammenklaubte, um »es passend zu haben«, statt einfach mit Karte zu zahlen.
Wie man sich doch täuschen konnte. Bis vor wenigen Wochen hatte Olaf als Experte für IT-Sicherheit gearbeitet, lange und erfolgreich genug, um mit Ende fünfzig von einer üppigen Rente leben zu können.
Er rückte die Lesebrille zurecht. Das Mordopfer Kasim Y. war, wie es in dem Artikel hieß, in seinem Reisebüro in Bockenheim mit einem Kopfschuss getötet worden. Alles deute darauf hin, so weiter, dass Kasim Y. geradezu exekutiert worden sei. Die Polizei gehe deshalb von einem Auftragsmord der türkischen Mafia aus. Der Artikel schloss mit einigen Zeilen über die steigende Zahl von Schutzgelderpressungen in Frankfurt.
Olaf ließ die Zeitung auf seinen Schoß sinken. Der Anzugträger gegenüber sah gequält auf die Seiten, die in seine Richtung überhingen, stöhnte demonstrativ auf und zog sein Tablet näher an sich heran. Olaf grinste den Mann an, der aber stur auf seinen Bildschirm blickte und gewichtig tat. Dabei spielte er bloß Candy Crush, das hatte Olaf bei einem zufälligen Blick auf den Bildschirm sehen können.
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