Armin Himmelrath, Julia Egbers
Fake News
Ein Handbuch für Schule und Unterricht
ISBN Print |
978-3-0355-1085-0 |
ISBN E-Book |
978-3-0355-1086-7 |
1. Auflage 2018
Alle Rechte vorbehalten
© 2018 hep verlag ag, Bern
www.hep-verlag.com
Inhalt
Einleitung: Fake NewsEin Fallbeispiel aus eigener Erfahrung
Kapitel 1: Hate Speech, Fake News, Hass im NetzZum Umgang mit einem neuen Phänomen
Was sind Fake News?
Historische Beispiele für Fake News
Fakes im Wissenschaftsbetrieb
Kapitel 2: Wie seriös sind Facebook-Nachrichten?Ausgewählte Studien zu Fake News und Hate Speech
Der Reiz von Verschwörungstheorien und Fake News
Jeder ist ein potenzieller Verschwörungstheoretiker
Was tun mit Impfgegnern?
Fake News und die US-Präsidentenwahl 2016
Fake News und die Bundestagswahl 2017
Jeder Vierte fühlt sich von Unternehmen belogen
Welche Erfahrungen haben Menschen mit Fake News gemacht?
Wer vertraut welchen Medien?
Kapitel 3: Digitale Kommunikation im Unterricht nutzenDie Medienkompetenz von Jugendlichen fördern
Soziale Netzwerke im Unterricht einsetzen
Die digitale Schule – mobile only!
Fake News kompetenzorientiert im Unterricht aufnehmen
Kommentierte Linkliste zu Unterrichtsmaterialien
Kapitel 4: Digital immigrants und early adoptersWarum digitale Kompetenzen für alle bedeutsam sind
Sind Sie ein digital immigrant?
Medienkompetenz? Digitale Kompetenz? Digital Literacy? Ein Begrifflichkeiten-Tohuwabohu und dessen curriculare Einordnung
Fortbildung statt Stopp: Die digitale Schule macht sich auf den Weg ...
Lernkonzepte zur Aneignung von digital literacy
Checkliste 1: Tipps für Lehrkräfte, sich weiterzubilden
Checkliste 2: Tipps für Lehrkräfte, um Schülerinnen und Schüler zu fördern
Kapitel 5: Ein Like für die digitale Kommunikation?!Was sich in Schulen und Studium, Gesellschaft und Politik ändern muss
Glossar
Anmerkungen
Einleitung: Fake NewsEin Fallbeispiel aus eigener Erfahrung
Einleitung: Fake NewsEin Fallbeispiel aus eigener Erfahrung
Wir geben es zu: Bei der Vorbereitung dieses Buchs sind wir einer Falschmeldung aufgesessen. Ja, wir selbst sind auf Fake News hereingefallen; wir haben geglaubt und glauben wollen, was so schön in unser Konzept von einem Handbuch zu Fake News gepasst hätte:
«Mehr als zwei Drittel der Jugendlichen halten Nachrichten, die sie bei Facebook lesen, für grundsätzlich seriös und glaubwürdig – Qualitätsmedien wie die Webseite von ‹Spiegel Online› dagegen schneiden schlechter ab: weniger als 30 Prozent der Teenager vertrauen diesen Plattformen bei ihrer Informationsbeschaffung. Das hat eine Studie von Wissenschaftlern aus Dresden ergeben.»
Klingt gut, oder? Das klingt sogar ein bisschen zu gut: Die Studie gibt es tatsächlich, «Mediennutzung und Medienkompetenz jugendlicher Migranten in Sachsen (JuMiS)» heißt sie und wurde unter anderem erstellt von Lutz Hagen, Professor und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Kommunikationswissenschaften (IfK) an der TU Dresden.[1] Am 26. September 2016 stellte er diese damals schon zwei Jahre alte Untersuchung zusammen mit aktuellen Forschungsergebnissen beim Kongress des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger in Berlin vor. Was allerdings nicht stimmt, ist die Berichterstattung, dass Jugendliche in Sachsen Facebook für glaubwürdiger halten als «Spiegel Online». Trotzdem machte diese Nachricht schnell die Runde, wurde in Social-Media-Kanälen genauso verbreitet wie bei seriösen Medien. So berichtete etwa Jan Böhmermann in seinem «Neo Magazin Royal» vom 29. 9. 2016[2], Facebook sei für junge Sachsen das glaubwürdigste Medium.
Das sei eine glatte «Fehlinterpretation einer Präsentationsfolie»[3], stellte Lutz Hagen kurz darauf per Pressemitteilung richtig. Die von ihm verwendeten Informationen seien «in den sozialen Netzwerken mit falscher Interpretation rasch verbreitet worden». Tatsächlich, betont der Medienwissenschaftler, würden die von ihm befragten über 2 100 Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund im Fall einer widersprüchlichen Berichterstattung – etwa zu einem Unglück, einem Anschlag oder einer Naturkatastrophe – mehrheitlich klassischen Medien Vertrauen schenken. Demgegenüber rangieren Nachrichtenangebote aus Onlinemedien «in puncto Glaubwürdigkeit sogar hinter Rundfunk und Print». Ein Befund also, der genau das Gegenteil aussagt von dem, was zuvor als vermeintliches Forschungsergebnis verbreitet wurde – und worauf auch wir zunächst hereingefallen sind.
Doch wie konnte es zu dieser Falschmeldung, zu dieser Fake News kommen? Der Wissenschaftler war in seinem Vortrag vor den Mitgliedern des BDZV der Frage nachgegangen, inwiefern Jugendliche noch über eine Kultur der Nachrichtenkompetenz verfügen – wie gut sie also in der Lage sind, Nachrichtenangebote im Hinblick auf ihre Qualität und Seriosität einzuschätzen. Diese Leitfrage steht auch über seinen Arbeiten im Rahmen des Forschungsprojekts «Vermittlung von Nachrichtenkompetenz durch die Schule», dessen Ergebnisse Lutz Hagen beim BDZV-Kongress präsentierte. Und dabei griff er unter anderem auch auf Ergebnistabellen der 2014 erschienenen JuMiS-Studie zurück. Eine der benutzten Folien wurde zum Ausgangspunkt der Falschmeldung.
Beim schnellen Blick auf die Tabelle kann möglicherweise tatsächlich der Eindruck entstehen, dass 83,3 Prozent der befragten Jugendlichen dem sozialen Netzwerk Facebook vertrauen, der ARD aber nur 31 Prozent und «Spiegel Online» sogar nur 21 Prozent. Aber: «Diese Interpretation ist falsch», sagt Lutz Hagen. Den Jugendlichen wurde nämlich die folgende Frage gestellt:
«Stell dir einmal vor, auf der Welt ist eine schlimme Naturkatastrophe passiert. Die Berichte in den Medien unterscheiden sich aber, so dass Du nicht weißt, was wirklich passiert ist. Welchem Medium würdest Du dabei am ehesten vertrauen? Du kannst maximal zwei Medien ankreuzen! Bitte notiere auch, an welchen Sender, welche Zeitung oder welche Internetseite Du dabei genau gedacht hast. Du kannst deutsche und fremdsprachige Medien nennen!»
|
Alle Jugendlichen |
Ohne Migrationshintergrund |
Mit Migrationshintergrund |
Fernsehen |
|
|
|
ARD (Tagesschau, Tagesthemen, Brisant) |
31,0 |
32,5 |
22,3 |
RTL (RTL aktuell, Punkt 12, Punkt 6, RTL Exklusiv) |
23,5 |
23,4 |
23,6 |
n-tv |
6,7 |
5,6 |
12,2 |
RTL II (RTL II News) |
5,6 |
6,1 |
2,7 |
ZDF (heute, heute journal, hallo deutschland) |
4,9 |
4,7 |
6,1 |
Basis TV(n) |
963 |
815 |
148 |
Zeitung |
|
|
|
Sächsische Zeitung |
31,7 |
32,1 |
28,4 |
Leipziger Volkszeitung |
25,3 |
25,6 |
23,0 |
Bild Zeitung |
8,6 |
8,2 |
10,8 |
Dresdner Morgenpost |
8,2 |
8,0 |
9,5 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) |
5,2 |
5,4 |
4,1 |
Basis Zeitung(n) |
597 |
523 |
74 |
Radio |
|
|
|
Energy Sachsen |
23,1 |
22,5 |
27,9 |
MDR Jump |
19,1 |
19,5 |
16,3 |
Radio PSR |
11,4 |
11,1 |
14,0 |
MDR Info |
7,7 |
7,2 |
11,6 |
Hitradio RTL |
7,7 |
8,4 |
2,3 |
Basis Radio(n) |
376 |
333 |
43 |
Onlinenachrichtenseiten |
|
|
|
Spiegel Online |
21,0 |
23,4 |
11,9 |
ARD online/tagesschau.de |
7,7 |
9,6 |
0,0 |
Sat1.de |
4,3 |
4,2 |
4,8 |
Rtl.de |
4,3 |
4,8 |
2,4 |
Rtl2.de |
3,8 |
4,8 |
0,0 |
Basis Onlinenachrichten(n) |
209 |
167 |
42 |
Soziale Netzwerke |
|
|
|
Facebook |
83,3 |
85,4 |
78,4 |
Basis Soziale Netzwerke(n) |
181 |
130 |
51 |
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