„Wenn wir es ganz fein machen wollen“, sagte jetzt aber Hans, „so wüßte ich etwas! Otto, der Onkel hat doch heute vorgelesen, daß der Larstetter Gesangverein nach seinem Konzert das Geld geschenkt hat für die Anlagen am —“
„Am Weißberg!“ fielen die Larstetter Buben und Mädchen ein. „Es gibt einen Aussichtsturm und Bänke und junge Bäume —“
„Also, wir machen es auch so. Wir schenken unser Geld für die Anlagen —“
„Ja, ja!“ riefen Otto, Bernhard, Marianne und verschiedene andere. „Hans hat recht! Das wäre am allernobelsten!“
Lotti, Trudi und die Kleinern dachten vielleicht einen Augenblick noch an die Schokolade und die Reise nach Schiebeldorf; aber dann rannten sie wichtig mit zu Bernhards Vater, der die Gelder für die Anlagen einkassierte.
Herr Fink saß am Tisch und ordnete seine Pflanzensammlung. Er lachte, als die Kinder von dem Theater erzählten und ihr Geld brachten. Edith hatte die 86 Rappen zu einem Franken aufgerundet.
„Schön, schön!“ sagte er, indem er ein langes blaues Heft herholte. „Ein Franken ist immer ein Franken —“
Er schlug das Heft auf und lachte noch einmal ein wenig, während er die Feder ergriff.
„Jetzt wird’s eingeschrieben! jetzt wird’s eingeschrieben!“ riefen die Kinder sich zu, und dann durfte jedes in das Heft gucken, wo mit schöner Schrift geschrieben stand: „Am 17. Oktober Ertrag der Theatervorstellung im Doktorhaus: Ein Franken.“
„Herr Fink“, fragte Trudi. „Könnte man eine Bank machen lassen aus dem Franken?“
„Ach, Trudi!“ rief Otto. „Für einen Franken bekommt man keine Bank!“
„Nein“, sagte Herr Fink; „aber wir wollen sehen, daß es ein junges Ahorn- oder Lindenbäumchen gibt. Das habt ihr dann gestiftet —“
„Und da sitzen wir jedesmal drunter!“ riefen die Kinder.
„Und wir auch, wenn wir in Larstetten sind!“ stimmten Hans, Marianne und Lotti ein.
„Wenn es nur recht bald groß und schattig wird! Ja, wir müssen es manchmal begießen! Ihr schreibt uns dann, wie es wächst! Wir heißen es das Theaterbäumchen! Oder die Siegfriedlinde! Ja, ja! die Siegfriedlinde!“ So ging es durcheinander unter den Buben und Mädchen, bis man sehr befriedigt sich trennte.
Als Onkel Doktor von der Schenkung und von der Siegfriedlinde hörte, lachte er auch.
„Das habt ihr ja ausgezeichnet gemacht!“ sagte er.
Am nächsten Nachmittag kamen Marianne, Lotti und Trudi schon wieder ins Pfarrhaus gerannt, Edith solle mitkommen, sie gehen alle zum Eschenweiher hinunter.
Der Eschenweiher war ein stilles, langgestrecktes Wasser an der Sägenwiese.
Lehrers Bernhard, Hans und Otto waren nach dem Mittagessen daran vorbeispaziert.
„Schrecklich schmal!“ hatte Hans gesagt.
„Aber ziemlich lang!“ hatte Bernhard erwidert. „Wenn man von der Bank aus hinuntersieht und den Kopf nicht rechts und links dreht, meint man fast, es sei ein kleiner See.“
Hans wollte Bernhard nicht kränken; sonst hätte er laut herausgelacht. Ein See —! Bernhard hatte jedenfalls in seinem Leben noch nie einen See gesehen. Otto guckte Hans von der Seite an; er wußte wohl, was der dachte.
„Nein, Bernhard, von einem See kann man da nicht reden. Denk nur, wie tief ein See ist! In unserm Eschenweiher geht einem das Wasser höchstens bis daher —“ Otto zeigte an seinen Gürtel.
„Da kann man also nicht einmal recht naß werden!“ sagte Hans.
„Und dann müßten doch Schiffe da sein!“ fuhr Otto fort.
„Im Sommer bin ich einmal auf einem Brett drauf herumgefahren“, erzählte Bernhard.
„Das ist etwas! Auf einem Brett, wo grade zur Not einer stehen kann!“ Hans mußte sich Luft machen. „In unserm kleinen Schiff haben sechs Personen Platz. Und in einem ordentlichen Steinschiff etwa dreißig. Und auf einem Dampfschiff — aber natürlich von einem Dampfschiff habt ihr in Larstetten keinen Begriff!“
Bernhard schwieg besiegt, und die Knaben trennten sich bald. Bernhard ging den Eschenweiher entlang bis zur Säge, die seinem Vetter gehörte. Man baute da die Scheune um, und das große Tor stand angelehnt an der Mauer. Bernhard kam ein Gedanke.
Er ging auf des Vetters Sohn zu, der da arbeitete.
„Du, Gustav, könnte ich nicht das Tor haben für heut nachmittag?“
„Was willst?“ rief Gustav, der meinte, nicht recht gehört zu haben.
„Das Tor.“
„Das Tor? Brauchst du nicht vielleicht noch das Rathausdach und den Kirchturm dazu?“
„Ich meine es im Ernst. Es ist nicht wegen mir, sondern wegen Larstetten —“
Und Bernhard erzählte von dem Gespräch vorhin und was er nun im Sinn habe.
„Ein Schiff soll unser Scheunentor in seinen alten Tagen noch werden —?“ sagte Gustav belustigt. „Ja, wenn die Ehre von Larstetten auf dem Spiel steht, so wird es halt sein müssen.“
„Was man nicht erlebt!“ sagten die zwei Arbeiter, die zugehört hatten. „Jetzt gibt’s aus unserer Säge einen Seehafen!“
Mit vereinten Kräften schafften die drei Männer das Scheunentor auf den Eschenweiher hinaus, nachdem man auf beiden Seiten noch zwei breite Bretter festgenagelt hatte. Denn je mehr Leute Platz hatten, desto besser war es für Larstetten.
Dann rannte Bernhard ins Städtchen hinauf, um Otto und Hans zu holen. Die beiden folgten neugierig. Die Mädchen schlossen sich auch an.
„Es ist natürlich kein Dampfschiff!“ sagte Bernhard, als man am Eschenweiher anlangte.
„Famos ist es! Prachtvoll!“ schrien Hans und Otto.
Alle sprangen auf das Scheunentor, das breit auf dem Wasser lag. Es schaukelte angenehm und machte kleine Wellen.
„In Larstetten schiffahren!“ rief Lotti entzückt.
„Gelt!“ sagte Otto. Er war fast so stolz wie Bernhard.
In der Mitte des Schiffes stand ein Schemel, und drei Stangen lagen bereit.
„Das ist nun unsere Fähre“, erklärte Hans, indem er eine der Stangen ergriff.
„Ja!“ rief Marianne. „Wir warten am Ufer und rufen« Hoiho! Hol über!» Dann kommt ihr, Hans!“
„Wir können auch große Leute hinüberfahren, wenn sie vom Stampfenweg kommen oder vom Städtchen herab. Die sind gewiß froh. Es ist eine ziemliche Abkürzung.“ Hans stemmte die Stange ein und lehnte sich über den Rand des Fahrzeugs hinaus.
„Gib acht, daß du nicht hineinfällst!“ warnte Bernhard.
„O“, machte Hans. „Das geht nicht so schnell!“ Er legte sich noch etwas weiter hinüber. „Den ganzen Sommer sind wir nicht ins Wasser gefallen, keins von uns.“
Er lenkte das Schiff in grader Linie über den Weiher. Die Mädchen standen in der Mitte und spähten zum Stampfenweg hinauf und zurück zum Eschensteig. Niemand wollte sich zeigen, den man hätte können die Annehmlichkeit der Fähre genießen lassen.
Endlich tauchte auf der Stampfenhöhe etwas wie eine Mütze auf.
„Dort kommt einer!“
„Es ist der Polizeidiener! Der Drehbaum!“
Die Mädchen sprangen hinaus.
„Herr Drehbaum, wollen Sie sich nicht hinüberfahren lassen zum Eschensteig?“ lud Marianne ein.
„Sie brauchen nicht machen das weite Umweg!“ rief Edith.
„Wir tun es umsonst!“ fügte Lotti hinzu.
„Aber ich tue es nicht umsonst“, sagte Drehbaum schlecht gelaunt. „Und für Geld auch nicht. Das fehlte mir grade. Überhaupt — wem gehört das Tor?“
„Dem Vetter in der Säge!“ schrie Bernhard. „Der Gustav hat’s uns selber auf den Weiher herausgetan.“
„Das war etwas Gescheites!“ brummte Drehbaum, indem er sich zum Wege zurückwandte und mißbilligend mit seinem Stocke fuchtelte. Im Weitergehen zankte er noch vor sich hin; man hörte etwas von Narreteien und von Verbieten.
Die Kinder sahen ihm nach.
„Sie sind keine besonders nette Polizmann!“ rief Edith.
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